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Lengnau (AG)

Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Bezirk Zurzach, bestehend aus den Haufendörfern Lengnau und Unterlengnau im Surbtal sowie den Weilern Degermoos, Husen, Himmelrich und Vogelsang. Vom 17. bis zum 19. Jahrhundert grössere jüdische Gemeinde. 798 Lenginwanc. 1799 950 Einwohner; 1850 1761 (davon 525 Juden); 1900 1119; 1950 1355; 2000 2287.

Römischer Gutshof. Die landesherrlichen Rechte waren zwischen dem Bischof von Konstanz und den Habsburgern (Amt Siggenthal) bzw. ab 1415 dem Landvogt von Baden (Amt Ehrendingen) strittig, gingen aber bis zum späten 15. Jahrhundert gänzlich an die Eidgenossen über. Niedergerichtsherr war seit 1269 die Deutschordenskommende Beuggen, wobei der bischöflich-konstanzische Vogt von Klingnau vor 1400 mitbeteiligt war. Husen unterstand niedergerichtlich der Johanniterkommende Leuggern. Die katholische Pfarrei Lengnau, vermutlich Eigenkirche der Freien von Regensberg, die 1269 mit der Herrschaft von diesen an Beuggen überging, umfasst neben Lengnau die Gemeinde Freienwil. Die Kirche St. Martin wurde 1977 unter Einbezug des barocken Chors und des Käsbissenturms neu erbaut. Die Reformierten sind seit 1940 nach Tegerfelden kirchgenössig. Vorher war ihre Zuteilung unklar. Wegen der bäuerlichen Kunden, der nahen Zurzacher Messe und des Markts in Baden siedelten sich spätestens ab 1622 jüdische Händler an, die niedergerichtlich dem Landvogt unterstanden. Ab 1776 waren Lengnau und das benachbarte Endingen die einzigen Ortschaften der Eidgenossenschaft, in denen sich Juden niederlassen durften. Die christliche Bevölkerung versuchte wiederholt, die Juden zu vertreiben. 1802 kam es im "Zwetschgenkrieg" sogar zu einem Pogrom. Die jüdische Korporation verwaltete sich selbst und schuf sich 1750 eine erste und 1847 eine zweite Synagoge, die das Dorfbild heute noch prägt. Nach der Verankerung der Niederlassungs- (1866) und der Kultusfreiheit (1874) in der Bundesverfassung verliessen bis etwa 1920 die meisten Juden die Gemeinde. Die Angehörigen der jüdischen Korporation wurden nicht in die Ortsbürgergemeinde Lengnau aufgenommen, sondern per Dekret der 1879 gebildeten Ortsbürgergemeinde Neu-Lengnau zugeteilt. Diese wurde 1983 mit der Ortsbürgergemeinde Lengnau vereinigt und ihre Güter an eine Stiftung übertragen. Gleichzeitig wurde die (christliche) Innerortsgemeinde, Eigentümerin eines kleinen Teils von Wald und Flur, in eine Korporation umgewandelt. 1903 wurde das Schweizerische Israelitische Altersheim Lengnau eröffnet. Während die christlichen Einwohner hauptsächlich Landwirtschaft (Ackerbau, erst ab dem 19. Jh. vermehrt Viehwirtschaft) betrieben, handelten die Juden, denen Grundbesitz untersagt war, mit Vieh oder hausierten. Lengnau ist seit 1921 durch eine Postautolinie und durch die 1953 fertiggestellte Surbtalstrasse mit Baden verbunden. 1968 wurde eine Gewerbezone ausgeschieden, die in den folgenden Jahrzehnten rund 80 Betriebe anzog. Seit den 1970er Jahren entstanden verschiedene Ein- und Mehrfamilienhausquartiere.

Quellen und Literatur

  • B. Meier et al., Das Surbtal im SpätMA, 1995
  • Lengnau: 1200 Jahre, 1997

Zitiervorschlag

Andreas Steigmeier: "Lengnau (AG)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.11.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001840/2007-11-30/, konsultiert am 19.03.2024.