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Muri (AG)

Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Hauptort des gleichnamigen Bezirks. Das weitläufige Dorf auf einer Terrasse des Bünztals zwischen dem Reusstal und dem Lindenberg umfasst die Dorfteile und ehemaligen Dorfgemeinden Muri-Dorf, Egg und Wey, die erst im Verlauf des 20. Jahrhunderts zu einer geschlossenen Siedlung zusammengewachsen sind, sowie die Weiler Langenmatt, Wili und Hasli. 924 Murahe, im 11. Jahrhundert Mure. 1755 1966 Einwohner; 1799 1397; 1850 1966; 1900 2073; 1950 3680; 1970 4853; 2000 6545.

Auf eine Besiedlung in der Hallstattzeit verweist ein Grabhügel an der südlichen Gemeindegrenze. Vom 1. bis ins 3. Jahrhundert bestand im Gebiet von Muri ein gallorömisches Siedlungszentrum, an dessen Mauerreste der spätere Name erinnert. Die Bildung des Toponyms Murahe (bei den vielen Mauern), das den Gemeindekern bezeichnete, lässt eine alemannische Besiedlung desselben zwischen dem 6. und dem 8. Jahrhundert vermuten; andere Gemeindeteile dürften erst in einer späteren Ausbauphase zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert erschlossen worden sein.

Zur Zeit der Klostergründung um 1027 sind zwei vici bezeugt: Der südliche superior vicus, eine reine Bauernsiedlung, wurde später zum eigentlichen Dorf Muri (Langdorf). Der nördliche inferior vicus war der Herrenhof einer lokalen Grundherrensippe, dem auch die Kirche und der Kirchensatz gehörte und dessen Rechte von den Habsburgern usurpiert wurden. Aus diesem vicus gingen später neben der Klosterdomäne die Siedlungen Wey, Egg und Hasli, Wili und Langenmatt hervor. Alleiniger Grund-, Zwing- und Niedergerichtsherr in Muri war der Abt des Klosters. Vom Spätmittelalter an bestand die Zwing- oder Amtsgemeinde Muri, die eine Anzahl Dorfgemeinden umfasste. Sie erstreckte sich weiter als die heutige Gemeinde. Hervorgegangen war sie aus der Gemeinde der Kirchgenossen, und ihre Grenzen stimmten denn auch weitgehend mit jenen der Pfarrei überein. Sie befasste sich mit Aufgaben wie der Wahl der Dorfbeamten, niedergerichtlichen Angelegenheiten, der Regelung grundherrlicher Belange, der Aufnahme von Amtsgenossen und Hintersassen, dem Armenwesen, der Feuerpolizei usw. Die Genossen der Amtsgemeinde wählten aus ihrem Kreise den Ammann als Vorsitzenden des Niedergerichts, das sich aus den ebenfalls von der Gemeinde gewählten Fürsprechern zusammensetzte. Die Bedeutung der einzelnen Dorfgemeinden innerhalb der Amtsgemeinde reduzierte sich im Wesentlichen auf den landwirtschaftlichen Bereich und die Nutzung der Allmenden sowie die Aufnahme von Amtsgenossen als Dorfgenossen. Die Dorfgemeinden innerhalb der heutigen Gemeindegrenze waren Muri-Dorf (Langdorf), Wey, Egg und Hasli.

Nach der Klostergründung musste die alte Pfarrkirche der neu errichteten im Kloster weichen. Die Leutkirche St. Goar (Turm der jetzigen Anlage um 1335 erbaut, 1584 erhöht, Chor von 1640-1646, Schiff 1935-1936) wurde an den heutigen Standort auf dem Kilchbühl verlegt. Sie diente aber lediglich als Filialkirche; als Pfarrkirche fungierte fortan die Klosterkirche. Der Kirchensatz ging von den Habsburgern an das Kloster über. 1244 bestätigte der Bischof von Konstanz die 1242 vorgenommene Inkorporation der Pfarrei in das Kloster. Erst 1816 wurde Muri eine selbstständige Pfarrei. 1894 wurde die Reformierte Genossenschaft Muri gegründet; sie erhielt 1961 den Status einer Kirchgemeinde. Die reformierte Kirche datiert von 1954-1955.

Die Landwirtschaft des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit beruhte auf dem Getreidebau im Dreizelgensystem. Der weitaus grösste Betrieb war dabei die Klosterdomäne, die rund ein Drittel des heutigen Gemeindegebiets umfasste. Neben den in Dörfern üblichen Handwerken und Gewerben wirkten Künstler und Kunsthandwerker, die durch Aufträge des Klosters angezogen wurden. Im Verlauf des 18. Jahrhunderts erlangte die Heimarbeit für die Zürcher Seidenindustrie (Spinnerei) und die Ostschweizer Baumwollindustrie (Weberei) einige Bedeutung.

1798 wurde Muri-Dorf Hauptort des helvetischen Distrikts Muri, 1803 Muri-Wey Hauptort des Bezirks Muri. 1803 bildeten die vier Dorfgemeinden zusammen mit sechs weiteren des ehemaligen Amts eine Kreisgemeinde. Sie wurde 1816 aufgelöst, worauf sich die vier Dörfer zur Gemeinde Muri zusammenschlossen. Die einzelnen Ortsbürgergemeinden blieben noch bis zur Vereinigung 1899 bestehen. Wirtschaftlich spielte im 19. Jahrhundert vorerst die Strohindustrie eine wichtige Rolle; auf ihrem Höhepunkt um 1850 zählte sie in Muri um die 120 Beschäftigte. Nach deren Niedergang gegen Ende des 19. Jahrhunderts siedelten sich einige Fabriken der Metall- und Maschinenbranche sowie eine Ziegelei an. An dem bescheidenen Ausmass der Industrialisierung änderte auch der Bau der Südbahnlinie nichts, die 1875 Muri erreichte. Erst ab den 1960er Jahren, insbesondere in den späten 1990er Jahren, liessen sich in der neu geschaffenen Industriezone Süd mehrere grössere Betriebe nieder. 2005 wurden in der Gemeinde etwas über 4000 Arbeitsplätze angeboten. Seit den 1990er Jahren hat Muri als Wohnort für Pendler in die Agglomerationen Zürich, Zug und Luzern an Bedeutung gewonnen.

Das Kloster Muri hatte jahrhundertelang den wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt der Region gebildet. In den 1830er Jahren stand das Kloster und mit ihm die Gemeinde Muri im Brennpunkt des Konflikts zwischen der mehrheitlich katholisch-konservativ gesinnten Bevölkerung der Freien Ämter und den liberalen Kantonsbehörden, der 1841 in der Aufhebung des Klosters durch den Kanton gipfelte. Muri behielt aber auch danach seine Zentrumsfunktion, wobei einige der neu geschaffenen Einrichtungen in den Klostergebäuden untergebracht wurden. So verfügt es seit 1835 über eine Bezirksschule sowie seit 1908 über das Kreisspital für das Freiamt. Die kantonale Pflegeanstalt nahm 1909 die ersten Patienten auf (heute Zentrum für Pflege und Betreuung). Die Aargauische Arbeitskolonie Murimoos wurde 1933 ins Leben gerufen (heute Werk- und Wohnheim Murimoos). 1861-1873 sowie 1956-2002 bestand in Muri auch eine kantonale Landwirtschaftliche Schule, und seit ihrer Gründung 1978 hat die Volkshochschule Oberes Freiamt dort ihren Sitz. Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte sich die Klosterkirche wieder zu einem Ort vielfältiger kultureller Aktivitäten.

Quellen und Literatur

  • J.J. Siegrist, H. Müller, Muri in den Freien Ämtern, 2 Bde., 1983-89
Von der Redaktion ergänzt
  • Germann, Georg: Der Bezirk Muri, 1967, S. 188-452 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, 5).
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Fridolin Kurmann: "Muri (AG)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.07.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001791/2009-07-02/, konsultiert am 19.03.2024.