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Liberale Partei (LP)

Die Regenerationsbewegung (Regeneration) spaltete sich früh in Radikale und Liberale (Liberalismus). Nach 1848 bildeten die Liberalen neben den protestantischen Konservativen und den vom Radikalismus Enttäuschten (wie Charles Neuhaus) in der Bundesversammlung das Zentrum. In den 1870er Jahren gehörte nur noch Paul Cérésole im Bundesrat dieser Richtung an, auch wenn Simeon Bavier und Joachim Heer ihr ebenfalls recht nahe standen. In den Kantonen stellten die Liberalen entweder die Opposition zur radikalen Regierung oder deren rechten Flügel dar, wobei die Grenzen oft fliessend waren. So wurden in Zürich die Sieger von 1848, die später in Opposition zu den Demokraten gerieten, Liberale genannt. In den Kantonen Tessin, Jura, Luzern und Schwyz bezeichneten die Begriffe liberal und liberal-radikal bis Anfang des 21. Jahrhunderts Gruppierungen, die der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) angeschlossen waren.

Plakat der Liberalen von Basel-Stadt für die eidgenössischen Wahlen von 1931, gestaltet von Titus Burckhardt (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat der Liberalen von Basel-Stadt für die eidgenössischen Wahlen von 1931, gestaltet von Titus Burckhardt (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

1893 bildete sich in der Bundesversammlung eine liberal-demokratische Gruppe. Nach der Gründung der FDP 1894 und dem Beitritt zahlreicher Liberaler in diese Partei entstand 1893 aus dem, was vom Zentrum in der Bundesversammlung übrig geblieben war, eine liberal-demokratische Fraktion, die 1911 im Nationalrat über dreizehn Sitze verfügte, einschliesslich zweier Berner Konservativer und dreier Liberalkonservativer aus Zürich, Graubünden und dem Tessin. 1913 wurde die Liberale Partei (LP) der Schweiz gegründet. Deren Sektionen in Zürich, Schaffhausen, Freiburg und Graubünden lösten sich jedoch schon vor dem Ersten Weltkrieg auf, und die Berner schlossen sich der neuen Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei an, so dass die LP 1919 nur noch in den vier Kantonen Genf, Waadt, Neuenburg und Basel-Stadt vertreten war. Die LP bekennt sich zum Föderalismus: "Das erste Vaterland der Liberalen ist ihr Kanton". Als antietatistische Partei betont sie die Eigenverantwortung des Individuums. Sie heisst die Unterstützung der Landwirtschaft gut und vertritt die Ansicht, die Raumplanung dürfe die Gemeindeautonomie und das Privateigentum nicht zerstören. Sie spricht sich ferner für die Landesverteidigung und eine massvolle Steuerpolitik aus: "Man kann dem Armen nicht helfen, indem man den Reichen ruiniert." Im Bereich der Arbeitsbeziehungen darf der Staat ihrer Meinung nach die Berufsverbände nicht ersetzen. Obwohl die LP keine Regierungsvertreter hatte – Gustave Ador blieb ihr einziger Bundesrat –, betrieb die Partei keine Oppositionspolitik. Ab und zu nahm sie aber von den anderen bürgerlichen Gruppierungen abweichende Positionen ein. So war sie bei deren Gründung keine Anhängerin der AHV, wandte sich 1986 gegen den UNO-Beitritt der Schweiz, sprach sich als Einzige 1993 gegen die Einführung des 1. August als Feiertag aus und setzte sich 1997 für die Initiative Jugend ohne Drogen ein. Hingegen zählt sie zu den Befürwortern einer europäischen Integration: 1992 trat sie für den EWR ein und machte sich vor und nach dieser Abstimmung für die Eröffnung von Verhandlungen im Hinblick auf einen EU-Beitritt stark. Die LP hatte den Ruf einer eher elitären als populären Partei, auch wenn sie bis zu einem Drittel der Wählerschaft in Neuenburg zu mobilisieren vermochte. Ihre Anhänger rekrutierte sie vor allem aus der Landwirtschaft (insbesondere dem Weinbau), der gewerblichen Unternehmerschaft und dem gebildeten Bürgertum, und ihre führenden Köpfe entstammten oft der Studentenverbindung Zofingia und standen den Arbeitgeberorganisationen nahe. Lange war die Partei protestantisch geprägt. In den 1930er Jahren hegte ein Teil ihrer Mitglieder Sympathien für den Korporatismus (so in der Waadt, nicht aber in Basel). Zu Beginn des 21. Jahrhunderts umfasst die LP einen intellektuellen Zentrums- und einen konservativen Wirtschaftsflügel.

Plakat der Waadtländer Liberalen für die eidgenössischen Wahlen von 1943, gestaltet von Willy Jordan (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat der Waadtländer Liberalen für die eidgenössischen Wahlen von 1943, gestaltet von Willy Jordan (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Ab 1960 versuchte die LP, ihren Einflussbereich über die Grenzen der vier Kantone hinaus auszuweiten. Um Einzelmitglieder aus anderen Regionen anzuziehen, gab sie sich 1961-1977 den Namen Liberaldemokratische Union. Im Gegensatz zum Wallis, wo seit 1976 eine eigene Sektion einen bescheidenen Platz im Kanton einnimmt, blieben die Bemühungen in den Kantonen Basel-Landschaft, Freiburg, Bern und Zürich weniger von Erfolg gekrönt. 1981 fusionierte die LP mit der Neuenburger Parti progressiste national (PPN). Lange Zeit war sie die grösste, nicht im Bundesrat vertretene Partei. Nachdem sie 1971-1979 mit der Evangelischen Volkspartei eine gemeinsame Fraktion gebildet hatte, startete sie 2000 eine Zusammenarbeit mit den gemässigten Vertretern der SVP. Ab 2003 bildeten die LP und die FDP eine gemeinsame Fraktion in der Bundesversammlung, und 2005 wurde die politische Plattform Union der Freisinnigen und Liberalen zum Zweck der Annäherung der beiden Parteien gegründet. Am 1. Januar 2009 ging aus der Fusion der FDP und der LP die FDP.Die Liberalen hervor. 1919-1987 variierte die Vertretung der Liberalen im Nationalrat zwischen fünf und zehn, im Ständerat zwischen einem und drei Sitzen. Nach 1987 erlebte die LP einen Aufschwung, bevor sie dann einen schweren Rückschlag hinnehmen musste. Zwischen 1991 und 2003 fiel ihre Vertretung in Bern von insgesamt dreizehn auf vier Sitze. Die Gründe dafür liegen im negativen Image des Ultraliberalismus und in der Konkurrenz durch die SVP.

Sitze und Stärke der LP bei nationalen Wahlen 1919-2007

JahrStänderatNationalratWähleranteil in %
1919293,8
19221104,0
1925173,0
1928163,0
1931162,8
1935263,3
1939261,7
1943283,2
1947273,2
1951352,6
1955352,2
1959352,3
1963362,2
1967362,3
1971262,2
1975162,4
1979382,8
1983382,8
1987392,7
19913103,0
1995272,7
1999062,3
2003042,2
2007041,9
Sitze und Stärke der LP bei nationalen Wahlen 1919-2007 -  Bundesamt für Statistik

Auf kantonaler Ebene blieb die LP 2008 trotz ihrer Krise und der Wahlniederlagen zu Beginn des 21. Jahrhunderts die wichtigste bürgerliche Partei in den Legislativen Genfs und Neuenburgs und war immer in den Exekutiven und Legislativen der Kantone Genf, Neuenburg, Waadt, Basel-Stadt und Wallis vertreten. Die Fusion mit der FDP vollzieht sich schrittweise mit den Wahlen, ausser in Basel-Stadt, wo die Partei autonom bleiben will. Sie konnte auf starke Persönlichkeiten zählen wie Albert Picot, Raymond Deonna und Olivier Reverdin in Genf, Edouard Secretan, Louis Guisan und Claude Bonnard in der Waadt, Jean-François Aubert und Jean Guinand in Neuenburg sowie Albert Oeri in Basel. Lange profitierte die LP von der Unterstützung der drei Qualitätszeitungen "Gazette de Lausanne" (1798-1991), "Journal de Genève" (1826-1998) und "Basler Nachrichten" (1844-1977), die auch Beiträge von Historikern und Literaten erhielten. Zusammen mit der FDP trat die LP der 1947 gegründeten Liberalen Weltunion bei.

Quellen und Literatur

  • SPJ, 1966-
  • E. Gruner, Die Parteien in der Schweiz, 1969 (21977)
  • J.-J. Schumacher, Sociologie de l'Union libérale-démocratique suisse "Parti libéral", 1970
Weblinks
Kurzinformationen
Variante(n)
LP
Kontext Liberaldemokratische Partei, Liberaldemokratische Union

Zitiervorschlag

Jean-Jacques Bouquet: "Liberale Partei (LP)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.12.2010, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017386/2010-12-23/, konsultiert am 19.03.2024.