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Genfer Unruhen

Eine Menschenmenge und Armeeangehörige in der Umgebung der Kaserne im November 1932. Fotografie von Paul Senn (Bernische Stiftung für Fotografie, Film und Video, Bern) © Gottfried Keller-Stiftung.
Eine Menschenmenge und Armeeangehörige in der Umgebung der Kaserne im November 1932. Fotografie von Paul Senn (Bernische Stiftung für Fotografie, Film und Video, Bern) © Gottfried Keller-Stiftung.

Am 9.11.1932 wurde Genf Schauplatz heftiger Zusammenstösse zwischen Links- und Rechtsextremen, die im Zusammenhang mit dem Aufstieg des Totalitarismus in Europa, der Wirtschaftskrise und der Arbeitslosigkeit zu sehen sind. Als Höhepunkt des Links-Rechts-Konfliktes in der Schweiz sind die G. ein Vorzeichen des "Frontenfrühlings" von 1933. V.a. in Genf, wo versch. Skandale (die Affäre um die Banque de Genève) die traditionelle Rechte erschüttert hatten, war das polit. Klima gespannt. Militante Sozialisten unter Léon Nicole und Anhänger der Union nationale von Georges Oltramare lieferten sich Strassenkämpfe. Ein provokatives Plakat der Union nationale, das im Gemeindesaal von Plainpalais die "öffentl. Anklage der Herren Nicole und Dicker" verkündete, trieb die Sozialisten zur Gegendemonstration. Der Regierungsrat fürchtete um die öffentl. Sicherheit und bot die Armee auf, die am Abend des 9. November einer antimilitaristischen, von Nicoles heftigen Reden aufgeheizten Menge gegenüber stand. Ungeschickte Manöver, schwer verständl. Befehle sowie die Unerfahrenheit vieler Offiziere und Rekruten führten zum Drama. Der genaue Ablauf der Ereignisse sowie die Verantwortung der Beteiligten bleiben jedoch kontrovers. Die Armee eröffnete das Feuer, als sie sich bedroht fühlte; 13 Personen wurden getötet, 65 weitere verletzt. Im Mai 1933 wurde Nicole vom eidg. Schwurgericht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Die G. peitschten Emotionen hoch, die sich auf die folgenden Wahlen auswirkten: Im Nov. 1933 errangen die Sozialisten die Mehrheit im Genfer Regierungsrat und in der Stadtregierung von Lausanne. Die G. lösten weiter die Diskussion über die Rolle der Armee bei der Wahrung der öffentl. Ordnung aus (Ordnungsdienst).

Quellen und Literatur

  • F. Gonseth, Quand l'armée tirait sur la foule, 1977
  • M. Rey, Genève 1930-1933: la révolution de Léon Nicole, 1978
  • C. Torracinta, Genève 1930-1939: le temps des passions, 1978
  • A. Spielmann, L'aventure socialiste genevoise, 1930-1936, 1981
  • M. Tackenberg, D. Wisler, «Die Massaker von 1932», in Schweiz. Zs. für polit. Wiss. 4, 1998, 51-79
Weblinks

Zitiervorschlag

Pierre Jeanneret: "Genfer Unruhen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.07.2007, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017337/2007-07-11/, konsultiert am 19.03.2024.