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Harten- und Lindenhandel

Der Begriff Harten- und Lindenhandel bezeichnet verschiedene soziale Konflikte des 18. Jahrhunderts, so den Ausserrhoder Landhandel von 1732-1734, die Freiheitsbewegung in der Alten Landschaft der Fürstabtei St. Gallen 1795-1797 (Gütlicher Vertrag) sowie die Harten- und Lindenhändel in den Kantonen Zug und Schwyz.

Kanton Zug

Die beiden Zuger Harten- und Lindenhändel (1728-1736 und 1764-1768) waren im engeren Sinn politische Konflikte um die französischen Pensionen und den Salzhandel (Salz). Sie standen in einem umfassenden Zusammenhang mit Familienfehden, sozialen Konflikten, dem Gegensatz zwischen Stadt und Amt Zug, zwischen aristokratischen und demokratischen Tendenzen, aussen-, bündnis-, konfessions- und wirtschaftspolitischen Faktoren sowie Fragen zum Staatsrecht und zur Herrschaftspolitik.

1728 gewann in Zug der alte Unmut über die parteiische Verteilung der Pensionen durch die stadtzugerische Familie Zurlauben politische Wirkung, als das Äussere Amt die Austeilung unter alle Bürger forderte. Auch der den Zurlauben überlassene Handel mit französischem Salz sollte dem ganzen Stand zugute kommen. Die Zurlauben waren durch innere Konflikte um Fidel Zurlauben, den Anführer der Partei der eng mit Frankreich verbundenen Linden, geschwächt. Demgegenüber erhielt die Opposition der Harten mit dem Stadtzuger Ratsherrn und Salzhändler Josef Anton Schumacher, der sich vor allem unter der Landbevölkerung eine grosse Klientel verpflichtet hatte, einen markanten Anführer. 1729 wurde der geflohene Fidel Zurlauben wegen angeblich widerrechtlicher Aneignung des Salzhandels verurteilt und verbannt. Die Zurlauben mussten ihre Salzgewinne zurückbezahlen, womit ihre Machtstellung definitiv zerstört war. 1731 erfolgte die Wahl Schumachers zum Ammann. Die Harten unterdrückten jegliche Opposition und verfolgten Exponenten der Linden wie die Altammänner Christoph Andermatt und Klemens Damian Weber. Diese waren 1715 beim Vertragsabschluss mit Frankreich Gesandte gewesen und wurden beschuldigt, in den geheimen Zusätzen die Landesinteressen verraten zu haben (Trücklibund).

1733 kündigte Zug den Bund mit Frankreich auf. Der Ausfall der Pensionen, der Widerstand der Linden – unterstützt vom französischen Botschafter Jean-Louis de Bonnac –, die Isolation Zugs, der geringe Erfolg der Annäherung an den Kaiser und das Gewaltregime der Harten schwächten die Position Schumachers. Anfang 1735 wurde er von allen Ämtern enthoben und im Mai unter anderem wegen Verbrechen gegen Friede und Ordnung zur Galeere verurteilt. Die anderen Führer der Harten wurden milde bestraft (Verbannung, Ehrverlust, Busse) und die verurteilten Linden rehabilitiert. Eine Amnestie beruhigte die Lage. 1736 kehrte Zug ins Bündnis mit Frankreich zurück. Die Pensionen wurden nun gleichmässig verteilt, nicht aber die sogenannten Verehrgelder, die anstelle des französischen Salzes überwiesen wurden. Deren ungleiche Verteilung verschaffte dem neuen Führer der Linden, Ammann Johann Kaspar Luthiger, eine dominante Stellung, die er durch Wahlmanipulationen festigte.

1763 änderte der französische Kriegsminister Etienne François de Choiseul das Solddienstreglement, dem die Schweizer Truppen in französischen Diensten unterstanden. Die wichtigsten Neuerungen beinhalteten eine moderne Gradstruktur, neue Tenuevorschriften und die Herabsetzung der Truppenbestände. Das umstrittene Reglement weckte in Zug erneut Kritik am Trücklibund und an der Salzpolitik. 1764 kamen unter der Führung Franz Fidel Landtwings und Karl Kaspar Kolins erneut die Harten an die Macht. Sie vermieden den Bruch mit Frankreich, stellten aber die flüchtigen Altammänner Luthiger und Joseph Leonz Andermatt sowie weitere Linden wegen Aneignung der Salzgelder und politischer Machenschaften vor ein Sondergericht. Das aus 120 Ratsherren, Stadtbürgern und Landleuten zusammengesetzte Tribunal beruhigte die Lage 1765 mittels "Gesatz und Ordnungen" gegen politische Manipulationen und Stimmenkauf. Die Salz- und Pensionenfrage konnte erst 1768 gelöst werden. Eine Amnestie ermöglichte Luthiger die Rückkehr und veranlasste Frankreich, die Verehrgelder dem ganzen Stand zukommen zu lassen. Die Befriedung war dauerhaft, da nun alle Pensionen gleichmässig aufgeteilt wurden, die Erlasse von 1765 wirkten und Frankreich fortan auf massive Einflussnahme verzichtete.

Kanton Schwyz

Landsgemeinde vom 21. Dezember 1763 in Schwyz vor dem Wyssen Rössli. Gemälde eines unbekannten Malers (Familie Franz von Reding, Waldegg, Schwyz) © Fotografie Staatsarchiv Schwyz.
Landsgemeinde vom 21. Dezember 1763 in Schwyz vor dem Wyssen Rössli. Gemälde eines unbekannten Malers (Familie Franz von Reding, Waldegg, Schwyz) © Fotografie Staatsarchiv Schwyz. […]

Auch in Schwyz regte sich 1763 massiver Widerstand gegen das neue Militärreglement, einem unilateralen Eingriff in den Vertrag mit Frankreich von 1715. Die Linden wurden hier durch General Josef Nazar Reding vertreten, der in französischen Diensten stand, die Harten durch Pfauenwirt Karl Dominik Pfyl. Die Partei der Harten gewann vorerst die Oberhand. Die Landsgemeinde erliess 1763 ein Werbungsverbot, über das sich Josef Nazar Redings Frau hinwegsetzte. Reding wurde wegen seiner franzosenfreundlichen Haltung zur Bezahlung einer grossen Geldsumme verurteilt. Frankreich drohte seinerseits mit der Entlassung aller Schwyzer Offiziere und liess die Salzlieferungen einstellen. Im Februar 1764 verwarf die Landsgemeinde den Bund mit Frankreich von 1715 und ging strafrechtlich gegen die Führer der Linden vor. Mit der Landsgemeinde im Mai 1764 begann eine eigentliche Prozesswelle (29. April - 7. Mai), die von den antifranzösischen Interessen der spanischen und habsburgischen Soldparteien angeheizt wurde. König Ludwig XV. reagierte mit der Entlassung aller Schwyzer Truppen. Nicht zuletzt wegen der sturen Haltung der Harten bahnte sich eine politische und wirtschaftliche Niederlage an, da die Salzlieferungen, die Soldzahlungen und Bundesfrüchte ausblieben. Nun kehrte sich der Volkszorn gegen Pfyl und seine Anhänger, worauf Ersterer fliehen musste. Die Landsgemeinde rehabilitierte die verurteilten Parteiangehörigen der Linden und schloss sich 1777 einer neuen Militärkapitulation mit Frankreich an. Der Harten- und Lindenhandel war nicht nur ein Konflikt zwischen Franzosenfreunden und Anhängern der spanischen und habsburgischen Parteien, sondern auch Ausdruck einer Volksbewegung gegen die führenden Geschlechter in Schwyz, angeführt von aufstrebenden Politikern aus der ländlichen Mittelschicht, denen die höchsten Landesämter verwehrt geblieben waren.

Quellen und Literatur

  • StASZ, Landsgemeinde- und Missivenprotokolle, Akten
  • StAZG, u.a. FamA Luthiger
Kanton Zug
  • H. Koch, Der Schwarze Schumacher, 1940
  • U. Ess, Der zweite Harten- und Lindenhandel in Zug 1764-1768, 1970
  • F. Brändle, Demokratie und Charisma, 2005
Kanton Schwyz
  • D. Schilter, «Gesch. der Linden und Harten in Schwyz und Einsiedeln», in Gfr. 21, 1866, 345-396; 22, 1867, 162-208
Weblinks

Zitiervorschlag

Renato Morosoli; Kaspar Michel: "Harten- und Lindenhandel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.10.2009. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017204/2009-10-14/, konsultiert am 28.03.2024.