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AarbergGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Aarberg. Kleinstadt am alten Aarelauf mit intaktem historischen Kern. Die Gemeinde umfasst die Altstadt, neuere Aussenquartiere, den Weiler Spins sowie Mühletal und Grafenmoos. 1236 Arberc, 1267 opidum de Arberch. Bezirkshauptort, Marktort am einst einzigen Aareübergang zwischen Bern und Büren an der Aare, ehemaliger bernischer Hauptumschlagplatz für Fracht und Anlegestelle für Aareschiffe im Schnittpunkt des Nord-Süd- und West-Ost-Verkehrs. 1764 440 Einwohner; 1850 993; 1900 1372; 1950 2126; 2000 3802.

Die Holzbrücke über die Aare bei Aarberg, 1893 gezeichnet von Eduard von Rodt (Bernisches Historisches Museum, Sammlung von Rodt; Fotografie Stefan Rebsamen).
Die Holzbrücke über die Aare bei Aarberg, 1893 gezeichnet von Eduard von Rodt (Bernisches Historisches Museum, Sammlung von Rodt; Fotografie Stefan Rebsamen). […]

Auf der von der Aare und einem natürlichen Nebenarm (Kleine Aare) umflossenen Insel gründete Graf Ulrich III. von Neuenburg zwischen 1220 und 1225 die Stadt Aarberg als Mittelpunkt seiner durch Teilung entstandenen Herrschaft Aarberg, wohl anstelle eines älteren Dorfes (Reste von Holzbauten aus der ersten Hälfte des 12. Jh.) und einer Burg (im Kirchenbereich). Unweit des Brückenkopfes lagen am linken Aareufer das 1138-1139 erbaute und um 1526 abgetragene Pilgerspital Bargenbrück sowie am rechten Ufer des Nebenarms die hochmittelalterliche Burg der Herren von Aarberg auf dem Burghubel (Anlage bis ins 18. Jh. erhalten). Das älteste Siegel der Burgerschaft datiert von 1249. Ulrich IV. bestätigte 1271 mit einer Handfeste nach Freiburger Vorbild ein früheres Stadtrecht. Die ummauerte Kleinstadt bestand anfangs aus zwei Zeilen von Holzbauten um einen Gassenmarkt. Nach Bränden (1419, 1477) wurden die Häuser, nun in Stein, je 10 m auf die heutige Flucht zurückversetzt; so entstand der eindrückliche Marktplatz. Belagerungen von 1339, 1382 und 1386 widerstand die Stadt. Finanzielle Not zwang den letzten Grafen, Peter von Aarberg, alle seine Rechte an Stadt und Herrschaft 1358 an Bern zu verpfänden, das Aarbergs Handfeste bestätigte und einen Landvogt als Verwalter einsetzte. Nach vergeblichen Versuchen Peters, das Pfand Graf Rudolf IV. von Nidau zuzuhalten, gelangte der Besitz 1377-1379 endgültig an Bern. Die Kirche Aarberg (Mauritius-, später Marien-Patrozinium), westlicher Vorposten des Bistums Konstanz, entstand 1484 bzw. neu 1575 am Platz der ehemaligen Burg mit einem Turm (1526) aus Steinen der abgebrochenen Spitalkirche. Der Friedhof wurde neu neben der Stadtkirche angelegt. Bern vergabte das Patronatsrecht 1418 dem bernischen Münster, zog es aber nach der Reformation (1528) wieder an sich.

Die Stadtbehörde mit Burgermeister (1259 ein Schultheiss erwähnt) und 24-köpfigem Rat (12 Räte mit Richterfunktion, 12 Burger) unterstand der Aufsicht des Landvogts, der im Amthaus (Bau 1608-1610) residierte und dem Hochgericht vorsass. 1414 trat Aarberg den Zoll und damit den teuren Unterhalt seiner zwei Aarebrücken an Bern ab (Neubauten nach Hochwassern 1414, 1443, 1490, 1557, heutige Holzbrücke von 1567-1568). Der Ausbau der städtischen Infrastruktur im 15. und 16. Jahrhundert umschloss Rathaus (1496), Spital (1529) und Schule. Die einzigartige Verkehrslage prägte das Wirtschaftsleben der Stadt: Ihr Marktplatz war einer der grössten Umschlagplätze der Schweiz mit leistungsfähigem Fuhr- und Gastgewerbe (Tavernen Krone und Falken). Ohne Auswirkung blieb der 1647 eröffnete kurzlebige Aarberger Kanal als schiffbare Verbindung von Broye und Aare. Die Jahrmärkte (1271 erwähnt, 1507 zwei, 1681 drei, 1759 vier pro Jahr), 1478 mit dem Privileg des Salz-, Eisen-, Stahl- und Tuchhandels ausgestattet, waren von überregionaler Bedeutung. Die Stadt versuchte ihre auf Selbstversorgung ausgerichtete Landwirtschaft auszuweiten, unter anderem mit dem Kauf der Alp Chuffort ob Lignières (1591-1854). Spins und Mühletal (Herrschaftsmühle) standen als sogenannte Steckhöfe ausserhalb der städtischen Flurgemeinschaft. Ihre Bewohner gehörten aber als Hintersassen zum Stadtgericht. Spins (ehemaliger Schürhof), im 14. Jahrhundert Mannlehen der Herren von Spins, zählte im 16. Jahrhundert bereits vier Höfe. Aarbergs Hintersassenanteil war hoch (1764 37%) und umfasste wohlhabende Hofbauern ebenso wie arme Städter. Für diese wurde im 18. Jahrhundert im Spital eine Spinn- und Webmanufaktur eingerichtet. Das Siechenhaus (1549-1795, danach Stadtspital bis 1878) war eine regionale Institution der Stadt, der Ämter Aarberg, Nidau und Frienisberg.

Die Zuckerfabrik. Fotografie von Roland Schlaefli, 1986 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).
Die Zuckerfabrik. Fotografie von Roland Schlaefli, 1986 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne). […]

Der Franzoseneinfall von 1798 fügte der Stadt namhaften Schaden zu. Ihre Zuteilung zum helvetischen Distrikt Zollikofen, ab 1801 als dessen Hauptort, dauerte bis 1803. Danach wurde sie Hauptort des Amtsbezirks Aarberg. Unter dem Eindruck der Europa bedrohenden Pariser Julirevolution (1830) liess die schweizerische Heeresleitung zum Schutz von Aarberg, dem damals strategisch wichtigsten Punkt der Westgrenze zwischen Genf und Basel, die noch erhaltene Bargen- und die später wieder eingeebnete Kappelenschanze anlegen (1815 befestigter Brückenkopf). Der Bau der Eisenbahnen und die Juragewässerkorrektion brachten für Aarberg eine Wende: Durch die Linie Bern-Lyss-Biel (1864) wurde Aarberg vom grossen Verkehr abgekoppelt und darauf wirtschaftlich von Lyss überflügelt. Weder der Anschluss an die Broyetallinie (Lausanne-Lyss, 1876) noch die Einrichtung von Autokursen vermochten daran etwas zu ändern. Zur selben Zeit (1868-1878) befreite der Bau des Hagneckkanals Aarberg von den periodischen Überschwemmungen und der Last der Aarewehr. Die Eindämmung der Kleinen Aare beendete die Insellage. Ausserhalb der Stadt entstanden neue Quartiere: Brückfeld, Leimernacher, Sunnmatt und Mühlau. Die wirtschaftliche Stagnation des 19. Jahrhunderts bekämpfte Aarberg mit der Umstellung auf Vieh- und Milchwirtschaft, der Spezialisierung der zwölf Jahrmärkte auf Pferde und Vieh sowie nach 1900 mit dem Anbau von Zuckerrüben. In diese Zeit fielen die Gründung der Amtsersparniskasse (1843), der Viehzucht- (1893), der Käserei- (1895) und der Landwirtschaftlichen Genossenschaft (1906). Noch heute ist die Zuckerfabrik (1898, Neubau nach Brand 1912) die grösste Arbeitgeberin. Neben ältere Industriezweige (Ziegelei und Baugeschäfte) traten eine Präzisionsteilefabrik (1937), ein Spannbetonwerk (1947) und eine Verzinkerei (1960). 1990 dominierte der 2. Sektor mit 45% der Arbeitsplätze, und die Zahl der Zupendler übertraf jene der Wegpendler.

Seit 1832 umfasst die Gemeinde Aarberg in den Grenzen des ehemaligen Stadtgerichts die Einwohner- und die Burgergemeinde. Letzterer obliegen die Armenpflege und das Vormundschaftswesen der Burger. Die Kirchgemeinde wurde aus finanziellen Gründen zweimal kurzzeitig mit jener von Bargen vereinigt (1806-1832, 1879-1897). Aarberg beherbergt neben der Bezirksverwaltung die 1834 gegründete regionale Sekundarschule und das 1878 eröffnete Bezirksspital (Ausbauten zwischen 1923 und 1978).

Quellen und Literatur

  • P. Hunger, Gesch. der Stadt Aarberg, 1930
  • F. Krebs, 125 Jahre Amtsersparniskasse Aarberg, 1968
  • W. Oetiker et al., Aarberg, 1972
  • P. Hofer, Die Frühzeit von Aarberg, 1973
  • Aarberg, 1977
  • Archäologie im Kt. Bern, hg. von D. Gutscher, P.J. Suter, Bd. 3A, 1994
  • Aarberg, 1999
Von der Redaktion ergänzt
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GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Aarberg (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.11.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000172/2013-11-28/, konsultiert am 19.03.2024.