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Ilanzer Artikel

Die Ilanzer Artikel von 1524 und 1526 stellten das Landesrecht (Kirchen-, Staats- und Zivilrecht) der Drei Bünde dar. Mit ihrem Erlass durch den Bundstag wurde eine Tendenz der bündnerischen Verfassungsentwicklung weitergeführt, deren Anfang in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts lag. Im Zuge dieser Entwicklung erhielten die Gemeinden zunehmend mehr Rechte. Humanismus und Reformation begünstigten die Entstehung der Ilanzer Artikel ebenso wie die gleichzeitig erfolgten Forderungen deutscher, tirolischer und schweizerischer Bauern (Bauernkrieg). Die Ilanzer Artikel waren vorwiegend von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen geprägt, womit sich in ihnen der Umbau der feudalen Gesellschaft widerspiegelt.

Die ersten 18 Artikel vom 4. April 1524 richteten sich vor allem gegen Missbräuche auf kirchlichem Gebiet und enthielten bereits Kernpunkte der staatlichen Kirchengesetzgebung. Geistliche durften sich nicht vertreten lassen, sondern mussten ihre Pfründen selbst versehen und waren verpflichtet, am Ort ihres Wirkens zu residieren, sich ernsthaft um die Seelsorge zu kümmern und einen seriösen Lebenswandel zu führen. Ferner wurde ihnen verboten, für todkranke Personen Testamente aufzusetzen. Die Wahl des Pfarrers durfte nur noch mit Zustimmung der Gemeinde erfolgen. Ausserdem enthielten die ersten Artikel eine Beschränkung der Gebühren für bischöfliche Amtsleute und ein Verbot der bischöflichen geistlichen Gerichtsbarkeit in weltlichen Dingen. Die Artikel von 1524 basierten auf sieben Artikeln des Grauen Bunds vom 20. April 1523 und auf einem gedruckten Entwurf mit 18 Artikeln der Drei Bünde vom 6. November 1523.

Radikaler fiel der zweite Ilanzer Artikelbrief vom 25. Juni 1526 aus, mit dem die Macht des Bischofs in weltlichen Dingen definitiv gebrochen und Forderungen der Landbevölkerung erfüllt wurden. So verloren alle Geistlichen das Recht, weltliche Beamte zu ernennen. Kirchenrechtlich wurde die Überordnung des Staats über die Kirche und ihre Organe verstärkt. Dazu gehörten das freie Pfarrwahlrecht durch die Gemeinde, die Aufhebung von Jahrzeitstiftungen, die Unterstellung der Klöster unter staatliche Aufsicht, das Verbot der Novizenaufnahme und die Wahl des Bischofs durch das Domkapitel mit Einverständnis des ganzen Gotteshausbunds. Im Rahmen privatrechtlicher Verhältnisse wurde eine Verminderung grundherrlicher Abgaben verfügt (Reduktion des grossen Kornzehnten auf den Fünfzehnten, Abschaffung des Kleinen Zehnts und des sogenannten Vogelmahls, d.h. der Unterstützung des Herrn bei der Jagd, Reduktion des Frondiensts auf einen Tag im Jahr). Alle Zehnten waren nun ablösbar. Die freie Erbleihe wurde als einzige gesetzesmässige Leiheform bestimmt. Die Ilanzer Artikel galten als Landesrecht des Dreibündestaates bis zu dessen Untergang 1798.

Quellen und Literatur

  • P. Liver, «Die Ilanzer Artikel», in Vom Feudalismus zur Demokratie in den graubündner. Hinterrheintälern, 1929, 99-107
  • G. Möncke, «Ilanzer und Sarganser Artikel in einer Flugschrift aus dem Jahre 1523», in Zs.f. Kirchengesch. 100, 1989, 370-388
  • I. Saulle Hippenmeyer, Nachbarschaft, Pfarrei und Gem. in Graubünden, 1400-1600, 1997
Weblinks
Weitere Links
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Ilanzer Artikel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.01.2008. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/017173/2008-01-22/, konsultiert am 19.03.2024.