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JörgJenatsch

Jörg Jenatsch, "Der ehemalige Oberst im Dienst der Serenissima [Republik Venedig], dann des Allerchristlichsten Königs [König von Frankreich] 1636 in seinem 40. Lebensjahr". Ölkopie auf Leinwand, gemalt 1935 von Paul Martig, bevor die Leihgeber das anonyme Original, das sich als Leihgabe im Rätischen Museum befunden hatte, wieder an sich nahmen (Rätisches Museum, Chur).
Jörg Jenatsch, "Der ehemalige Oberst im Dienst der Serenissima [Republik Venedig], dann des Allerchristlichsten Königs [König von Frankreich] 1636 in seinem 40. Lebensjahr". Ölkopie auf Leinwand, gemalt 1935 von Paul Martig, bevor die Leihgeber das anonyme Original, das sich als Leihgabe im Rätischen Museum befunden hatte, wieder an sich nahmen (Rätisches Museum, Chur).

1596 Lohn (GR) oder im Oberengadin, 24./25.1.1639 Chur, reformiert, ab 1635 katholisch, von Samedan. Sohn des Israel, Pfarrers und Notars, und der Ursina Balsamin. 1) um 1619 Katharina Buol, 2) 1627 Anna Buol. Jörg Jenatsch verlebte seine Jugend in Silvaplana, 1612-1616 Theologiestudium in Zürich, 1616-1617 in Basel. 1617 Aufnahme in die Bündner Synode. 1617-1618 war er Pfarrer in Scharans, 1618-1620 in Berbenno (Veltlin), das an der konfessionellen Grenze lag. 1618 gehörte Jenatsch zu den Promotoren des gegen die spanische Partei gerichteten Strafgerichts von Thusis. 1620 entkam er mit seiner Familie nur knapp dem gegen die reformierten Bündner gerichteten Veltliner Aufstand. Danach vertauschte er die Bibel mit dem Schwert, wurde Gefolgsmann der von den Salis dominierten venezianischen Partei und nahm in deren Auftrag an Mordzügen gegen Pompejus von Planta und andere spanisch Gesinnte teil. 1622 stand er als Hauptmann unter Mansfeld in deutschen Diensten; in venezianischen Diensten stieg er danach zum Obersten auf. In französischem Sold nahm er 1624 und 1635 an der Rückeroberung des Veltlins teil. Da Frankreich aber nicht bereit schien, den Bündnern die Untertanenlande zurückzugeben, und zudem mit den Soldzahlungen im Rückstand war, beteiligte er sich – obwohl er ein enger Vertrauter des Herzogs Henri de Rohan war – an geheimen Verhandlungen mit Habsburg. Ohne seine Familie konvertierte er 1635 zum Katholizismus. 1637 befehligte er den Aufstand, der zur Vertreibung der Franzosen aus dem Veltlin und aus Bünden führte. 1639 wurde Jenatsch in einer Fasnachtsnacht in einem Churer Gasthaus unter bis heute nicht restlos geklärten Umständen umgebracht und noch gleichentags in der Kathedrale beigesetzt. Da die Eruierung der Täterschaft und vorab ihrer Hintermänner nicht im Interesse der Mächtigen lag, wurde die Untersuchung des Verbrechens nur sehr oberflächlich geführt.

Während sich die Geschichtsschreibung des 17. bis 19. Jahrhunderts vorwiegend kritisch mit Jenatsch auseinandersetzte, ihn auch kaum über die anderen Protagonisten der Zeit erhob, wurde er mit Conrad Ferdinand Meyers Roman «Jürg Jenatsch» zu einer heroischen Figur und Allegorie des bündnerischen Freiheits- und Unabhängigkeitsstrebens. Am Anfang des 20. Jahrhunderts wurde Jenatsch immer mehr zum neuen Bündner Nationalhelden. Seit den 1960er Jahren setzt sich die Geschichtswissenschaft wieder kritischer mit ihm auseinander. Sie charakterisiert ihn als in seinem Denken und Handeln zeittypische barocke Gestalt, als einen von Ehrgeiz und Leidenschaft getriebenen Emporkömmling, der – zumeist opportunistisch handelnd – vor nichts zurückschreckte. Ein Ausdruck davon ist auch der 1987 entstandene Film «Jenatsch» von Daniel Schmid.

Quellen und Literatur

  • Briefe 1614-1639, hg. von A. Pfister, 1983
  • E. Haffter, Georg Jenatsch, 1894
  • A. Pfister, Jörg Jenatsch, 1938 (41984)
  • HbGR 2, 122 f.
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Zitiervorschlag

Silvio Färber: "Jenatsch, Jörg", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.10.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016858/2013-10-16/, konsultiert am 29.03.2024.