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Bremgarten (AG)

Politische Gemeinde des Kantons Aargau, Hauptort des gleichnamigen Bezirks. 2014 wurde Hermetschwil-Staffeln in die Stadt Bremgarten eingemeindet. Die Oberstadt liegt auf einem erhöhten Geländesporn an der engsten Stelle einer Reussschlinge, die Unterstadt in der tiefer gelegenen Au. Vor 1140 Bremgarten, 1238/1239 Bremegarten. Zu Beginn des 16. Jahrhunderts 900-1000 Einwohner; 1803 756; 1850 1307; 1900 2209; 1950 3469; 1970 4873; 2000 5338.

Auf dem Stadtareal fanden sich bisher keine urgeschichtlichen und frühmittelalterlichen Zeugnisse. Nach 1230 entstand, angelehnt an den 1238/1239 erwähnten Burgturm (heutiges Schlössli?) und im Bereich einer Namen gebenden bäuerlichen Siedlung, die Stadt Bremgarten. Die Reussbrücke, der wohl ein Fahr vorausging, entstand wahrscheinlich zur Zeit der Stadtgründung. Den Eindruck einer planmässigen Gründung erweckt die Anlage der vermutlich älteren Oberstadt mit der zum Reussübergang führenden Marktgasse. In der um die Mitte des 13. Jahrhunderts entstandenen Unterstadt lag der Kirchhof mit den meisten geistlichen Institutionen der Stadt; der Nordteil ist bis bis heute nur offen überbaut geblieben. Erst vom späten 19. Jahrhundert an entstanden ausserhalb des habsburgischen Mauerrings lockere Vorstadtquartiere. Vermutlich auf Betreiben der Einwohner erhielt Bremgarten von Graf Rudolf IV. von Habsburg, dem späteren König, 1258 (?) ein ausführliches Stadtrecht nach dem Vorbild des zähringischen Stadtrechts für Freiburg im Breisgau. Bis 1415 übte Habsburg-Österreich die Stadtherrschaft aus. So kämpften Einwohner Bremgartens 1315 am Morgarten und 1386 bei Sempach auf habsburgischer Seite. 1243 ist erstmals ein Schultheiss erwähnt, Burkart von Barro, ein habsburgischer Dienstmann. 1287 ging der Brückenzoll, zuvor ein habsburgisches Pfand der Barro, an die Stadt über. In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erliessen Schultheiss und Rat eine auf überkommenen Rechten beruhende Stadtordnung; Rat und Markt von Bremgarten sind in dieser Zeit erstmals konkret fassbar. 1379 erhielt Bremgarten die Exemtion von fremden Gerichten, 1381 die Einkünfte aus den Kaufhäusern und öffentlichen Fleischbänken. Vom späten 14. Jahrhundert an schuf sich die Stadt eine eigene Gerichtsherrschaft, die durch Kauf und Auslösung von Pfandschaften zielstrebig erweitert wurde und schliesslich die Niedergerichte folgender Dörfer umfasste: Berikon (1374), Unter- und Oberlunkhofen, Jonen, Arni (1410), Oberwil (1429), Rudolfstetten (1438), Huserhof (1482), Lieli (1522) und teilweise Werd (nach 1400). Es wurden zwei Gerichtsbezirke geschaffen: das Kelleramt (Ober- und Unterlunkhofen, Arni, Islisberg, Jonen, Werd und Huserhof) und das Niederamt (die übrigen Dörfer). Jedem Amt stand ein jährlich wechselnder Obervogt vor: im Kelleramt meist der stillstehende Schultheiss, im Niederamt ein Ratsmitglied.

1415 kapitulierte Bremgarten nach viertägiger Belagerung vor den Eidgenossen, nachdem es zuvor formell Reichsstadt geworden war. Die Hochgerichtsbarkeit im Kelleramt fiel an Zürich, diejenige im Niederamt an die gemeine Herrschaft Baden. Innerhalb des städtischen Friedkreises lag der Blutbann gemäss der kaiserlichen Stadtrechtsbestätigung von 1434 bei der Stadt selbst. Um gerichtliche Zuständigkeiten stritt Bremgarten jahrhundertelang, besonders mit der ab 1415 verbündeten Stadt Zürich, konnte aber seine vor der Eroberung erworbenen Rechte wahren, so die freie Schultheissenwahl, die Besetzung der städtischen Ämter (Eidbuch von 1557), die finanzielle und wirtschaftliche Selbstverwaltung, die Gerichtsbarkeiten im Stadtbann und die erkauften Vogteirechte. Bremgarten gehörte nicht zur gemeinen Herrschaft der Freien Ämter, obwohl deren Landschreiber 1562-1798 ihren Wohnsitz in der Stadt hatten. Im Alten Zürichkrieg schlug sich Bremgarten auf die zürcherisch-habsburgische Seite. Nach der Ablehnung des eidgenössischen Angebots, sich als selbstständiger Ort der Eidgenossenschaft anzuschliessen, wurde Bremgarten 1443 belagert und eingenommen. 1450 bestätigten die acht Orte der Stadt im Wesentlichen die 1415 festgelegten Rechtsverhältnisse. Die beiden Kappelerkriege endeten für Bremgarten 1531 mit der Besetzung durch Truppen der fünf katholischen Orte, einer Bussenzahlung und dem vorübergehenden Verlust der freien Schultheissenwahl. Im späten 17. und 18. Jahrhundert schloss sich die Bürgerschaft gegenüber Zuzügern vermehrt ab. Die politischen Geschäfte oblagen zwei sich zuerst halbjährlich, dann jährlich ablösenden Schultheissen, einem Kleinen Rat und einem Rat der Vierzig. Nach dem Zweiten Villmergerkrieg kam Bremgarten 1712 zusammen mit dem unteren Freiamt und der Grafschaft Baden unter die gemeinsame Herrschaft von Bern, Zürich und Glarus. 1798 wurde Bremgarten Bezirkshauptort im helvetischen Kanton Baden und behielt diese Funktion auch im 1803 gegründeten Kanton Aargau. Zwischen den beiden Schlachten von Zürich lag 1799 General Massénas Hauptquartier in Bremgarten.

Der Brand von 1382. Zeichnung aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 376; e-codices).
Der Brand von 1382. Zeichnung aus der Schweizer Chronik von Christoph Silberysen, 1576 (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 1, S. 376; e-codices).

Schon die vorstädtische Siedlung Bremgarten besass im 11. Jahrhundert am Standort der heutigen Stadtkirche eine archäologisch nachgewiesene rechteckige Saalkirche mit Begräbnisplatz und Taufbecken. 1252 ist ein Leutpriester erwähnt, 1300 das Patrozinium Maria Magdalena (seit 1532 Nikolaus und Maria Magdalena) bezeugt. Der Kirchensatz gelangte 1420 von Habsburg-Österreich an das städtische Spital und somit an die Stadt, die später auch die Kirchenpatronate von Zufikon und Oberwil (AG) erwarb. Jedenfalls vor 1300 wurde die ursprüngliche Kirche erweitert, 1343 erneuert und vergrössert und nach dem Stadtbrand von 1382 mit dem bestehenden Chor versehen. Der Kapellentrakt wurde im 15. Jahrhundert zum nördlichen Seitenschiff umgestaltet. Die ganze Anlage wurde im 17. Jahrhundert barockisiert, nach dem Brand von 1984 vollständig restauriert. Wandmalereien aus dem 15. Jahrhundert sind teilweise erhalten. Neben der Kirche wurden auf dem Kirchhof im frühen 15. Jahrhundert die heutige St. Annakapelle (bestehender Bau von 1645-1646) und die Muttergotteskapelle (bestehender Bau von 1608) errichtet. 1529 führte Bremgarten unter Heinrich Bullinger dem Älteren die Reformation ein, kehrte aber nach dem Zweiten Kappelerkrieg zum alten Glauben zurück. Die Überführung von Reliquien des heiligen Synesius begründete 1653 eine bis heute lebendige Wallfahrtstradition. Von den ursprünglich zwölf Pfründen der Leutpriesterei gingen vier 1794 zugunsten der Schule, vier 1824 zugunsten der Sekundarschule ein. Das Dekanat Bremgarten besteht spätestens seit dem 14. Jahrhundert. Im Spätmittelalter umfasste es 29, gegenwärtig noch 12 Pfarreien. 1845 wurde die Protestantische Genossenschaft gegründet; erste reformierte Gottesdienste fanden im ehemaligen Zeughaus statt. Seit 1874 besteht eine reformierte Kirchgemeinde, die 1900 eine eigene Kirche erhielt. Jüdische Einwohner sind erstmals im 14. Jahrhundert nachgewiesen. Die im 19. Jahrhundert gegründete jüdische Religionsgemeinschaft – mit eigenem Betlokal, regelmässigem Gottesdienst, Religionsunterricht und eigenen sozialen Einrichtungen – besteht heute nicht mehr.

Das Frauenkloster St. Klara in der Unterstadt ging aus einem Beginenhaus hervor. Ab 1406 lebten die Frauen als regulierte Franziskaner-Terziarinnen. Ihr Kloster unterstand der Aufsicht des Guardians in Luzern und der Verwaltung eines vom Rat bestellten Pflegers. 1650 zählte es 26 Schwestern. Seine wirtschaftliche Basis blieb stets schmal. 1798 wurde es von der Helvetischen Regierung säkularisiert. Die 1625 erbaute Klosterkirche wurde im 19. Jahrhundert für den Schulgottesdienst benutzt, 1964-1967 renoviert. Die Klostergebäude dienten 1806-1895 als Schulgebäude, später als Armenhaus und Fabrik. Heute beherbergen sie, 1969 renoviert, ein Zentrum der beiden Kirchgemeinden. Das Kapuzinerkloster am südlichen Ende der Reussbrücke entstand 1617 auf Ersuchen des Rats. Der Wohlstand zur Zeit des Dreissigjährigen Kriegs erlaubte es der Stadt, für seinen Bau und Unterhalt aufzukommen; 1621 wurde die Klosterkirche zu Ehren des Heiligen Kreuzes geweiht (Renovation 1965-1966). Der Konvent umfasste durchschnittlich zehn Patres und vier Brüder. 1673 wurde ein Wollwerk mit Walke angegliedert, das für die schweizerische Kapuzinerprovinz die nötigen Tuche lieferte. Haupttätigkeit der Patres war die Seelsorge in Bremgarten und in den Freien Ämtern. 1760-1761 entstand am alten Standort ein neues Konventgebäude. 1841 wurde das Kloster durch Beschluss des aargauischen Grossen Rats aufgehoben. In den Klosteranlagen wurden Notwohnungen eingerichtet. Seit 1889 beherbergen sie, weitgehend erneuert, das St. Josefsheim, Sonderschule und Heim zur Förderung geistig behinderter Kinder, dem seit 1974 eine Heimerzieherschule angegliedert ist. Überliefert sind bereits im 13. Jahrhundert eine Lateinschule, vor 1600 eine Deutsche Schule.

Die kleinstädtische Wirtschaft war bis ins 19. Jahrhundert weitgehend auf Selbstversorgung ausgerichtet. Die Handwerker und Händler der Stadt hielten Vieh, besassen Rebberge und nutzten ihre Allmendrechte. Der umfangreiche Waldbestand (420 ha, heute im Besitz der wohlhabenden Ortsbürgergemeinde) war und ist für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt von grosser Bedeutung. Der in der Stadtordnung des 14. Jahrhunderts geregelte Wochenmarkt diente dem ganzen oberen aargauischen Reusstal und ermöglichte den Aufschwung im späteren 15. und im 16. Jahrhundert. Die Entwicklung des Jahrmarkts war bestimmt durch zwei Achsen: den Nord-Süd-Verkehr auf der Reuss und den Ost-West-Verkehr über den Mutschellen und die Reussbrücke, die einzige zwischen Luzern und Mellingen. Luzern, Mellingen und Bremgarten vereinbarten im 14. Jahrhundert Zollfreiheit. 1415 schloss sich Bremgarten dem Zürcher Münzkreis an. Die städtische Wirtschaft war vom Handwerk geprägt. Kein Berufszweig vermochte eine wirtschaftlich oder politisch führende Stellung zu erlangen, da der regionale Warenverkehr zu gering, die Konkurrenz Zürichs zu bedeutend war. Bereits im 15. Jahrhundert bildeten sich Handwerker-Bruderschaften, die berufsständischen wie auch religiösen und geselligen Bedürfnissen dienten (1609 Freiheitsbrief der Michaelsbruderschaft). Vom ausgehenden Spätmittelalter an sind Gewerbeordnungen (u.a. Metzger, Pfister, Wirte, Müller) überliefert, welche die Ausbildung und Zulassung der Meister, die Wanderjahre der Gesellen sowie den Preis und die Qualität der Waren regelten. Die Regelungsdichte nahm immer mehr zu: Die Beschränkung des Zwischenhandels, Vorkaufsrechte der Bürger und der Marktzwang für Fisch und landwirtschaftliche Produkte sollten die Versorgung der Stadtbewohner sichern, Konkurrenz fernhalten und die Einkünfte der Stadt gewährleisten.

Plakat von Plinio Colombi, 1911 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat von Plinio Colombi, 1911 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Änderungen traten mit der Helvetik und dem strukturellen Wandel der Wirtschaft im 19. Jahrhundert ein. Die Industrialisierung setzte allerdings erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein und verlief langsam. Hemmend wirkten sich vor allem die ungünstigen Verkehrsverhältnisse aus. Schon früh hatte Bremgarten auf die Verbesserung seiner Verbindungen gedrängt und sich bereits 1436 zum Bau und Unterhalt der Strasse nach Rudolfstetten verpflichtet. Erst 1837-1842 wurde die heutige Mutschellenstrasse erstellt, 1867-1869 die Anschlussstrecke nach Wohlen. In den 1830er und 1840er Jahren wurden die Brücke und die innerstädtischen Durchgangsstrasse dem Verkehr angepasst; der Umgestaltung fielen das Spital, ein Teil der Ringmauer und mehrere Häuser zum Opfer. Das schweizerische Bahnnetz umging Bremgarten vorerst. Den mit erheblichen Mitteln erkauften Anschluss an die Südbahn brachte 1876 die Normalspurlinie Bremgarten-West nach Wohlen. 1902 wurde die wichtigere Linie nach Zürich durch die Schmalspurbahn Bremgarten-Obertor-Dietikon geschaffen. Erst ab 1912 verband die Eisenbahnbrücke über die Reuss die beiden Teilstrecken. Die neuen Industriebetriebe hatten gewerbliche Vorgänger: Die Bruggmühle wandelte sich zur Baumwollspinnerei und 1895 zum Elektrizitätswerk; aus der Papier- und Getreidemühle wurde eine Kartonfabrik. 1887 entstand in der Au eine Seidenweberei. Die Kiesbänke der Reuss förderten das Baugewerbe. 1892 erhielt Bremgarten eine elektrische Strassenbeleuchtung. Im 20. Jahrhundert entstanden Betriebe der Holz-, Papier- und Textilindustrie sowie der Fotobranche. Grösster Arbeitgeber Bremgartens wurde die Georg Utz AG (Kunststoffspritzguss, Werkzeugbau). Seit 1835 wird eine Bezirksschule geführt. 1958 wurde Bremgarten Waffenplatz für Genietruppen (Kaserne 1968). 1990 waren knapp 1% der in Bremgarten Erwerbstätigen im 1. Sektor, 41% im 2. und 58% im 3. Sektor beschäftigt. Bremgarten wies 1990 auch eine aktive Pendlerbilanz aus (59% Zu-, 54% Wegpendler); die Wegpendler arbeiteten vor allem im Raum Zürich. Die 1994 eröffnete grossräumige Umfahrung entlastet die Altstadt (Objekt von nationaler Bedeutung) wesentlich vom Verkehr.

Luftaufnahme der Stadt in der Reussschlinge vom 6. Mai 1939 (Bundesamt für Landestopografie).
Luftaufnahme der Stadt in der Reussschlinge vom 6. Mai 1939 (Bundesamt für Landestopografie).

Quellen und Literatur

  • SSRQ AG I/4
  • E. Bürgisser, «Gesch. der Stadt Bremgarten im MA», in Argovia 49, 1938, 1-188
  • Bremgarter Njbl., 1959-
  • Kdm AG 4, 1967, 9-177
  • HS V/1, 609-674; V/2, 212-225
  • C. Doswald, P. Frey, «Die Ausgrabungen in der Stadtkirche Bremgarten», in Bremgarter Njbl., 1986, 27-60
  • W. Benz, Bremgarter Chronik, 1998
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anton Wohler: "Bremgarten (AG)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.09.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001662/2016-09-12/, konsultiert am 28.03.2024.