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Verbände

Verbände sind freiwillige, auf Dauer angelegte Zusammenschlüsse von Personen, Unternehmen, Vereinen oder öffentlichen Körperschaften. Sie vertreten in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen wie Wirtschaft, Soziales, Freizeit, Kultur, Politik und Religion die Interessen ihrer Mitglieder, weshalb sie auch Interessengruppen oder Interessenorganisationen genannt werden. Sie versuchen, Bedürfnisse ihrer Mitgliedschaft zu integrieren und die geeignete Form für deren Befriedigung zu finden. Einerseits müssen sie deshalb in ihrer Domäne einen möglichst hohen Organisationsgrad anstreben, wozu sie auch selektive Anreize (Beratung, Rechtsvertretung, Versicherung, Weiterbildung, Geselligkeit, gegenseitige Hilfe usw.) anbieten. Andererseits machen sie es sich zur Aufgabe, ihre Anliegen in politischen Entscheidungsprozessen durchzusetzen oder diese autonom (zum Beispiel FMH-Titel bei Ärzten) oder mit Konkurrenten bzw. Partnern zu regeln; so schliessen zum Beispiel Gewerkschaften und Unternehmerverbände Gesamtarbeitsverträge ab. Nicht selten übernehmen die Verbände parastaatliche Funktionen. Im günstigsten Falle gelingt es ihnen, ihre speziellen Anliegen als im allgemeinen Interesse stehende zu vermitteln.

Die Abgrenzung von anderen Organisationen bleibt unscharf. Trotz ihrer politischen Funktion nehmen Verbände äusserst selten direkt an Wahlen teil; den wichtigsten verhelfen aber nahe stehende Parteien zu Parlamentsmandaten. Ihre Aktivitäten bauen sie auf Ressourcen wie Finanzkraft, Mitgliederzahl, Funktionärsstab, Organisationsgrad, Informationsvorsprung, Mobilisationskapazität, Öffentlichkeitsarbeit oder Positionen in Entscheidungsprozessen. Dabei verfügen viele Verbände in den meisten Bereichen über eine weit bessere Ausstattung und über eine grössere Homogenität als politische Parteien.

Das Verbandssystem

Die Gliederung des schweizerischen Verbandswesens erfolgt nach zwei oder gar drei Kriterien: Nach Fachgruppen (Schweizerischer Baumeisterverband, Verein Schweizerischer Maschinenindustrieller, Textilverband Schweiz usw.), nach Gebietszugehörigkeit (Kantonalverbände, städtische Verbände, sprachregionale Verbände) und gelegentlich auch nach Weltanschauung (zum Beispiel Schweizerischer Gewerkschaftsbund und Christlichnationaler Gewerkschaftsbund der Schweiz, CNG). Manche Verbände fallen in politischen Entscheidungsprozessen kaum auf, prägen aber dennoch den Alltag stark, wie zum Beispiel der Schweizerische Fussballverband im Freizeitbereich oder der Schweizerische Elektrotechnische Verein mit seinen Normen für elektrische Geräte. Die Schweiz verfügt über ein umfangreiches und differenziertes Verbandssystem; 1979 erfasste das Biga über 1100 Wirtschafts- und Berufsverbände, wozu eine unbekannte Zahl aus anderen Domänen zu addieren wäre. Zuoberst stehen die vier einflussreichen Spitzenverbände, der Schweizerische Handels- und Industrieverein (SHIV) bzw. seit 2000 der neue Dachverband economiesuisse, der Schweizerische Gewerbeverband (SGV), der Schweizerische Bauernverband (SBV) und der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB), zuunterst die überaus vielen Verbände mit hoch spezialisierten Domänen wie der Schweizerische Hufnägel- und Stollen-Verband, die Vereinigung Schweizerischer Verbandssekretäre oder der Verband von Lieferanten versilberter Bestecke. Infolge der scharfen Abgrenzung, welche diese Differenzierung ermöglicht, entfallen Überschneidungen weitgehend, was wiederum die innere Integration erleichtert. Das schweizerische Verbandssystem gilt als Mischform zwischen pluralistischem (Vielfalt, freiwillige Mitgliedschaft) und korporatistischem Typ (funktional und strukturell genau abgegrenzte Domänen, relativ weit entwickelte vertikale Integration in Spitzenverbände, institutioneller Einbezug in Politikformulierung und Politikvollzug).

Einige Verbände bezeichnen sich als Verein (SHIV) oder Vereinigung (zum Beispiel Schweizerische Bankiervereinigung, SBVg), andere als Bund (zum Beispiel SGB, CNG), Verbindung (zum Beispiel Verbindung der Schweizer Ärzte, FMH), Club (zum Beispiel Touring Club der Schweiz, TCS), Gesellschaft (zum Beispiel Schweizerische Gesellschaft für Chemische Industrie), Konkordat (zum Beispiel Konkordat der schweizerischen Krankenkassen), Union (zum Beispiel Union Helvetia), Stiftung (zum Beispiel Stiftung WWF) oder Genossenschaft (zum Beispiel Schweizerische Genossenschaft für Getreide und Futtermittel). Trotz dieser Vielfalt der Bezeichnungen wählten die meisten Verbände die rechtliche Form des Vereins.

Vorformen

Kleines Plakat für das Fest des Schweizerischen Arbeitersängerverbands in Genf, 1910 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
Kleines Plakat für das Fest des Schweizerischen Arbeitersängerverbands in Genf, 1910 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Wirtschaftliche Interessenorganisationen entstanden schon vor der Industrialisierung. Die Zünfte mit ihrer Zwangsmitgliedschaft als wichtigste überlebten die Helvetik nur geschwächt. Das neue, individualistisch ausgerichtete bürgerliche Gesellschaftsmodell hielt, zumindest in der Theorie, wirtschafts- und sozialpolitische Zusammenschlüsse für schädlich. Konservative wie liberale Regimes erliessen in mehreren Kantonen vor 1848 unterschiedlich weit gehende Koalitionsverbote. Trotzdem entstanden auf freiwilliger Basis Vereine wie 1810 die Schweizerische Gemeinnützige Gesellschaft, 1824 der Eidgenössische Schützenverein oder 1832 der Eidgenössische Turnverein, die mit ihrem expliziten oder impliziten Anspruch auf Teilnahme an der Politikformulierung Merkmale moderner Verbände aufwiesen. Auf lokaler und kantonaler Ebene entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den Gewerkschaften und den Gewerbevereinen Organisationen, die neben der Pflege der Geselligkeit auch Interessenvertretung nach aussen betrieben.

Gründung der Spitzenverbände

Das eigentliche Zeitalter der Verbände begann im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts, als sich die wirtschaftliche Verflechtung stark verdichtete. Die bundesstaatliche Intervention erfasste jetzt einerseits zunehmend mehr Bereiche (Zolltarife, Sozialgesetzgebung, Subventionen, Eisenbahnverstaatlichung), andererseits erforderte die institutionelle Schwäche des Zentralstaats in vielen anderen Tätigkeitsfeldern die Selbstregulierung. Als erster moderner Verband auf nationaler Ebene entstand 1870 der SHIV, zu dem sich 21 Unternehmerorganisationen zusammenschlossen. Weil Reisen relativ aufwendig war, setzte sich dessen Leitung nicht aus Delegierten aus dem ganzen Lande zusammen, sondern nur aus solchen einer Sektion, dem sogenannten Vorort (1870-1872 Bern, 1872-1874 Zürich usw.). Ein solches Vorort-System kannten bis weit ins 20. Jahrhundert zahlreiche Verbände. Bereits 1878 beschäftigte der SHIV einen festen Sekretär, für den er ab 1883 Subventionen erhielt. Als Gegenleistung hatte er den Bund mit Statistiken und Expertisen zu beliefern. Auch dieses Modell bürgerte sich für weitere Verbände ein. Eine erste Dachorganisation des Gewerbes hielt sich nur 1849-1864; erst 1879 gelang die Gründung des SGV, der heute noch besteht. Er konnte ebenfalls dank Bundessubventionen 1886 ein ständiges Sekretariat einrichten. Dank seinen Aktivitäten in der Berufsbildung gelang es ihm, immer mehr Berufsverbände einzugliedern. Für den 1897 erfolgten Zusammenschluss bäuerlicher Interessenvertretungen zum SBV spielte der Wunsch nach einem subventionierten Bauernsekretariat sogar die entscheidende Rolle. Zu erheblichen Schwierigkeiten kam es auf Seiten der Arbeiterschaft, da sich der als Träger des subventionierten Arbeitersekretariats geschaffene Schweizerische Arbeiterbund trotz Anfangserfolgen nicht bewährte. Erst nach dem Landesstreik von 1918 setzte sich auch hier mit dem SGB ein auf eigene Strukturen bauender Spitzenverband durch, dessen Führungsanspruch allerdings von anderen Arbeitnehmerverbänden angefochten wurde.

Maler und Gipser während eines Streiks des Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverbands (SBHV) in Zürich. Fotografie von Emil Acklin, 1924 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich).
Maler und Gipser während eines Streiks des Schweizerischen Bau- und Holzarbeiterverbands (SBHV) in Zürich. Fotografie von Emil Acklin, 1924 (Schweizerisches Sozialarchiv, Zürich).

Die Spitzenverbände verfügten lange vor den Parteien über feste nationale Strukturen und wurden bereits vor deren Gründung in Entscheidungsprozesse einbezogen. Eine wichtige Rolle spielten die subventionierten Sekretariate, welche die schwache Bundesverwaltung für die Politikformulierung dokumentierten. Gelegentlich beteiligten sich in der frühen Phase Bundesräte aktiv an Sitzungen leitender Organe. Die vier wirtschaftlichen Dachorganisationen bildeten im 20. Jahrhundert das Rückgrat des Verbandssystems.

Ausdehnung in alle gesellschaftlichen Bereiche

Neben den Spitzenverbänden entstanden infolge der zunehmenden Differenzierung der Interessen in Wirtschaft und Gesellschaft zahlreiche weitere Organisationen. Noch ins späte 19. Jahrhundert zurück reichen die Wurzeln des TCS und des Automobil Clubs der Schweiz (Automobilverbände), deren Blütezeit allerdings erst in den Autoboom nach Mitte des 20. Jahrhunderts fiel. Aus der Fusion der west- und deutschschweizerischen Ärzteorganisationen ging 1901 die FMH hervor, während sich die drei sprachregionalen Krankenkassenverbände erst 1985 zusammenschlossen. Der Aufschwung der Gewerkschaftsbewegung um die Jahrhundertwende bewog die Unternehmer, spezielle Verbände für industrielle Beziehungen und Sozialpolitik zu schaffen, so 1905 den Arbeitgeberverband Schweizerischer Maschinenindustrieller, 1906 den Verband der Arbeitgeber der Textilindustrie und 1908 den Zentralverband Schweizerischer Arbeitgeber-Organisationen (heute Schweizerischer Arbeitgeberverband). Dem mit fortschreitender Industrialisierung wachsenden Druck auf die Umwelt nahmen sich seit 1905 die Schweizerische Vereinigung für Heimatschutz und seit 1909 der Schweizerische Bund für Naturschutz (heute Pro Natura) an. Die SBVg trat 1912 als letzte der mächtigen Unternehmervertretungen auf den Plan. 1914 erfolgte die Gründung des Schweizerischen Hauseigentümerverbands, während sein Gegenpart, der Schweizerische Mieterverband, erst 1942 ins Leben gerufen wurde. Verschiedene ältere Organisationen erlangten allmählich den Status von Verbänden, so die 1833 gegründete Schweizerische Offiziersgesellschaft, der 1889 entstandene Schweizer Elektrotechnische Verein, der 1903 die parastaatliche Funktion des Starkstrom-Inspektorates übernahm, oder der 1891 gebildete Schweizerische Wirteverband (heute Gastrosuisse). Das Verbandswesen blieb allerdings bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhunderts weitgehend Männersache: Frauenverbände wie der 1900 geschaffene Bund Schweizerischer Frauenvereine wurden jahrzehntelang in die wichtigen Entscheidungsprozesse nicht mit einbezogen.

Wachsende Bedeutung in der Demokratie der Interessen

Der erhöhte Regulierungsbedarf, der sich aus den sozioökonomischen Problemen während des Ersten Weltkriegs ergab, stärkte die Rolle der Verbände; vor allem dem SGB und dem SBV gelang es, ihren Rückstand auf den etablierten SHIV zu verringern. Nach dem Landesstreik 1918 bürgerten sich tripartite Verhandlungen ein, in denen sich Unternehmerverbände, Gewerkschaften und Staat zunächst zu begrenzten Problemen absprachen. Die Verbände nahmen in den Expertenkommissionen Einsitz, welche die Politik in verschiedenen Bereichen formulierten; insbesondere die grossen dehnten ihre Zuständigkeitsbereiche laufend aus. Andererseits stiess die Integration divergierender Interessen einer stark gewachsenen Mitgliedschaft zunehmend auf Schwierigkeiten. Die Verbände reagierten auf diese neuen Herausforderungen mit Zentralisierung ihrer Entscheidungsstrukturen sowie Professionalisierung und Bürokratisierung ihres Apparats.

Delegiertenversammlung des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) im Berner Kursaal, November 1979 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).
Delegiertenversammlung des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) im Berner Kursaal, November 1979 (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualités suisses Lausanne).

Während der Weltwirtschaftskrise nahm der Einfluss der Verbände weiter zu. Der SGV erreichte zum Beispiel 1933 ein Verbot der Eröffnung neuer Warenhäuser zugunsten der Detaillisten; in der Uhrenindustrie setzten die einst freihändlerischen Unternehmerverbände eine kartellartige Organisation durch. Um die Anliegen ihrer Basis gegenüber denjenigen konkurrierender Interessenvertretungen möglichst zu verteidigen, gingen die Verbände, in erster Linie die binnenwirtschaftlich orientierten, Absprachen auf regionaler Ebene ein, wobei sie mitunter die traditionellen Fronten überwanden: So forderten etwa Gewerbeverbände und Gewerkschaften gemeinsam Programme zur Arbeitsbeschaffung. Auch in der Bundespolitik liess sich ohne Mitwirkung der Verbände nur mehr wenig bewegen, was den Bundesrat veranlasste, von 1931 an mehrmals die Spitzenverbände zu Konferenzen einzuladen, auf denen umfassende Absprachen getroffen wurden. Der in gemässigten und totalitären Ausprägungen von christlichen bis zu rechtsextremen Kreisen propagierte Korporativismus fand unter diesen Umständen weit über seine eigentlichen Vorkämpfer hinaus Anklang.

Die Organisation der Kriegswirtschaft im Zweiten Weltkrieg bezog die Verbände systematisch ein und stärkte damit deren Stellung noch einmal. So wurde der Aufbau der Erwerbsersatzordnung und später der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) zu einem wesentlichen Teil auf sie abgestützt (Verbands-Ausgleichskassen). Die Wirtschaftsartikel von 1947 trugen der veränderten Lage Rechnung, indem sie festschrieben, dass die zuständigen Organisationen der Wirtschaft vor Erlass der Ausführungsgesetze anzuhören seien und beim Vollzug der Ausführungsvorschriften zur Mitwirkung herangezogen werden können.

Die Blütezeit der Verbände

Die verfassungsmässig anerkannten Verbände erlebten in den 1950er und 1960er Jahren ihre Blütezeit. Im Gesetzgebungsprozess gewann die vorparlamentarische Phase, das wichtigste politische Interventionsfeld der Verbände, erheblich an Bedeutung. In den Expertenkommissionen handelten Verbandsfunktionäre ihre Kompromisse aus, beispielhaft etwa in den Kommissionen zur AHV. Ihre Positionen bekräftigten sie im Vernehmlassungsverfahren nicht zuletzt zuhanden der eigenen Basis. Nicht selten dominierten Verbandsfunktionäre, die in verschiedenen Fraktionen sassen, auch die Behandlung der wichtigsten Geschäfte im Parlament. Referendumsdrohungen der einflussreichen Verbände hatten wegen deren überlegenen Ressourcen deutlich mehr Gewicht als solche von Parteien. Schliesslich sicherten sich Verbände auch beim Gesetzesvollzug oft eine wichtige Rolle. Erfolgreiche Absprachen der Verbände hatten zur Folge, dass die mächtigsten lange nie zum Referendum greifen mussten. Der strukturelle Einfluss der Verbände auf die Politik wurde als "Milizverwaltung des Bunds", "intermediärer Sektor" oder "parastaatliche Verwaltung" analysiert. Anders als etwa in Österreich oder Schweden fehlte allerdings die Einrichtung fester tripartiter Instanzen zur Definition der makroökonomischen Leitlinien; vielmehr beschränkte man sich auf sektorielle Arrangements. Zudem blieben Gewerkschaften stets Juniorpartner, und Aussenseiter konnten gelegentlich erzielte Kompromisse mit Referenden kippen. Politologen sprechen deshalb nur von neokorporatistischen Zügen, nicht von einem neokorporatistischen System. Nicht selten bemühten sich die Verbände, staatliche Regelungen zu vermeiden, was etwa in den 1950er Jahren die gemeinsame Kampagne von Unternehmerverbänden und Gewerkschaften gegen die Initiative des Landesrings zur Arbeitszeitverkürzung illustriert.

Zunehmende Integrationsprobleme

Von den 1960er Jahren an wurde vermehrt Kritik an den Verbänden laut. In der Politologie wurde diese vor allem von den modernen Pluralismustheoretikern geäussert, welche die "Versäulung" der pluralen Interessen infolge des Übergewichts der grossen ökonomischen Organisationen beklagten. Kartelle stiessen auf wachsende Skepsis, die ihren Niederschlag im Kartellgesetz von 1962 fand. In der Praxis gelang es den Verbänden zunehmend schlechter, divergierende Interessen zu integrieren. Neue soziale Bewegungen stellten ihre Rolle in verschiedenen Bereichen in Frage, vor allem in der Umweltpolitik. Zum Teil bildeten die Kritiker eigene Verbände wie die Ableger der internationalen Organisationen WWF und Greenpeace oder den 1979 gegründeten Verkehrsclub der Schweiz. Die drei alten Spitzenverbände SBV, SGV und SGB verloren wegen der wachsenden Internationalisierung der Wirtschaft viel von ihrem einstigen Gewicht. In den 1990er Jahren versuchten viele Verbände sich durch Umstrukturierung den veränderten Verhältnissen anzupassen. So verminderten die Gewerkschaften durch zahlreiche Fusionen ihre Zersplitterung, leisten sich aber mit SGB, CNG und der Vereinigung Schweizerischer Angestelltenverbände bis 2002 noch immer den Luxus von drei Dachorganisationen, die sich bezüglich der Weltanschauung bzw. des Status ihrer Mitglieder voneinander unterschieden. Der Versuch, die drei funktional getrennten Dachverbände der Unternehmer, SHIV, Wirtschaftsförderung und Schweizerischer Arbeitgeberverband zu vereinigen, führte zu einem Teilerfolg, indem sich die beiden Ersteren 2000 zum Verband economiesuisse zusammenschlossen. Die grössten Unternehmen sind allerdings nur noch bedingt auf Verbände angewiesen, da sie selbst über genügend Ressourcen verfügen. Andererseits schliessen sich zahlreiche schweizerische Verbände trotz dem Abseitsstehen des Staats den für ihre Domäne zuständigen Dachorganisationen in der EU an.

Quellen und Literatur

  • E. Gruner, Die Wirtschaftsverbände in der Demokratie, 1956
  • J. Meynaud, Les organisations professionnelles en Suisse, 1963
  • K. Meyer, Verbände und Demokratie in der Schweiz, 1968
  • L. Neidhart, Plebiszit und pluralitäre Demokratie, 1970
  • P.J. Katzenstein, Corporatism and Change, 1984
  • B. Hauser, Wirtschaftsverbände im frühen schweiz. Bundesstaat 1848-1874, 1985
  • Wirtschaftsverbände in der Schweiz, hg. von P. Farago, H. Kriesi, 1986
  • A. Mach, «Associations d'intérêts», in Hb. der Schweizer Politik, hg. von U. Klöti et al., 1999, 299-334
  • B. Degen, «Gesch. der NPO in der Schweiz», in Der dritte Sektor der Schweiz, 2010, 59-97
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernard Degen: "Verbände", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.03.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016417/2016-03-23/, konsultiert am 19.03.2024.