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Scharfrichter

Henker

Hinrichtung des Zürcher Bürgermeisters Hans Waldmann 1489. Kopie von Christoph Silberysen aus dem Jahr 1572, nach einer Illustration aus der Eidgenössischen Chronik von Werner Schodeler (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 3, Fol. 11r; e-codices).
Hinrichtung des Zürcher Bürgermeisters Hans Waldmann 1489. Kopie von Christoph Silberysen aus dem Jahr 1572, nach einer Illustration aus der Eidgenössischen Chronik von Werner Schodeler (Aargauer Kantonsbibliothek, Aarau, MsWettF 16: 3, Fol. 11r; e-codices).

Der S. wurde im MA und in der frühen Neuzeit auch Nachrichter oder Henker genannt. Während bis ins HochMA der Kläger, Richter oder Weibel die Strafe vollzog, wurde ab dem 13. Jh. das Scharfrichteramt durch die Stadtrechte geregelt. Nach und nach wurde die Tötungshandlung von der Klageerhebung und der Strafbestimmung abgekoppelt. Die Vollstreckung, zunächst lediglich die Fortsetzung einer Gerichtshandlung, war dadurch einer zunehmenden Stigmatisierung unterworfen. Damit veränderte sich die soziale Stellung des S.s. Im SpätMA musste der S. weitere unangenehme, mit Tabus behaftete Aufgaben übernehmen, u.a. die Folter, das Wasenmeisteramt (Verwertung oder Beseitigung von Tierkadavern), die Hundefängerei, Sonderbestattungen nach Hinrichtungen oder Suizid, die Kloakenreinigung sowie die Aufsicht über Frauenhäuser. Seine Tätigkeit gehörte zu den Unehrlichen Berufen. Daneben erwarb er sich, z.T. durch seine Arbeit als Folterer, anatom. und heilkundl. Kenntnisse. Im Volksglauben galt der S. als Zauberkundiger, da er Zugang zu begehrten Gegenständen hatte, denen Unheil abwehrende Kräfte zugeschrieben wurden (z.B. Henkerstricke oder Knochen von Übeltätern). Obwohl materiell besser gestellt als Angehörige der Unterschichten, war der S. vom gesellschaftl. und bürgerl. Leben weitgehend ausgeschlossen. Ihm und seinen Nachkommen war die Heirat nur unter seinesgleichen gestattet, was zu eigentl. Scharfrichterdynastien führte. Während den zünftigen Handwerkern gemeinsames Trinken und soziale Kontakte mit dem S. untersagt waren, hatten Letztere ebenfalls einen strengen berufsständ. Ehrenkodex zu befolgen. Bei missglückten Hinrichtungen drohte dem S. eine obrigkeitl. Strafe, schlimmstenfalls wurde er noch auf der Richtstätte von der Zuschauermenge gelyncht (z.B. 1575 in Chur). Mit der schrittweisen Abschaffung der Todesstrafe im 19. und 20. Jh. verschwanden allmählich die Scharfrichterämter. Für die Vollstreckung des zweitletzten zivilen Todesurteils in der Schweiz 1939 meldeten sich 186 Männer freiwillig bei den zuständigen Behörden. Der Psychiater Boris Pritzker befragte rund 115 von ihnen. Die erst 1993 publizierten Gespräche zeugen u.a. von der Langlebigkeit der spätma. und frühneuzeitl. Strafmentalität.

Quellen und Literatur

  • J. Gernhuber, «Strafvollzug und Unehrlichkeit», in ZRG GA 74, 1957, 119-177
  • HRG 2, 75-77
  • J. Manser et al., «Richtstätte und Wasenplatz in Emmenbrücke (16.-19. Jh.)», in Schweizer Beitr. zur Kulturgesch. und Archäologie des MA 18 und 19, 1992, (mit Bibl.)
  • B. Pritzker, Schweizer Scharfrichterkandidaten 1938/1939, hg. von M. Pritzker-Ehrlich, 21999
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Illi: "Scharfrichter", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 01.09.2003. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016389/2003-09-01/, konsultiert am 19.03.2024.