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Olympische Bewegung

Begründer der Olympischen Bewegung der Neuzeit war Baron Pierre de Coubertin, auf dessen Initiative im Juni 1894 in Paris der Congrès international athlétique abgehalten wurde. An dieser Versammlung wurde offiziell das Internationale Olympische Komitee (IOK) gegründet. Die olympischen Spiele, benannt nach den antiken Wettkämpfen von Olympia, fanden erstmals 1896 in Athen als Sommerspiele statt und wurden danach alle vier Jahre durchgeführt. 1924 folgten die ersten Winterspiele. Gemäss olympischer Charta steht die Olympische Bewegung für eine Lebensphilosophie, die körperliche und geistige Fähigkeiten sowie den menschlichen Willen zu einer ausgewogenen Einheit erhebt. Sport verband sich so mit Kultur und Erziehung.

Die Niederlassung des IOK in Lausanne und seine Beziehungen zur Schweiz

Dank de Coubertin und seiner Freundschaft zu Godefroy de Blonay, dem ersten schweizerischen Mitglied des IOK, spielten die Schweiz und vor allem Lausanne für die Geschichte und die Organisation der Olympischen Bewegung von Beginn an eine wichtige Rolle. Nach seinen Aufenthalten in Lausanne organisierte de Coubertin dort im Mai 1913 erstmals eine Sitzung des IOK und einen Olympiakongress in der Schweiz. Nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs verlegte er am 10. April 1915 den Sitz des IOK und dessen Archiv nach Lausanne und somit in ein neutrales Land, das de Coubertins pazifistischen Idealen entsprach. Die ersten Jahre in Lausanne waren durch die Gründung zahlreicher Unterorganisationen und die Entwicklung olympischer Projekte geprägt. 1917 entstanden die Association lausannoise des amis de l'olympisme und das von de Coubertin bis 1919 geleitete Institut olympique de Lausanne, das später mangels Interesse und Mittel in Vergessenheit geriet. 1915-1922 befand sich der Sitz des IOK in Montbenon, danach in Mon-Repos, wo 1925 ein ständiges Sekretariat eingerichtet wurde.

1990 feierte das Internationale Olympische Komitee (IOK) in Lausanne sein 75-jähriges Bestehen. Fotografie von Roland Schlaefli (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualité suisse Lausanne).
1990 feierte das Internationale Olympische Komitee (IOK) in Lausanne sein 75-jähriges Bestehen. Fotografie von Roland Schlaefli (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich, Actualité suisse Lausanne). […]

Nach dem Zweiten Weltkrieg besetzten verschiedene Schweizer Schlüsselpositionen in der Verwaltung des IOK, so 1946-1964 Generalsekretär Otto Mayer, 1985-1989 Verwaltungsratsdelegierter Raymond Gafner, 1989-2003 Generaldirektor François Carrard und seit 2003 Generaldirektor Urs Lacotte. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erweiterten sich die Aufgaben, Strukturen und Ressourcen des IOK. Trotz der politischen Spannungen während des Kalten Kriegs (Boykott der Spiele, Anerkennung Taiwans) unterstützte Lausanne die Olympische Bewegung weiterhin und stellte dem IOK 1968 kostenlos das Schloss Vidy, den heutigen Sitz, zur Verfügung. Unter Präsident Juan Antonio Samaranch wurden die Beziehungen der Schweiz mit dem IOK vertieft, vor allem als der Bundesrat dem IOK 1981 den juristischen Status einer internationalen Nichtregierungsorganisation (Internationale Organisationen) zusprach.

Seit den 1980er Jahren veränderte sich die finanzielle Lage des IOK grundlegend: Die Einnahmen stiegen durch den Verkauf der Übertragungsrechte der Spiele an multinationale Gesellschaften sprunghaft an. Auch die Vermarktung des olympischen Symbols trug dazu bei, wenn auch in geringerem Masse. Allein für die Ausstrahlung der Spiele schloss das IOK mit Fernsehsendern 1984-2008 Verträge im Gesamtwert von 10 Mrd. Dollar ab. Parallel dazu wurden der Personalbestand und die Infrastruktur ausgebaut. Nach der Eröffnung eines neuen Verwaltungsgebäudes in Vidy 1986 stieg die Zahl der Angestellten bis 2006 von 100 auf 300. Die Mitarbeiter verteilen sich auf den Sitz des IOK und das 1993 in Ouchy eingeweihte Musée olympique. Ebenfalls 1993 wurde Lausanne zur olympischen Hauptstadt ernannt.

Das Schweizerische Olympische Comité (SOC)

Ende 19. Jahrhundert wurde die Körpererziehung im Kollektiv fast ausschliesslich von den Schützen- und Turnvereinen (Schützenwesen, Turnbewegung) betrieben und war geprägt von Patriotismus und Disziplin. Gegenüber der Olympischen Bewegung existierten zu Beginn viele Vorbehalte, da die Vorstellung internationaler Wettkämpfe den schweizerischen Sportverbänden noch fremd war. Der Eidgenössische Turnverein (ETV) reagierte nicht auf die Einladung an den Kongress von 1894, und der Turner Louis Zutter trat als einziger Schweizer an den Spielen in Athen 1896 als Privatperson an. Zwar nahmen an den folgenden Spielen immer mehr Schweizer Sportler teil, doch bestand noch keine offizielle Organisation und alle Versuche de Blonays, eine zu gründen, scheiterten. Die Begeisterung für die Spiele in Stockholm begünstigte schliesslich die Gründung des SOC am 7. Oktober 1912 in Lausanne, obwohl die Vorbehalte der Sportverbände und des ETV weiterhin bestanden. Die Rivalität zwischen den Organisationen dauerte bis in die 1930er Jahre an und spiegelte zwei gegensätzliche Sportkonzepte: den patriotischen und volkstümlichen Sport auf der einen, den kosmopolitischen Spitzensport auf der anderen Seite.

Francis-Marius Messerli, Vertrauter von de Coubertin und Historiograf der Olympischen Bewegung sowie 1912-1937 Generalsekretär des SOC, gehörte neben de Blonay zu den wichtigsten Personen des SOC. Seit dessen Gründung bezweckte es die Verbreitung des olympischen Gedankens, die nationale und internationale Vertretung der schweizerischen Sportinteressen, die Förderung des Spitzensports und die Teilnahme der Schweiz an den olympischen Spielen. 1928 und 1948 organisierte das SOC die Winterspiele von St. Moritz. 1997 schloss es sich mit dem Schweizerischen Landesverband für Sport und dem Nationalen Komitee für Elite-Sport zum Schweizerischen Olympischen Verband zusammen (ab 2001 Swiss Olympic Association).

Die Winterspiele 1928 und 1948 und weitere Schweizer Kandidaturen

Plakat für die Olympischen Winterspiele in St. Moritz 1928, gestaltet von Hugo Laubi (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für die Olympischen Winterspiele in St. Moritz 1928, gestaltet von Hugo Laubi (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für die Olympischen Winterspiele in St. Moritz 1948, gestaltet von Alois Carigiet (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für die Olympischen Winterspiele in St. Moritz 1948, gestaltet von Alois Carigiet (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

1926 wurde in Lissabon St. Moritz als Austragungsort der zweiten olympischen Winterspiele gewählt, während Davos nur eine von 23 Stimmen erhielt. Die Spiele fanden vom 11.-19. Februar 1928 statt, mit 464 Sportlern aus 25 Staaten, die in den vier Disziplinen Skilauf, Eiskunstlaufen, Bobfahren und Eishockey 14 Wettkämpfe austrugen (Skisport, Wintersport). 1946 wurde in Lausanne aufgrund der Neutralität der Schweiz wiederum St. Moritz als Austragungsort der fünften Winterspiele vom 30. Januar bis 8. Februar 1948 gewählt. An diesen ersten Nachkriegsspielen, auch Spiele des Aufbruchs genannt, nahmen 669 Sportler aus 28 Ländern (ohne Deutschland und Japan) teil und trugen in denselben vier Sportarten wie 1928 22 Wettkämpfe aus.

Später kandidierten weitere Schweizer Städte und Regionen für die Austragung insbesondere der Winterspiele. Einige Projekte, etwa jenes von Bern 2002, scheiterten bereits am Widerstand der Einwohner, die hohe Kosten, Beeinträchtigungen und Umweltschäden fürchteten. Trotz wiederholter offizieller Kandidaturen in den Jahren 1936, 1944, 1948, 1952 und 1960 erhielt Lausanne die Sommerspiele nie zugesprochen und zog jene für die Winterspiele 1994 nach einem Referendum zurück. Auch die Kandidaturen von Sitten für die Winterspiele scheiterten 1976, 2002 und 2006 trotz grossem Einsatz und einer positiven Volksabstimmung 1997.

Quellen und Literatur

  • Hist. Archiv des IOK, Musée olympique, Lausanne
  • StadtA Lausanne
  • C. Gilliéron, Les relations de Lausanne et du Mouvement olympique à l'époque de Pierre de Coubertin, 1894-1939, 1993
  • Un siècle du Comité international olympique, hg. von R. Gafner, 3 Bde., 1994-97
  • P. Morath, Le CIO à Lausanne (1939-1999), 2000
  • P.-A. Hug, «De l'utopie au pragmatisme: l'installation du CIO à Lausanne (1906-1927)», in Sports en formes, hg. von C. Jaccoud, T. Busset, 2001, 95-126
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Internationales Olympisches Komitee (IOK), olympische Spiele, Schweizerisches Olympisches Comité (SOC)

Zitiervorschlag

Marie-Hélène Guex: "Olympische Bewegung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 16.01.2017, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016345/2017-01-16/, konsultiert am 19.03.2024.