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Bäder

Seit vorgeschichtlicher Zeit wird Wasser aus Thermal- und Mineralquellen als vorbeugendes, reinigendes und heilendes Element verwendet, das durch seine chemische Zusammensetzung, die Temperatur, die Massagewirkung und den Auftrieb wirkt. Verstärkbar sind diese Effekte durch Klima, Landschaft, Begleitaktivitäten während der Badekur und durch den Milieuwechsel. Früh wurde erkannt, dass Gesellschaft, Unterkunft und Versorgung seine Wirkung entscheidend fördern.

Von den Anfängen bis in die frühe Neuzeit

Die Thermen in Leukerbad. Stich aus der 1552 in Basel publizierten Cosmographia von Sebastian Münster (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
Die Thermen in Leukerbad. Stich aus der 1552 in Basel publizierten Cosmographia von Sebastian Münster (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).

Eine frühgeschichtliche bzw. antike Badekultur ist in der Schweiz in den Thermen von Baden, Lostorf und Yverdon-les-Bains sowie an der Mineralquelle von St. Moritz Bad nachgewiesen, in Alvaneu Bad wahrscheinlich. Im Mittelalter wurden die Thermen Leukerbad (1229 erwähnt) und Pfäfers (1240) sowie die Mineralquellen von Scuol (1369) entdeckt. Der erneute Aufschwung der Bäder nach der Blütezeit in römischer Zeit fällt in das 15. Jahrhundert. Die Bäder dieser Zeit dienten nicht nur der Gesundheit und Hygiene. Sie waren Orte der Geselligkeit, wirtschaftlichen und politischen Handelns und nicht selten auch der Prostitution. Im späten Mittelalter am bekanntesten waren die Bäder von Baden, St. Moritz Bad, Leukerbad und Bad Pfäfers. Keine Heilwirkung hatte in der Regel das Wasser der unzähligen, von Badern betriebenen öffentlichen Badstuben in den Städten und Dörfern dieser Zeit, die als sogenannte ehafte Betriebe der obrigkeitlichen Bewilligung bedurften (Ehaften).

Die Bäder von Pfäfers. Stich von Johann Jacob Scheuchzer aus den Itinera Alpina, Amsterdam 1723 (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).
Die Bäder von Pfäfers. Stich von Johann Jacob Scheuchzer aus den Itinera Alpina, Amsterdam 1723 (Bibliothèque de Genève, Archives Nicolas Bouvier).

Waren die Zeiten des Humanismus und der Reformation noch sehr badefreudig, so setzten Sittendiskussion und Prüderie im Zeichen dogmatischer Verhärtungen, aber auch die Syphilis, die sich angeblich besonders beim freien Leben in den Badstuben ausbreitete, dem frohen Treiben in den Bädern zu. Auch der Holzmangel im 16. Jahrhundert dämpfte die Badefreude, verteuerte er doch das Wärmen des Wassers. Dennoch wurden auch in der frühen Neuzeit zahlreiche Bäder eröffnet oder reaktiviert, unter anderem Gurnigelbad 1591, Bad Pfäfers 1629, Lenk 1689, Gontenbad (1597 erwähnt). Badeorte beherbergten oft politische Zusammenkünfte, weil sie ausreichende Unterbringungsmöglichkeiten boten: Baden war bis 1713 Tagsatzungsort, und 1714 tagte hier der Friedenskongress nach dem Spanischen Erbfolgekrieg. Die Helvetische Gesellschaft versammelte sich 1761-1779 in Schinznach-Bad. Noch im 18. und 19. Jahrhundert dienten Bäder und Badeherbergen mangels Alternativen auch als Passantenunterkünfte, zum Beispiel Reichenbach, Andeer oder Leukerbad. Wohlhabende reisten auf der Suche nach der verlorenen Gesundheit den Bädern ganz Europas nach, so auch Montaigne, der 1580 in Baden weilte. Im 16. Jahrhundert waren Alvaneu Bad, Baden, Brigerbad, Fideris, Bad Pfäfers, Bormio (Veltlin) und Bad Tarasp die wichtigsten Bäder der Schweiz. 1690 waren es Bad Pfäfers, Schinznach-Bad, Yverdon-les-Bains, Bormio, Baden, Leukerbad, Brigerbad und St. Moritz Bad.

Medizinische und naturwissenschaftliche Schriften über die Wirksamkeit von Heilquellen verfassten unter anderem Konrad Gessner (1553), Kaspar Ambühl (1574 publiziert), Leonhard Thurneysen (1572) und Johann Jakob Scheuchzer (1706-1708). Vor allem vom frühen 18. Jahrhundert an entwickelte sich die Balneologie (Bäderheilkunde). Beschreibungen der Wirkung des Heilwassers (z.B. 1747 von Alvaneu Bad) wurden publiziert. Verbesserte chemische Analysen erlaubten die zielgerichtete Einstellung der Badetherapien auf die jeweiligen Krankheiten.

Blütezeit im 19. Jahrhundert

Das 19. Jahrhundert ist das goldene Zeitalter der Bäder. Ältere wurden reaktiviert oder grosszügig erweitert, neue entdeckt und gleich erschlossen. Der spätere Bundesrat Stefano Franscini nannte 1848 in seiner Statistik folgende Bäder als wichtigste der Schweiz: Baden, Schinznach-Bad, Bad Pfäfers, St. Moritz Bad, S. Bernardino, Leukerbad, Lavey-les-Bains und Gurnigelbad. Bekannt waren ihm 350 Heilquellen, von denen er 22 der 1. Klasse und 224 der 2. Klasse zuordnete. Die Medizin entwickelte die Hydrotherapie. Es gab nicht nur für sozusagen alle Krankheiten Bäder, auch die Methoden wurden verfeinert und diversifiziert: Ganz-, Teil-, Dampf- oder Inhalationsbäder, Mineral-Schlammbäder, Duschen und Trinkkuren. Letztere sowie Licht-, Luft- und Sonnenbäder waren schon im 18. Jahrhundert bekannt, wurden nun aber in eine ganzheitliche Medizin integriert. Man erkannte, dass viele Krankheiten von Überarbeitung oder falscher Lebensweise herrührten. Die Badekur musste also immer auch Erholung sein. Der Patient sollte nicht nur baden, sondern sich auch sonst an Leib und Seele erholen. Die Heilerfolge waren oft weniger dem Wasser als dem psychischen Effekt der Badekur zuzuschreiben. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der zahlenmässige Höhepunkt erreicht. Allein im Kanton Bern existierten 1863 73 Bäder.

Kurgäste in Leukerbad. Druck von Carl Dörr, um 1820 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Kurgäste in Leukerbad. Druck von Carl Dörr, um 1820 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Es lag im Charakter der Zeit, dass trotz erheblicher Fortschritte in der Medizin noch für die meisten Krankheiten Badekuren angeordnet wurden, selbst für Tuberkulose, die man zum Beispiel in Weissenburg, Morgins, Rigi Kaltbad, Gurnigelbad und St. Moritz Bad zu heilen versuchte, womit die enge Verbindung zwischen Bade- und Luftkur gegeben war. Die Entdeckung der Tuberkel-Bakterien (1882) liess dieses Benutzersegment schlagartig zurückgehen.

Badeleben und Einrichtungen

Pro Kur waren 24-30 oft mehrstündige Bäder vorgesehen. Die Trinkkur nötigte den Kurgast zu 4-15 Gläsern pro Tag. Die Kosten bzw. den Arbeits- und Erwerbsausfall einer Kur von 3-5 Wochen Dauer konnte sich der grösste Teil der Bevölkerung bis ins 20. Jahrhundert nicht leisten. Die Reise gestaltete sich aufwendig, nicht zuletzt weil ein Teil des Hausrats und sogar Haustiere mitgenommen wurden. In den Bädern trafen sich Oberschichten aus ganz Europa. Mit diesem Publikum und dessen Erwartungen wurden Bäder zu Schrittmachern des Hotelkomforts (Gastgewerbe, Hotelbau).

Der Kurplatz in Baden. Kolorierte Aquatinta von Heinrich Keller, um 1806 (Staatsarchiv Aargau, Aarau, Grafische Sammlung, GS/00201-2).
Der Kurplatz in Baden. Kolorierte Aquatinta von Heinrich Keller, um 1806 (Staatsarchiv Aargau, Aarau, Grafische Sammlung, GS/00201-2).

Neben den renommierten Bädern spielten die zahlreichen kleinen Bäder für die übrige Bevölkerung eine wichtige Rolle, geschildert unter anderen von Jeremias Gotthelf. Oft an entlegenen Orten, entzogen sie sich dem wachsamen Auge der Obrigkeit. Zahlreich sind Belege, wie Pfarrer und Amtspersonen gegen das überbordende Badeleben vorzugehen versuchten. Bäder waren Treffpunkte des Jungvolks, das sich im und neben dem Wasser vergnügte. Hier wurden Bekanntschaften und Ehen angebahnt. In Bädern nahmen aber auch politische Prozesse ihren Anfang, zum Beispiel im Bad Bubendorf die Schaffung des Kantons Basel-Landschaft.

Die Thermalbäder waren meist Gemeinschaftsbäder, das Energieproblem stellte sich nicht. In Leukerbad wurden die Badebecken gar in der Nacht aufgefüllt, damit das Wasser am Morgen ausreichend abgekühlt war. Wo das Mineralwasser geheizt werden musste, waren Einzelbadewannen üblich. Noch 1874 waren zum Beispiel im Unterengadiner Val Sinestra ausgehöhlte Stämme in Gebrauch. Vom 19. Jahrhundert an wurden Blechwannen eingeführt, dann emaillierte Metallwannen und Keramikwannen. Der Vorwurf der sittlichen Verwilderung an solchen Orten lag unter anderem im Umstand begründet, dass sich nicht nur aus energieökonomischen Gründen oftmals mehrere Personen gemeinsam in den Badekästen aufhielten. Badekleider kamen erst im 16. Jahrhundert auf. In Gemeinschaftsbädern trugen die Badenden meist wollene Badehemden. Gegen das 19. Jahrhunert zu wurden die Kostüme immer zugeknöpfter. Duschen, ursprünglich ein zu kippendes Fass mit einem Loch, waren vom 16. Jahrhundert an bekannt, aber lange medizinisch umstritten. Erst im 19. Jahrhundert wurden sie gezielt eingesetzt, insbesondere zu Massagezwecken. Es entwickelten sich Varianten, zum Beispiel die Fall-, Steig- oder Sprühdusche.

Zur Unterhaltung der Badegäste entstand eine spezifische Freizeitkultur. Vorbilder dafür waren die Bäder der internationalen Spitzenklasse wie Karlsbad (heute Tschechische Republik) oder Badgastein und Bad Ischl (beide Österreich). So dienten Konversationszimmer, Damensalons, Bibliotheken, Fumoirs, Kurorchester, Promenaden, Aussichtspavillons, gedeckte Wandelhallen usw. der Erholung und Zerstreuung. Bekannt wurden in der Schweiz die Bäder von Saxon, die ihren Betrieb bis zum Verbot der Spielbanken mit einem Casino kombinierten. Einige Heilbäder legten auch den Grundstein für den Tourismus, so zum Beispiel in Leukerbad, Lenk, Scuol, St. Moritz und Vals.

20. Jahrhundert

Die grosse Blüte der Bäder dauerte bis 1914. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurden die meisten geschlossen. Einige Bäder dienten als Truppenunterkünfte oder Interniertenlager. In der Zwischenkriegszeit kam wieder etwas Leben in das Badewesen, doch machten sich die sozialen Veränderungen der Zeit nachhaltig bemerkbar. Baden und Schwimmen entwickelten sich zum Freizeitvergnügen bzw. Sport breiter Schichten, gepflegt in den zahlreichen neu erbauten Volksbädern und von Schwimmklubs gefördert. Viele Bäder unternahmen Modernisierungsbestrebungen, um deren Früchte sie aber der Zweite Weltkrieg brachte. So schloss zum Beispiel 1943 Gurnigelbad. In der Nachkriegszeit liess ein neues Ferienverhalten das Badewesen in seiner bisherigen Art fast völlig zusammenbrechen. Hingegen hielt sich die streng medizinische Kur mit definiertem Heilziel. So rückte der Heilwert, mithin die medizinische oder mineralogische Definition der Bäder, in den Vordergrund.

Unter diesen Vorzeichen konnten sich einige traditionelle Bäder mit besonderen Wirkungen wieder entfalten, andere neu beginnen: 1955 wurde die Thermalquelle Zurzach erbohrt, nach 1966 in Breiten (Mörel) ein Solbad aufgebaut, 1980 ein Heilbad in Saillon eröffnet. Baden erfuhr ab 1967 einen Modernisierungsschub. In Lavey-les-Bains wurde 1973 eine heissere Quelle erschlossen, gefolgt von einem Ausbau der Anlagen. Lenk erhielt Ausbauten ab 1970, Leukerbad ab 1965 eine Rheuma- und eine Rehabilitationsklinik, Lostorf ab 1992 Neubauten. Das Bad von Pfäfers, 1840 nach Ragaz verlegt, wurde nach einem Rückschlag 1956 wieder eröffnet und ab 1984 aufwendig modernisiert. Rheinfelden wurde ab 1970 Kurzentrum. St. Moritz Bad erhielt 1976 ein neues Heilbadzentrum. Schwefelbergbad blieb nach seiner Entdeckung (1561) von regionaler Bedeutung und wurde erst 1940 als Heilbad anerkannt; 1986 setzte ein neuer Aufschwung ein. Stabio war 1682 entdeckt, aber wieder zugeschüttet worden und kannte ab 1853 einen regionalen Kurbetrieb. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Bad richtig reaktiviert. Bad Serneus nahm 1974-1976 den Betrieb wieder auf. Yverdon-les-Bains erfuhr ab 1974 einen fulminanten Aufschwung als starke Thermalquelle. 1980 wurden in der Schweiz 46 Badekurorte mit insgesamt 69 Quellen verzeichnet.

Quellen und Literatur

  • C. Meyer-Ahrens, Die Heilquellen und Kurorte der Schweiz und einiger der Schweiz zunächst angrenzenden Gegenden der Nachbarstaaten, 21867
  • A.J. Lüthi, Die Mineralbäder des Kt. Bern, 1957
  • G. Heller, "Propre en ordre", 1979
  • O. Högl, Die Mineral- und Heilquellen der Schweiz, 1980
  • H.P. Treichler, Wonnige Badenfahrt, 1980
  • H.P. Treichler et al., Thermen der Schweiz, 1990
  • J. Dubas, Une histoire d'eau au pays de Fribourg, 1991
  • L. Wiedmer-Zingg, Heilende Wasser, Quellen der Gesundheit, 1994
Von der Redaktion ergänzt
  • Fuchs, Karin: Baden und Trinken in den Bergen. Heilquellen in Graubünden 16. bis 19. Jahrhundert, 2019.
Weblinks

Zitiervorschlag

Quirinus Reichen: "Bäder", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 04.05.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016308/2017-05-04/, konsultiert am 19.03.2024.