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Einkommen

Unter Einkommen werden die einer natürlichen oder juristischen Person innerhalb einer bestimmten Zeit zufliessenden Geldbeträge und Naturalleistungen verstanden, welche dieser aufgrund ihrer Beteiligung am Wirtschaftsprozess zustehen. Es lassen sich verschiedene Arten von Einkommen unterscheiden, nämlich aus Erwerbstätigkeit (Arbeit), aus dem Vermögen (Zinsen) oder sogenannte laufende Übertragungen wie Renten, Taggelder, Unterstützungszahlungen oder Fürsorgeleistungen.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Während über die Höhe der Vermögen von Stadtbewohnern wie auch vereinzelt von Landbewohnern in den aus dem städtischen Bereich stammenden Steuerbüchern bereits im Spätmittelalter zahlreiche Angaben überliefert sind, ist über die Höhe der Einkommen nur wenig bekannt. Mit dem Aufschwung der Städte ab dem 12. und 13. Jahrhundert und der weiteren Ausbreitung der Geldwirtschaft wurde die Zahl derjenigen, deren ökonomische Existenz auf Lohneinkommen (Löhne) basierte, immer grösser. Infolge des durch die Pestzüge ab Mitte des 14. Jahrhunderts verursachten demografischen Einbruchs führte der Mangel an gelernten Arbeitskräften in den spezialisierten Handwerks- und Gewerbebetrieben der Städte zu Lohnsteigerungen, welchen die städtischen Räte durch die Festsetzung von Maximallöhnen zu begegnen suchten. Überliefert sind vor allem Löhne von Personen in unselbstständiger Lohnarbeit (u.a. Dienstboten, Bauarbeiter, Taglöhner), wobei sich für die Ermittlung des Einkommens verschiedene Probleme stellen: Zumeist setzten sich die Löhne aus verschiedenen Bestandteilen wie Geld, Nahrungsmitteln, Kleidung, Unterkunft usw. zusammen, sodass sich kaum eine Aussage über das Gesamteinkommen machen lässt. Die meisten dieser Löhne wurden tageweise ausbezahlt. Eine Hochrechnung auf ein Jahreseinkommen wäre problematisch, da gerade im Baugewerbe wie auch im landwirtschaftlichen Bereich saisonal unterschiedliche Beschäftigungslagen vorherrschten. Frauen wie auch Kinder und Jugendliche erzielten im Vergleich zu erwachsenen Männern deutlich tiefere Einkommen. Ausserdem lassen sich gerade bei Taglöhnern teilweise gravierende regionale Unterschiede in der Höhe der Einkommen feststellen, insbesondere zwischen Stadt und Land.

Jene Einkommen, die selbstständige Gewerbetreibende und Handwerker aufgrund von möglichen Gewinnspannen (Wirte, Schankwirte), Umsätzen (Bäcker, Metzger), Stücklöhnen (Schmiede, Weber) oder Tarifen im Kundenhaushalt (Schneider) erzielten, lassen sich kaum mehr ermitteln, zumal sie grossen Schwankungen unterworfen waren. Zumindest die Wirte scheinen aus dem Herbergs- und Tavernenbetrieb ein ausreichendes Einkommen erzielt zu haben. Auch die im Fern- und Grosshandel tätigen Kaufleute konnten häufig Gewinne erzielen, welche zur Vermögensbildung beitrugen. Hingegen ist jenes Einkommen schwierig einzuschätzen, welches Personen in beamtenähnlicher Stellung zufloss, obwohl vor allem aus Städten zahlreiche Angaben zu Gehältern hoher und niedriger Bediensteter überliefert sind: Zumeist erhielten diese nur ein Grundgehalt, welches durch einen Anteil an Amtsgebühren oder sonstige Zulagen vermehrt wurde. Vor allem bei niedrigen Bediensteten, zum Beispiel Wächtern oder Zolleinnehmern, war das aus öffentlichen Diensten zufliessende Einkommen von Anfang an nur als Nebenverdienst konzipiert; zusätzliches Einkommen stammte zumeist aus privatwirtschaftlichen Verdienstmöglichkeiten. Insbesondere ab dem 16. Jahrhundert wurde die höhere Beamtenlaufbahn auch für obere Bevölkerungsschichten interessant. Diese Verdienstmöglichkeit bildete neben Einkünften aus Kapital- und Rentengeschäften, Grundbesitz (Grundzinsen) sowie anderen lukrativen Beteiligungen (z.B. Handelsgesellschaften) eine wichtige Einkommensquelle für Magistratenfamilien, allerdings lässt sich dieses aus verschiedenen Quellen fliessende Einkommen kaum gesamthaft eruieren. Nur wenige Oberschichtsangehörige genossen ein ganz arbeitsfreies Dasein und lebten von ihren Einkünften aus Gerichtsherrlichkeiten, Grundbesitz, Renten und Kapitalanlagen usw. Ende des 15. Jahrhunderts wurde das Einkommen aus Pensionsgeldzahlungen (Pensionen) und Solddiensten nicht nur für die Oberschicht, sondern zunehmend auch für Angehörige unterer Schichten lukrativ. So verdiente ein Söldner ohne Beuteanteil und sonstige Zulagen ungefähr den doppelten Lohn eines städtischen Bauhandwerkers.

Vor allem die aus unselbstständiger Lohnarbeit erwirtschafteten kleinen Einkommen städtischer und ländlicher Unterschichten (z.B. Taglöhner) reichten angesichts der sprunghaften, auf Ernteausfälle oder Seuchen empfindlich reagierenden vorindustriellen Wirtschaftsentwicklung kaum aus, um den Lebensunterhalt zu sichern. Im Gegensatz zu den temporär stark schwankenden Preisen für Grundnahrungsmittel blieben die Löhne nominal relativ stabil, was sich auf das Realeinkommen auswirkte. Die Getreidebauern im Mittelland wie auch deren Grundherren mussten ab Mitte des 14. Jahrhunderts aufgrund der demografischen Depression massive Einbrüche ihrer Einkommen hinnehmen. Dies führte zu Verschuldung und Verarmung breiter Bevölkerungsschichten. Ab dem 16. Jahrhundert stiegen die Preise für Agrar- und Gewerbeprodukte, während gleichzeitig ein Absinken des aus unselbstständiger Lohnarbeit gewonnenen Realeinkommens festzustellen ist. Verschärft wurde die Einkommenssituation im gewerblichen Sektor in der frühen Neuzeit durch die in Konkurrenz zu verschiedenen handwerklichen Bereichen tretende Verlagsindustrie, was sich insbesondere im Textilgewerbe zeigen lässt. Die in Zünften organisierten städtischen Handwerker suchten ihr Einkommen durch obrigkeitlich erlassene Berufszugangsbeschränkungen zu sichern. Die sich mit grossen regionalen Unterschieden entwickelnde Protoindustrie sicherte aber weiten Kreisen der Bevölkerung ein zusätzliches Einkommen. Im städtischen Handwerk wie auch in der Landwirtschaft trug der Einbezug von Kindern und Jugendlichen in den Arbeitsprozess wesentlich zum familiären Einkommen bei (Kinderarbeit).

19. und 20. Jahrhundert

In Folge der Industrialisierung nahm die Bedeutung des Einkommens in Geldform zu. Ein durchschnittlicher Haushalt verwendete 2007 sein Einkommen zu 61% für den Konsum (Erwerb von Waren und Dienstleistungen), zu 32% für Transferausgaben (Steuern, Versicherung, Beiträge) und zu 7% für Ersparnisse. Massgebend für den Lebensstandard ist nicht die nominale Höhe, sondern die Menge der Güter und Dienstleistungen, die damit erworben werden können, also das sogenannte Realeinkommen.

Über das Gewicht verschiedener Komponenten des Einkommens der Haushalte orientiert die Nationale Buchhaltung, die allerdings erst im letzten halben Jahrhundert auf eine solide Basis gestellt wurde. Ihre Zahlen weisen trotz Ungenauigkeiten darauf hin, dass die durchschnittlichen Einkommen in der Schweiz während des 20. Jahrhunderts zu den höchsten der Welt gehörten. Den grössten Anteil am Volkseinkommen hatten immer die Löhne. Bis zum Zweiten Weltkrieg machten sie etwas weniger als die Hälfte aus, danach stieg ihr Anteil auf über zwei Drittel. Das relative Gewicht der Geschäftseinkommen der Selbstständigen fiel von einem Viertel 1910 auf unter ein Zehntel, vor allem wegen des Rückgangs der Landwirtschaft. Der Anteil der Vermögenseinkommen der Haushalte lag in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts unter einem Zehntel. Einige Einkommensarten wurden von der Statistik üblicherweise nicht erfasst, so Lohn-Nebenleistungen (überhöhte Spesen, firmeninterne Verpflegung, Firmenparkplätze usw.), kalkulatorische Einkommensäquivalente (Produktion für Eigenverbrauch in Landwirtschaft und Haushalt), nichtdeklarierte Einkommen (Schattenwirtschaft, Steuerhinterziehung) oder der Wertzuwachs des Vermögens. Der Wertzuwachs der an der Schweizer Börse kotierten Aktien überstieg dank der ausserordentlichen Hausse 1997 die Summe aller Erwerbseinkommen.

Einkommensverteilung in der Schweiz (Steuerbemessungsjahr 1995-1996)
Einkommensverteilung in der Schweiz (Steuerbemessungsjahr 1995-1996) […]
Steuerpflichtige in den Kantonen nach Einkommensstufen (Steuerjahr 1997-1998)
Steuerpflichtige in den Kantonen nach Einkommensstufen (Steuerjahr 1997-1998) […]

Die Verteilung des Erwerbseinkommens erfolgt nach verschiedenen Kriterien. Allgemein ist das der Männer im Mittel höher als dasjenige der Frauen, 2009 um ca. ein Viertel. Besonders ausgeprägt ist der Unterschied bei selbstständig Erwerbstätigen (inklusive mitarbeitende Familienmitglieder) und beim oberen Management. Ein weiteres Kriterium ist die berufliche Stellung, wobei leitende Angestellte deutlich mehr als Selbstständige und gewöhnliche Arbeitnehmer einnahmen. Das mittlere Einkommen von Universitätsabsolventen lag doppelt so hoch wie das von Erwerbstätigen mit Grundschulbildung. Schliesslich spielt der Wirtschaftszweig eine Rolle. Die niedrigsten Durchschnitte werden laut Statistik in der Landwirtschaft erzielt; im zweiten Sektor liegt das Mittel deutlich höher. Der Dienstleistungssektor kennt eine tiefe Kluft zwischen einkommensschwachen Branchen wie dem Gastgewerbe und dem Detailhandel einerseits sowie Banken, Versicherungen und dem öffentlichen Dienst andererseits. Der Anteil der obersten 20% der Steuerzahler am gesamten reinen Einkommen fiel zwischen 1955-1956 und 1973-1974 von 52% auf 46%, während umgekehrt jener der untersten 20% von 2% auf 3% stieg. Diese Entwicklung hielt, wenn man den Wertzuwachs von Vermögen vernachlässigt, in den folgenden Jahrzehnten an. Trotzdem blieb das Verhältnis zwischen höchsten und niedrigsten Einkommen in der Schweiz weit ungünstiger als in der Europäischen Union (EU). Anfang des 21. Jahrhunderts, insbesondere nach der Finanzkrise 2007, lösten an Manager grosser Firmen ausbezahlte Boni und Abgangsentschädigungen eine intensive öffentliche Debatte aus, da diese Zahlungen teilweise als unverhältnismässig angesehen wurden. In diesem Zusammenhang wurde 2008 eine Volksinitiative gegen die Abzockerei eingereicht.

Wirtschaftspolitische Massnahmen wirkten sich auf unterschiedlichen Ebenen auf das Einkommen aus. Masshalteappelle, Wettbewerbspolitik (Kartellgesetze 1962, 1985, 1995), staatliche Beteiligung an Tarifverhandlungen (v.a. in den frühen 1920er Jahren durch Bundesrat Edmund Schulthess), Lohn- und Preiskontrollen (Preisbildungskommission 1926, Preiskontrolle im Zweiten Weltkrieg, Preisüberwachung seit den 1970er Jahren) oder Preisstopps (z.B. nach Abwertung 1936) sollten das Realeinkommen günstig beeinflussen. Weil die primäre Einkommensverteilung auf verschiedene Gruppen (Arbeitnehmer, Unternehmer, Erwerbslose usw.) durch den Markt nicht befriedigte, wurden Strategien zur Umverteilung entwickelt. Solche stehen seit dem späten 19. Jahrhundert zur Debatte (Etatismus); die Umsetzung erfolgte jedoch erst im 20. Jahrhundert. Regelmässige allgemeine und progressive Einkommenssteuern führten die meisten Kantone erst nach 1900 ein, der Bund Mitte der 1930er Jahre.

Ebenfalls auf die Einkommensverteilung wirkte sich der Aufbau der Sozialversicherungen aus, noch in bescheidenem Masse in den Anfängen der Kranken- und Unfallversicherung, in grösseren Dimensionen mit dem Ausbau der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV). Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die Umverteilung im Rahmen des Sozialstaates an Bedeutung, wozu neben den genannten Mitteln weitere wie öffentliche Güter – zum Beispiel das Bildungswesen – oder Preisgarantien und Subventionen, vor allem für die Landwirtschaft, beitrugen. Bis Anfang des 21. Jahrhunderts stieg der über Steuern und Sozialabgaben sekundär verteilte Anteil am Volkseinkommen auf rund ein Drittel, was unter dem Niveau der EU liegt. Entgegen verbreiteter Ansichten begünstigt die Umverteilung nicht immer die unteren Einkommensschichten zulasten der oberen, wie es sich bei den Subventionen für Kulturinstitutionen und Hochschulen zeigen lässt. Eine zentrale Rolle in der Verteilungspolitik spielen die Verbände, zum Beispiel Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Berufsverbände der Ärzte, Advokaten oder Architekten. Sie erzeugen nicht nur politischen Druck, sondern beeinflussen die primäre und sekundäre Verteilung indirekt oder direkt durch Bereitstellung von Entscheidungsgrundlagen, durch Absprachen, etwa Gesamtarbeitsverträge oder Ärztetarife, sowie durch Verbands-Ausgleichskassen.

Quellen und Literatur

Mittelalter und frühe Neuzeit
  • U. Dirlmeier, Unters. zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdt. Städten des SpätMA, 1978
  • K. Schulz, «Löhne und Lebenshaltung im dt. SpätMA», in ZHF 6, 1979, 345-356
  • F. Glauser, «Wein, Wirt, Gewinn 1580», in Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im MA, hg. von H.C. Peyer, 1983, 205-220
  • LexMA 5, 2084-2087
  • V. Groebner, Ökonomie ohne Haus, 1993
  • D. Rippmann, «"Frauenwerk" und Männerarbeit», in Arbeit im Wandel, hg. von U. Pfister et al., 1996, 25-47
  • R. Reith, Lohn und Leistung, 1999
19. und 20. Jahrhundert
  • U. Ernst, Die Wohlstandsverteilung in der Schweiz, 1983
  • HistStat
Weblinks

Zitiervorschlag

Oliver Landolt; Bernard Degen: "Einkommen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.08.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016217/2010-08-19/, konsultiert am 16.04.2024.