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Charles FerdinandRamuz

Porträt von Charles Ferdinand Ramuz, 1937. Fotografie von Paul Senn (Bernische Stiftung für Fotografie, Film und Video, Bern) © Gottfried Keller-Stiftung.
Porträt von Charles Ferdinand Ramuz, 1937. Fotografie von Paul Senn (Bernische Stiftung für Fotografie, Film und Video, Bern) © Gottfried Keller-Stiftung.

24.9.1878 Lausanne, 23.5.1947 Lausanne, reformiert, von Sullens. Sohn des Emile, Händlers, und der Louise geborene Davel. 1913 Cécile Cellier, Malerin, Tochter des Charles-Victor. 1897-1900 Studium und Lizenziat der Altphilologie an der Universität Lausanne. Im Winter 1900-1901 schrieb Charles-Ferdinand Ramuz in Paris seinen ersten Roman, der unveröffentlicht blieb. Von Paris aus, wo er 1904-1914 lebte, beteiligte er sich am literarischen Leben der Westschweiz: Er war Mitgründer und Mitarbeiter der Zeitschrift "La Voile latine" und schrieb für die Zeitschriften "La Semaine littéraire", "Au Foyer romand" und "Bibliothèque universelle" sowie für die Zeitungen "Journal de Genève" und "Gazette de Lausanne". 1903 erschien seine erfolgreiche Gedichtsammlung "Le petit village" ("Ds Döörfli" 1977), 1905 sein erster Roman "Aline" (deutsch 1940). Der Roman "Les circonstances de la vie" (1907) wurde für den Prix Goncourt nominiert. Mit "Aimé Pache, ein Waadtländischer Maler" (1941, französisch 1911) und "Samuel Belet" (1942, französisch 1913) festigte Ramuz seine besondere Stellung, die er als Waadtländer Schriftsteller innerhalb der französischen Literatur genoss. Liess er sich anfänglich von Gustave Flaubert und Guy de Maupassant beeinflussen, entwickelte er bald eine Form des poetischen Romans, die den Ton mit der Sicht- und Sprechweise seiner Protagonisten, einfachen Menschen aus dem Volk, in Einklang brachte. Die gesellschaftliche Rolle des Künstlers sah er in dessen quasireligiöser Aufgabe, vom Elementaren ausgehend das Universelle zu erlangen.

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz 1914 stieg Ramuz zum bedeutendsten Schriftsteller seiner Generation auf. Er verfasste im gleichen Jahr das Manifest "Raison d'être" (deutsch 1976) in den "Cahiers vaudois". Seine Vorbilder sind die Maler, vor allem Paul Cézanne. Seine Zusammenarbeit mit Igor Strawinsky 1916-1918 führte 1918 zum bedeutenden Werk "Histoire du soldat" (deutsch 1924). Ramuz wandte sich vom Entwicklungsroman ab, der das Schicksal eines Einzelnen beschreibt, und schrieb nun Erzählungen, in denen sich Gemeinschaften mit dem Bösen ("Das Regiment des Bösen" 1921, französisch 1917), dem Wunder ("Die Wandlung der Marie Grin" 1930, französisch 1917), dem Krieg ("Es geschehen Zeichen" 1921, französisch 1919) oder dem Weltende ("Présence de la mort" 1922) konfrontiert sehen. In seinem erneuerten Romankonzept hob er die Innensicht seiner Gestalten hervor und operierte mit einem Erzähler, der wie die Chorführer in der griechischen Tragödie als Bote auftritt. Er bildete eine Sprache aus, die in ihrem Rhythmus und in ihren syntaktischen Brüchen der gesprochenen Sprache nachgebildet war. Dies missfiel den Sprachpuristen und dem Grossteil des französischen und schweizerischen Publikums.

In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg geriet Ramuz trotz der grosszügigen Unterstützung Werner Reinhardts in finanzielle Bedrängnis. Dank Henry Poulaille, der ihn beim Verleger Bernard Grasset untergebracht hatte, sowie der Anerkennung durch bekannte Schriftsteller wie Paul Claudel, Jean Cocteau, André Gide oder Louis-Ferdinand Céline gewann er ab 1924 wieder die Gunst des Pariser Publikums. In Lausanne fand er in Henry-Louis Mermod einen Mäzen und Verleger: Nun erschienen die bedeutenden Romane "Das grosse Grauen in den Bergen" (1927, französisch 1926), "Die Schönheit auf Erden" (1931, französisch 1927), "Adam und Eva" (1943, französisch 1932), "Farinet oder das falsche Geld" (1933, französisch 1932), "Bergsturz auf Derborence" (1935, französisch 1934), "Ein Bursche aus Savoyen" (1952, französisch 1936) und "Wenn die Sonne nicht wiederkäme" (1939, französisch 1937). Seine in den 1930er Jahren entstandenen Essays "Mass des Menschen" (1949, französisch 1933), "Fragen" (1990, französisch 1935) und "Bedürfnis nach Grösse" (1938, französisch 1937) stellten den Höhepunkt seiner politischen, moralischen und ästhetischen Reflexion dar. Endlich erhielt er für sein beachtliches Werk die öffentliche Anerkennung, unter anderem 1930 den Prix romand und 1936 den Grossen Schillerpreis. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen, unter anderem ins Deutsche und Italienische, übersetzt und dienten auch als Filmvorlagen. Krieg und Krankheit überschatteten seine letzten Lebensjahre, doch erlebte Charles-Ferdinand Ramuz noch, wie die "Œuvres complètes", die lange Auszüge aus seinem Tagebuch enthalten, ab 1940 bei Mermod erschienen.

Quellen und Literatur

  • Œuvres complètes, hg. von R. Francillon, D. Maggetti, 2005-
  • Romans, hg. von D. Jakubec, 2 Bde., 2005
  • Teilnachlässe in: BCUL, CRLR
  • T. Bringolf, Bibl. de l'œuvre de Charles Ferdinand Ramuz, 1942, (Neuaufl. 1975)
  • Ich bin Ramuz – nichts weiter, hg. von G. Froidevaux, 1987
  • Francillon, Littérature 2, 423-447
Weblinks
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Kurzinformationen
Lebensdaten ∗︎ 24.9.1878 ✝︎ 23.5.1947

Zitiervorschlag

Roger Francillon: "Ramuz, Charles Ferdinand", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.04.2012, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/016054/2012-04-26/, konsultiert am 19.03.2024.