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Davos

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Davos, Bezirk Prättigau/Davos. Stadt im Landwassertal mit den fünf Fraktionen Davos-Dorf, Davos-Platz, Frauenkirch, Glaris und Monstein, diversen Weilern wie Laret, Wolfgang, Clavadel und Spina im Haupttal, weiteren Siedlungen in den Seitentälern Flüela, Dischma und Sertig, zudem seit 2009 mit Wiesen (GR). Flächenmässig zweitgrösste Gemeinde der Schweiz und grösste Graubündens. 1213 Tavaus. Die politische Gemeinde Davos umfasst die gesamte "Landschaft" Davos vom Schwarzsee bei Laret über das Einzugsgebiet des Landwassers bis zur Felsenge unterhalb des Monsteiner Silberbergs. Sie entspricht umfangmässig dem Kreis Davos. Der sogenannte Oberschnitt (mit breitem Talboden) geht unmittelbar südwestlich des Rathauses und der Kirche St. Johann in den (engeren und tobelreichen) Unterschnitt über. 1850 1680 Einwohner; 1888 3891; 1900 8089; 1930 11'164; 1950 10'433; 2000 11'417.

Bronzezeitliche Einzelfunde auf Alp Drusatscha, am Davosersee und am Flüelapass deuten auf eine Begehung der Route Prättigau-Davos-Susch in urgeschichtlicher Zeit hin. Das Tal ist junges Siedlungsland, es wurde im Hochmittelalter durch romanische Bauern aus dem Albulatal und dem Engadin urbarisiert und bewohnt. Das älteste urkundliche Zeugnis (1213) belegt von Rätoromanen bewirtschaftetes Kulturland (Wiesen, Weiden) mit Schaf- und Käseabgaben vom später abgegangenen Gut Kristis an das Churer Domkapitel als Inhaber der Landeshoheit. 1297 wurde das Schenkungsgut der Kapelle Brienz/Brinzauls in Polinge (Bolgen) an die von Wildenberg übergeben. Um 1280 erfolgte die Ansiedlung von Walsern durch Walter V. von Vaz, der die zwei Romanenhöfe mit zwölf neuen Walserhöfen zum genossenschaftlichen Verband zusammenschloss. Im Lehens- und Zinsbrief von 1289 sind erhebliche Abgaben an Käse, Schafen und Tuch, Kriegsdienstverpflichtungen, aber auch persönliche Freiheiten und die niedere Gerichtsbarkeit unter einem eigenen Ammann festgehalten. Inhaber der hohen Gerichtsbarkeit waren die Freiherren von Vaz. Nach ihrem Aussterben ging die Herrschaft 1338 an die Grafen von Toggenburg, 1436 an die Montfort-Tettnang, 1466 an das Haus Habsburg-Österreich über, von dem sich Davos 1649 loskaufen konnte.

Die erste Davoser Kirche erscheint urkundlich 1335 (Patrozinium Maria, Johannes Baptista, Nikolaus) in Davos-Platz. Dieser Hauptkirche der Landschaft Davos – in der Folge St. Johann genannt – unterstanden drei Kaplaneien: St. Theodul in Davos-Dorf (ca. Mitte 14. Jh.), unser frowen kilch zu Frauenkirch (1466 erwähnt) und St. Nikolaus zu Glaris (Mitte 14. Jh.). Um 1500 wird sie als frye pfarkilchen bezeichnet. Die Kollatur gehörte der Gemeinde, die um 1526 den reformierten Glauben annahm. Im 17. und 18. Jahrhundert verselbstständigten sich folgende Pfarreien: 1654 Glaris mit Monstein, 1680 Frauenkirch mit Sertig, 1680 Davos-Dorf mit Laret; 1719 trennte sich Monstein von Glaris und bestellte einen eigenen Pfarrer. Neue Kirchen entstanden in Monstein 1668, Sertig 1699 und Laret 1793. Kapellen sind abgegangen auf der Passhöhe St. Wolfgang und im Flüelatal bei Pedra (1562 als hof by der cappel erwähnt, heute Dörfji). Ende des 20. Jahrhunderts standen auf Gemeindegebiet 15 Kirchen; die Mehrheit der Einwohner ist reformiert.

Das Allmendterritorium wurde 1328 erweitert durch Erwerb des Flüelatals, bis dahin Eigentum von Susch. Zu Beginn des 14. Jahrhunderts siedelten einzelne Walser von Davos nach Arosa über, das als Nachbarschaft politisch einbezogen wurde (Loslösung 1851). Die Davoser Höfe entwickelten sich zu den erwähnten fünf Fraktionen. Diese verfügen an Stelle der Gemeinde über delegierte Kompetenzen im Begräbnis- und Schulwesen, zum Teil auch über eigene Vermögen. Die älteste Redaktion des Davoser Landbuchs datiert von 1596. Das politische Selbstbewusstsein der Talleute kam 1564 nach dem Brand des alten Rathauses aus Holz im neuen steinernen Rathaus bei der Hauptkirche zum Ausdruck, einem wohlproportionierten Renaissancebau von Hans Ardüser mit der Grossen Stube (Ratsaal mit Glasgemälden) und der Langen Stube. Davos war Hauptort des 1436 gegründeten Zehngerichtenbunds, wo im Turnus mit Chur und Ilanz die Bundstage des Freistaats Gemeiner drei Bünde stattfanden. In der Grossen Stube wurden Bundstags- und Gemeindeversammlungen, in der Langen Stube Gerichtssitzungen abgehalten.

Seit dem 14.-15. Jahrhundert herrscht die deutsche Sprache vor. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Wirtschaft war geprägt durch Viehwirtschaft (Käse, Viehexport, Schafwolltuch) und Bergbau am Silberberg bei Monstein im Unterschnitt (bis 1848, Ausfuhr der Erze nach Hall, Bozen, Bormio und Sondrio), Korn- und Salzeinfuhr aus dem Tirol über den Flüelapass, Weinimport (Säumerei) aus dem Veltlin über den Scalettapass. Als Folge wirtschaftlichen Erfolgs im Ausland wurden traditionelle Holzhäuser durch Steinbauten ergänzt oder ersetzt. Pest, Krieg und Hungersnöte bewirkten zu Beginn des 17. Jahrhunderts einen starken Bevölkerungsrückgang. Die Geschicke von Davos wurden weitgehend von den Familien Beeli, Buol, Guler, Jenatsch, Sprecher und Valär bestimmt, die vom 16.-18. Jahrhundert repräsentative Bürgerhäuser errichteten.

Plakat für das internationale Eiswettlaufen von 1906, gestaltet von Walter Koch (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat für das internationale Eiswettlaufen von 1906, gestaltet von Walter Koch (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Mit der Entdeckung der Heilkraft des Hochgebirgsklimas bei Lungenleiden im 19. Jahrhundert begann der radikale Wandel zum internationalen Kur- und Ferienort. 1841 eröffnete Dr. Luzius Rüedi eine Anstalt für halsdrüsenerkrankte und schwindsüchtige Kinder. Um 1853 entdeckte der Arzt Alexander Spengler das Davoser Heilklima als sicheren Heilfaktor gegen Tuberkulose. Ab 1865 entwickelte sich Davos zum internationalen Jahreskurort: Sanatorien, Hotels und die erste Eisbahn wurden gebaut. Prominente Kurgäste und politische Flüchtlinge gaben Davos das Gepräge als Spiegelbild des Weltgeschehens (z.B. Thomas Mann, Ernst Ludwig Kirchner). Die Wohnbevölkerung stieg markant an. Neben Jugendstil- und neoklassizistischen Bauten traten ab 1900 neue Stilformen wie der Flachdachbau oder der kubische Davoser Heimatstil (Sanatorium Schatzalp von Pfleghard & Haefeli, Kurhaus und Rathaus von Rudolf Gaberel). Wesentlich zum Aufschwung des Kurorts trug die 1890 eröffnete Linie der Rhätischen Bahn (RhB) Landquart-Davos bei. Pionier dieser Verbindung war der 1867 in Davos niedergelassene Hotelier holländischer Herkunft Willem Jan Holsboer. Nach 1900 wurde Davos zum bedeutenden Wintersportplatz. In den goldenen 1920er Jahren gewann es als Ferienort gesellschaftliche Bedeutung, unter anderem dank sportlicher Wettkämpfe mit internationaler Teilnehmerschaft (Spengler-Cup seit 1923). Nach der Weltwirtschaftskrise wandelte sich Davos vom Nobel- zum Volkskurort mit Akzent auf dem Sportsektor: Ausbau von Bergbahnen und Skiliften (1930 Standseilbahn Davos-Parsenn, 1934 erster Bügel-Skilift der Welt auf Bolgen). Bis zum Zweiten Weltkrieg prägte eine starke deutsche Kolonie den Ort: Unter anderem war Davos ab 1878 Sitz des Fridericianum, einer deutschen Internatsschule, die 1946 als Schweizerische Alpine Mittelschule wieder eröffnet wurde. In Davos residierte auch der 1936 vom jüdischen Studenten David Frankfurter erschossene Landesgruppenleiter der NSDAP in der Schweiz, Wilhelm Gustloff.

Neue Methoden der Tuberkulosebehandlung in den 1950er Jahren brachten die meisten Sanatorien zum Verschwinden. Ende des 20. Jahrhunderts existierten noch deren zehn, davon vier ausländische, zumeist als Allergikerkliniken. Der Bau des modernen Kongresszentrums (1969) und Kongresshotels (1982) lockte Devisen bringenden Kongresstourismus an (u.a. Weltwirtschaftsforum). Davos erlebte in den letzten Jahren eine stürmische bauliche Entwicklung, vor allem durch Förderung des billigen Pauschaltourismus. Im Jahr 2000 bestanden 19 Bergbahnen, 17 Skilifte, mehrere Eisbahnen und Bäder, eine Eissporthalle (1981), Golf- und Tennisplätze, Langlauf- und Skischulen. Die Erwerbstätigen arbeiten zum weit überwiegenden Teil im Dienstleistungssektor. Davos besitzt neben einem gut ausgebauten Schulsystem ein Regionalspital und eine Alterssiedlung, die Landschaftsbibliothek, das Bergbaumuseum Graubünden in Schmelzboden bei Monstein, das Kirchner Museum in Davos-Platz und das Heimatmuseum im ehemaligen Pfarrhaus von Davos-Dorf. Es ist Standort des Eidgenössischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung und des Schweizerischen Forschungsinstituts für Hochgebirgsklima und Medizin. Vor allem der Verkehr belastet die städtische Infrastruktur: Trotz Ausbau des öffentlichen Verkehrs (Ortsbusse, Parsennbahndienste, Postkurse und RhB) und der Kanalisierung des privaten Verkehrs (Einbahnverkehr auf Durchgangsstrassen) kommt es in der Hochsaison zu Engpässen und Staus; Luftverunreinigung schädigt die Wälder.

Die politischen Behörden der Gemeinde und Landschaft Davos bestehen aus dem Grossen Landrat (Legislative), dem Kleinen Landrat (Exekutive) und dem Landammann (beiden vorstehend). Diese werden alle drei Jahre am dritten Maisonntag von der Landschaftsbsatzig in der Eissporthalle gewählt. Beide Landräte sind seit 1468 bezeugt. Das Frauenstimmrecht wurde auf kommunaler Ebene 1970 eingeführt. Der Kreis Davos besteht seit 1851. Die sogenannte Kreisbsatzig wählt alle drei Jahre am ersten Maisonntag an den Urnen den Kreislandammann, den Vermittler (Friedensrichter), das Kreisgericht (erstinstanzliches Strafgericht) und die Bündner Grossräte des Kreises.

Quellen und Literatur

  • M. Valèr, Sechs Jahrhunderte Davoser Gesch., 1912
  • Kdm GR 2, 1937 (19752), 143-176
  • A. Laely, Davoser Heimatkunde, 1952
  • INSA 3, 317-464
  • M. Bundi, Zur Besiedlungs- und Wirtschaftsgesch. Graubündens im MA, 1982
  • Gem. GR
Weblinks
Weitere Links
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Zitiervorschlag

Martin Bundi: "Davos", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001571/2016-12-02/, konsultiert am 19.03.2024.