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Castaneda

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Calanca, Bezirk Moesa. Siedlung eingangs des Calancatals, auf einer dem Misox zugewandten Terrasse. Als Castaneda 1295 erwähnt. 1808 129 Einwohner; 1850 188; 1860 232; 1900 178; 1950 182; 1960 151; 2000 221.

Urgeschichte

Ein seit Mitte des 19. Jahrhunderts bekanntes eisenzeitliches Gräberfeld und Siedlungsspuren im Umkreis der Kirche von Castaneda wurden ab 1928 wiederholt systematisch untersucht. 1978-1980 fanden sich in Pian del Remit, nordwestlich der Kirche, unter einer eisenzeitlichen Kulturschicht neolithische Siedlungs- und Pflugspuren: eine rechteckige Grube mit umgebenden Pfostenlöchern, Feuerstellen, Keramikkonzentrationen sowie ein reichhaltiges Silex- und Bergkristallinventar. Typologisch steht der Fund anderen Komplexen aus dem Tessin (z.B. Arbedo-Castione, Giubiasco) und der Lombardei nahe. Bis zu 5 m lange und sich kreuzende Pflugspuren sind nach neuesten C-14-Analysen (Ergebnis: 2800-1500 v.Chr.) dem Neolithikum und der Frühbronzezeit zuzuweisen. Mehrphasige Trockenmauern in Pian del Remit sind nicht genau datierbar (Eisenzeit bis Neuzeit) und in ihrer Funktion (Gebäudegrundrisse, Terrassierungsmauern, Weidgrenzen) noch nicht näher zu bestimmen.

Vom eisenzeitlichen Gräberfeld sind rund 100 Gräber dokumentiert, wohl kaum die Hälfte des ursprünglichen Umfangs. Nachgewiesen sind gestreckte Skelettbestattungen in Steinkammergräbern, darüber Steinmonumente. Da im säurehaltigen Boden Skelettreste nur in Ausnahmefällen erhalten blieben, sind Geschlecht und Graborientierung nur anhand von Ausstattung bzw. Fundverteilung innerhalb des Grabes möglich. Die beigabenreichen Gräber enthielten pro Bestattung zum Beispiel ein bis zwei Gefässe, verschiedene Fibelformen, bronzenen Ohr- und Armschmuck, Anhänger, Gürtelhaken, Bernstein- und Glasperlen, ferner Bronzesitulen (Gefässe), Holzbecher, Eisenmesser und Schwerter. Bemerkenswert sind unter anderem etruskische Schnabelkannen, darunter ein lokal gefertigtes Exemplar mit einer Inschrift im Alphabet von Sondrio. Innerhalb des Gräberfeldes sind verschiedene Belegungsphasen räumlich zu unterscheiden. Die Dauer der Belegung umfasst die Zeit vom späten Golasecca bis zum Mittellatène (erstes Viertel 5. Jh. bis erste Hälfte 2. Jh. v.Chr.); verschiedene Einzelobjekte deuten einen früheren Belegungsbeginn (6. Jh. v.Chr.) an. Die Gräber der älteren Eisenzeit gehören zum tessinisch-lombardischen Kulturbereich (Golaseccakultur). In den Gräbern der jüngeren Eisenzeit finden sich neben lokalen Formen auch keltische Objekte.

Neuzeit

Castaneda teilte die Geschicke der Calanca und wurde wie die andern Talsiedlungen erst 1851 eine selbstständige Gemeinde. Die 1544 erwähnte Kirche San Salvatore bzw. später Santo Stefano wurde um 1633 barockisiert, 1932-1933 renoviert. Sie war zunächst Filialkirche von Santa Maria in Calanca, ab 1848 Pfarrkirche. Nennenswert ist das Herrschaftshaus (in schlechtem Zustand) des Ritters Giovanni Antonio Gioiero, der in den Bündner Wirren eine Rolle spielte. Seit 1982 steht in Castaneda die Primarschule für das gesamte Calancatal. 1986 errichtete der Migros-Genossenschaftsbund nach dem Willen von Adele Duttweiler, der Witwe Gottlieb Duttweilers, oberhalb von Castaneda die Kurklinik für Komplementärmedizin Al Ronc, die 2001 umfassend erneuert wurde. Von der einst wichtigen Landwirtschaft war 1999 ein Bauernbetrieb übrig geblieben, daneben bestanden einige Bauunternehmen. Im neuen Gemeindehaus wurde 1999 eine permanente Ausstellung zur Urgeschichte in Castaneda eingerichtet.

Quellen und Literatur

  • S. Tamò, Il problema economico della fusione dei comuni di Val Calanca, 1974
  • E. Agustoni, M. Somaini, Guida all'arte del Moesano 1, 1990
  • Archäologie in Graubünden, 1992, 37-42, 103-108
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Patrick Nagy; Cesare Santi: "Castaneda", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.04.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001551/2005-04-20/, konsultiert am 29.03.2024.