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Turbenthal

Politische Gemeinde des Kantons Zürich, Bezirk Winterthur. Die zwischen der Töss und der Grenze zum Kanton Thurgau gelegene Gemeinde umfasst neben Turbenthal die Dörfer Hutzikon, Oberhofen, Neubrunn, Seelmatten und Tablat, mehrere Weiler wie Sitzberg und Ramsberg sowie Einzelhöfe im Tössbergland. 825 Turbatuntale. 1467 ca. 340 Einwohner; 1634 502; 1850 2336; 1900 1952; 1950 2467; 2000 4091.

Alemannische Grabfunde bei Hutzikon aus dem 8./9. Jahrhundert. Im 9. Jahrhundert erlangte das Kloster St. Gallen um seinen Kehlhof in Turbenthal Güter und Rechte, die bis ins Berggebiet bei Ramsberg reichten; es hatte auch die niedere Gerichtsbarkeit inne. Das Hochgericht kam nach dem Tod von Graf Hartmann IV. von Kyburg 1264 an die Grafen von Habsburg. Im 14. Jahrhundert bauten die habsburgischen Dienstleute von Landenberg die Gerichtsherrschaft Turbenthal auf, die nach ihrem Burgsitz oberhalb des Dorfs auch Breitenlandenberg genannt wurde. Im 18. Jahrhundert gingen Teile der Gerichtsherrschaft an Stadtzürcher Familien, so an die Fries, Werdmüller und Wolf. Die Herrschaft umfasste das Berg- und Talgebiet von Turbenthal bis Huggenberg (Gemeinde Hofstetten) im Nordosten sowie bis Wila und Tablat im Süden. Sie kam 1424 bzw. definitiv 1452 mit der Grafschaft Kyburg unter zürcherische Landeshoheit und unterstand bis 1798 dem Oberamt der Landvogtei Kyburg. Hutzikon und Neubrunn gehörten hingegen zur Herrschaft Greifensee und gelangten mit dieser 1402 an die Stadt Zürich. Nach einer Erbteilung liessen die Breitenlandenberger, ein Zweig der von Landenberg, um 1665 in Turbenthal das untere Schloss bauen. Dieses diente ab 1905 als Heim für Hörbehinderte.

Die 1798 geschaffene politische Gemeinde Turbenthal war Teil des Distrikts Elgg, ab 1803 des Bezirks bzw. Oberamts Winterthur. Neben Turbenthal, Hutzikon und Neubrunn entstanden 1822 mit Oberhofen, Seelmatten, Ramsberg, Landenberg, Schmidrüti, Tablat und Steinenbach sieben weitere Zivilgemeinden; Turbenthal und Hutzikon existierten bis 1930, alle anderen bestanden bis 1928.

Die dem heiligen Gallus geweihte Kirche in Turbenthal wird 858 erstmals erwähnt. Die Kollatur besass das Kloster St. Gallen, ab 1495 die Familie von Breitenlandenberg, die sie 1838 an Zürich abtrat. 1466 erfolgte die Abtrennung der Filiale Wila vom weitläufigen Pfarreigebiet. Die Kirche in Turbenthal wurde 1510-1512 mit Unterstützung der Patronatsherren in spätgotischem Stil neu erstellt und der Innenausbau bis 1517 fortgeführt; sie diente bis ins 19. Jahrhundert als Grablege der Landenberger. Die 1383 belegte Marienkapelle neben der Kirche ersetzte 1512 ein Neubau (nach der Reformation profaniert, 1863 abgebrochen). 1934 wurde in Turbenthal die katholische Herz-Jesu-Kirche errichtet; die neu gegründete Pfarrei umfasste neben Turbenthal auch Wila, Wildberg und Zell.

Aussicht vom Girenbad nach Süden ins obere Tösstal bis hin zu den Glarner Alpen. Öl auf Leinwand von Johann Ulrich Schellenberg, um 1780 (Privatsammlung) © Fotografie Kantonale Denkmalpflege Zürich.
Aussicht vom Girenbad nach Süden ins obere Tösstal bis hin zu den Glarner Alpen. Öl auf Leinwand von Johann Ulrich Schellenberg, um 1780 (Privatsammlung) © Fotografie Kantonale Denkmalpflege Zürich. […]

Während der Talboden und das Seitental Richtung Bichelsee schon im 9. Jahrhundert erschlossen waren, förderten die Herren von Landenberg im 14.-16. Jahrhundert die Besiedlung des Hügelgebiets, unter anderem mit dem Hof Girenbad. Im 17. und vor allem 18. Jahrhundert ergänzten textile Heimarbeiten die vorherrschende Landwirtschaft mit Ackerbau und Viehwirtschaft. Das schon früh gewerblich geprägte Turbenthal und Hutzikon wurden ab 1814 durch den Bau von mehreren Baumwollspinnereien industrialisiert. 1831-1833 erfolgte der Bau der Strasse von Winterthur nach Turbenthal, 1837-1838 deren Fortsetzung nach Wila und bis 1876 die Erschliessung der meisten übrigen Gemeindeteile. Ab 1835 verkehrte eine Postkutsche nach Winterthur und Bauma, ab 1856 nach Eschlikon und ab 1865 nach Fehraltorf. 1875 eröffnete die Tösstalbahn zwischen Turbenthal und Hutzikon eine Station. Im Gegensatz zur Hauptsiedlung entvölkerte sich das Hügelgebiet nach dem Zerfall der Baumwoll-Heimindustrie, auch wenn ab ca. 1850 die Seidenweberei und ab ca. 1870 die Handstickerei teilweisen Ersatz boten. Das mit Hutzikon zusammengewachsene Hauptdorf wies im 20. Jahrhundert ein kontinuierliches Bevölkerungswachstum auf und entwickelte sich zu einem regionalen Zentrum mit öffentlichen Einrichtungen, Gewerbe und Industrie. Die im Dorf entstandenen Werkstätten und Betriebe des sogenannten Gehörlosendorfs wurden 1981 in die Stiftung Schloss Turbenthal überführt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts markierte die Produktionseinstellung der beiden grössten Fabriken (Weberei Boller, Winkler AG und Eskimo Textil AG) den Niedergang der Tösstaler Textilindustrie.

Quellen und Literatur

  • H. Kläui, Gesch. der Herrschaft und Gem. Turbenthal, 2 Bde., 1960
  • Kdm ZH 7, 1986, 24-111
  • U. Pfister, Die Zürcher Fabriques, 1992, v.a. 409-411, 444-452
  • H. Blattmann et al., Gem. Turbenthal von 1960 bis 1996, 1997
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Ueli Müller: "Turbenthal", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/000155/2012-11-29/, konsultiert am 29.03.2024.