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Ramosch

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Ramosch, Bezirk Inn, 2013 mit Tschlin zur neuen Gemeinde Valsot fusioniert. Das links des Inns gelegene Dorf umfasste zudem die Fraktion Vnà sowie die Siedlungen Raschvella und Seraplana. 930 in vico Remuscie (Kopie), 1070-1078 Rhemuscie, deutsch Remüs. 1835 681 Einwohner; 1850 621; 1900 558; 1950 565; 2000 440.

Der spätgotische Wandtabernakel im Chor der Kirche St. Florinus aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Fotografie Pascal Werner, Cronica / Fotostiftung Graubünden, Chur).
Der spätgotische Wandtabernakel im Chor der Kirche St. Florinus aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts (Fotografie Pascal Werner, Cronica / Fotostiftung Graubünden, Chur). […]

Auf der Kuppe Mottata (ca. 1,5 km nordöstlich von Ramosch) wurde 1956-1958 eine bedeutende urgeschichtliche Fundstelle mit drei Siedlungshorizonten aus der mittleren und späteren Bronzezeit (Melaunerkultur) sowie der jüngeren Eisenzeit (Fritzens-Sanzeno-Kultur) ausgegraben. Ramosch, das am Kreuzungspunkt der transalpinen Route durchs Fimbertal mit dem Inntalweg liegt, dürfte im Frühmittelalter das wichtigste Engadiner Dorf gewesen sein; hier befand sich im 6. Jahrhundert die erste christliche Kirche des Engadins, Zentrum der Urpfarrei des Unterengadins. Im 7. Jahrhundert wirkte Florin als Pfarrer. Dessen Grab wurde bald Ziel einer intensiven Wallfahrt, die erst mit der Reformation 1530 ein Ende nahm. 930 schenkte König Heinrich I. die Kirche St. Florinus zusammen mit der Kirche von Sent dem Priester Hartpert, dem nachmaligen Bischof von Chur. Dessen Nachfolger Hildibald übertrug Kirche und Grosshof Ramosch dem Domkapitel Chur. Im 12. Jahrhundert sind mehrere Herren von Ramosch als bischöfliche Ministeriale und als Dienstleute der Herren von Tarasp bezeugt, welche in Ramosch einen Hof besassen; 1161 kam dieser ans Kloster Marienberg. Die Burg Ramosch, die vom 16. Jahrhundert an Tschanüff genannt wurde, ist eine ausgedehnte Anlage mit Haupt- und Vorburg, einem Hauptturm (13. Jh.) und einer imposanten westlichen Schildmauer mit Vormauerung. Sie war ein bedeutendes Verwaltungszentrum des Unterengadins und ging von den Herren von Ramosch 1369 an die Vögte von Matsch und nach deren Fehde mit dem Bischof von Chur 1421 an jenen über. Kastellane waren im 15. und 16. Jahrhundert die Planta, Porta und Mohr. 1652 kaufte sich Ramosch zusammen mit dem übrigen Tal von Österreich los. 1780 wurde die Burg aufgegeben. Die gotische Pfarrkirche von 1522 wurde von Bernardo da Poschiavo erbaut und war dessen bedeutendstes Werk. Vor 1851 gehörte die Nachbarschaft Ramosch zum Gericht Ramosch, das mit den weit entfernten Gerichten Stalla (Bivio) und Avers eines der elf Hochgerichte des Gotteshausbunds bildete. 1851 entstand aus dem Gericht der Kreis Ramosch mit Ramosch, Tschlin und Samnaun.

Ramosch galt als Kornkammer des Engadins; der Ackerbau war bis ins 20. Jahrhundert sehr bedeutend und die Ackerterrassen beeindrucken immer noch. Seit dem Mittelalter wurde auch Obstbau betrieben. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stand die Viehwirtschaft im Vordergrund. Auf der Suche nach Weidegebieten expandierte Ramosch im Spätmittelalter über die Bergkämme nach Norden, wovon die Exklave im Fimbertal zeugt. Grossen Einfluss hatte Ramosch auf die Besiedlung des Samnauntals. Dorf und Burg wurden 1499, 1565 und 1622 zerstört, das Dorf brannte 1880 fast vollständig ab, der Wiederaufbau erfolgte im italienischen Stil mit flachen Dächern.

Quellen und Literatur

  • B. Frei, «Die Ausgrabungen auf der Mottata bei Ramosch im Unterengadin», in JbSGUF 1958/59, 35-43
  • I. Müller, «Zur älteren Gesch. des Unterengadins», in BM 1979, 1-24
  • P. Clavadetscher, W. Meyer, Das Burgenbuch von Graubünden, 1984
  • J. Mathieu, Bauern und Bären, 1987
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Paul Eugen Grimm: "Ramosch", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.03.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001526/2017-03-15/, konsultiert am 19.03.2024.