Thusis

Links das alte Dorf Thusis und rechts das nach dem Brand von 1845 neu errichtete Quartier. Fotografie aus dem Studio von Adolphe Braun, um 1860 (Privatsammlung).
Links das alte Dorf Thusis und rechts das nach dem Brand von 1845 neu errichtete Quartier. Fotografie aus dem Studio von Adolphe Braun, um 1860 (Privatsammlung). […]

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Region Viamala, am nördlichen Ausgang der Viamala, beim Zusammenfluss von Hinterrhein (Rhein) und Nolla. Thusis bildet das Zentrum des Hinterrheingebiets und umfasst seit 1875 den Weiler Übernolla und seit 2018 auch Mutten. 1156 Tosana, romanisch Tusaun. 1629 542 Einwohner; 1850 769; 1900 1281; 1950 1616; 2000 2717; 2010 2791; 2018 3217; 2020 3261.

Thusis: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.
Thusis: Situationskarte 2018 (Geodaten: Bundesamt für Statistik, Swisstopo, OpenStreetMap) © 2019 HLS.

Im Gebiet von Thusis wurden römische Münzen gefunden. Ein bischöflicher Grosshof im Bereich Masein-Thusis wird 1156 erwähnt; weitere Grundbesitzer waren das Kloster Cazis, die Thumb von Neuburg und die Freiherren von Rhäzüns. Um 1200 setzte der bischöfliche Vitztum in einem Brückenrodel Vorschriften zu Bau und Unterhalt der Rheinbrücke zwischen Thusis und Sils in Kraft. Die urkundlich nicht erwähnte Burg Ober-Tagstein südwestlich von Thusis dürfte aus der Zeit des ausgehenden 13. Jahrhunderts stammen. Landesherren waren bis 1337 die Vazer, dann die Werdenberger und die Rhäzünser sowie ab 1475 der Bischof von Chur, der 1491 eine Dorfordnung erliess. Kirchlich gehörte Thusis zu St. Johann auf Hohenrätien; die Kapelle Unserer Lieben Frau ist Mitte des 15. Jahrhunderts bezeugt. Ein Neubau erfolgte 1491, die Einrichtung der Pfarrei mit den Filialkirchen St. Albin in Carschenna oberhalb Sils und St. Florin in Masein 1505, die Einführung der Reformation 1525. Bereits Mitte des 16. Jahrhunderts war das Dorf germanisiert. Thusis initiierte 1473 die Verbesserung des Wegs durch die Viamala mit. Die Port (Transportgenossenschaft) besorgte mit Masein den Warenverkehr auf ihrem Abschnitt der Route zum Splügen und zum San Bernardino. Die bündnerischen Strafgerichte von 1573 und 1618/1619 fanden im zentral gelegenen Thusis statt. Im Ort wurden bedeutende Jahr- und Wochenmärkte abgehalten; 1614 werden 40 Handwerksleute, 40 Warenhandlungen, 20 Brotläden (Bäckerei) und 12 Wirtshäuser erwähnt. Der fast städtische Charakter wurde durch die Gründung des Handelshauses Rosenroll in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie durch die Ankunft französischer Refugianten um 1700 noch verstärkt. Die Nachbarschaft Thusis gehörte bis 1851 mit Masein, Cazis und Tartar zur gleichnamigen Gerichtsgemeinde und mit Heinzenberg, Tschappina und Safien zum wiederum gleichnamigen Hochgericht. 1851 wurden die Gerichtsgemeinden Thusis, Heinzenberg und Tschappina zum Kreis Thusis zusammengefasst und dem Bezirk Heinzenberg unterstellt. 2001-2015 war der Kreis Thusis Teil des Bezirks Hinterrhein (ab 2016 Region Viamala). Der Auskauf der letzten bischöflichen Rechte erfolgte 1709. Regelmässig gefährden Ausbrüche des Wildbachs Nolla Teile der Gemeinde; nach 1800 wurde im Überschwemmungsgebiet von Rhein und Nolla zusätzliches Land urbarisiert. Der Bau der Fahrstrasse Richtung Splügen und San Bernardino 1818-1823 brachte Thusis einen markanten Aufschwung, der 1882 mit der Eröffnung der Gotthardbahn sein Ende fand. Nach dem Dorfbrand von 1845 entstand Neu-Thusis im rechten Winkel zum alten Dorfteil entlang der Nolla. Die Schinstrasse (Schin) Richtung Albula und Julier wurde 1868-1869, die innere Heinzenbergstrasse 1900-1901 angelegt. Die Strecke Chur-Thusis der Rhätischen Bahn war 1896, deren Fortführung ins Engadin 1903 fertiggestellt. Ein erstes Elektrizitätswerk stammt von 1898, das Spital von 1912. Die Karbidfabrik bestand 1898-1914. Seit 1950 ist Thusis Verwaltungssitz der Kraftwerke Hinterrhein AG. Die A13 mit dem San-Bernardino-Tunnel (1967) brachte dem Etappenort Thusis einen neuen Verkehrsaufschwung. 2000 waren 90% der Gemeindebevölkerung deutsch-, knapp 5% romanischsprachig.

Quellen und Literatur

  • Poeschel, Erwin: Räzünser Boden, Domleschg, Heinzenberg, Oberhalbstein, Ober- und Unterengadin, 1940, S. 213-222 (Die Kunstdenkmäler des Kantons Graubünden, 3).
  • Clavuot, Otto; Liver, Peter et al.: Heimatbuch Thusis, Viamala, 1973.
  • Vischer, Daniel L.: Die Geschichte des Hochwasserschutzes in der Schweiz. Von den Anfängen bis ins 19. Jahrhundert, 2003, S. 156-161 (Berichte des Bundesamtes für Wasser und Geologie. Serie Wasser, 5).
Weblinks
Weitere Links
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GND
VIAF
Kurzinformationen
Ersterwähnung(en)
1156: Tosana
Endonyme/Exonyme
Thusis (deutsch)
Tusaun (romanisch)

Zitiervorschlag

Jürg Simonett: "Thusis", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.12.2019. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001492/2019-12-12/, konsultiert am 29.03.2024.