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PoschiavoGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Poschiavo, Bezirk Bernina. Die Gemeinde mit ihren zahlreichen Weilern (z.B. Le Prese und San Carlo) liegt in einem weiten Becken im oberen Puschlav und ist dessen Hauptort. 824 in Postclave (Kopie), 1140 de Pusclauio, deutsch früher Puschlav. 1850 2888 Einwohner; 1900 3102; 1950 4034; 2000 3225.

Ausschnitt aus der "Carte des pais reconquis et restitués par le Roy aux 3 Ligues Grises [...]", im Anhang des in Paris publizierten Werks Pratiques sur l'ordre & règle de fortifier [...] les places von Jean Fabre, 1629 (ETH-Bibliothek Zürich, Alte und Seltene Drucke).
Ausschnitt aus der "Carte des pais reconquis et restitués par le Roy aux 3 Ligues Grises [...]", im Anhang des in Paris publizierten Werks Pratiques sur l'ordre & règle de fortifier [...] les places von Jean Fabre, 1629 (ETH-Bibliothek Zürich, Alte und Seltene Drucke). […]

Poschiavo verfügte bereits im 12. Jahrhundert über eigene Organisationsstrukturen und stand wie das ganze Tal vom 12. bis 13. Jahrhundert unter der Herrschaft der Matsch-Venosta, 1350-1406 unter jener der Visconti und gehörte ab 1408 dem Gotteshausbund an. Die ersten Gemeindesatzungen stammen von 1388. 1524 wählten die Talbewohner erstmals selbstständig einen Podestà. Mit der Auflösung der Gerichtsgemeinden 1851 trennte sich die Gemeinde Brusio von Poschiavo.

Die Taufkirche von Poschiavo ist 824 erstmals bezeugt; als Mutterkirche San Vittore wird sie 1286 erwähnt. 1497-1503 wurde sie in gotischem Stil umgebaut, später barockisiert und 1690 in den Rang einer Stiftskirche erhoben. Brusio gehörte ab ca. 1400 zur Pieve Poschiavo, löste sich aber 1501 von der Mutterkirche. Die reformierte Gemeinschaft von Poschiavo, die um 1550 entstand, musste 1623 vor den Verfolgungen fliehen und konnte erst nach dem Schiedsentscheid der Drei Bünde über das Zusammenleben der beiden Konfessionen 1642 zurückkehren und eine Kirche bauen. 1629-1638 wurde ein Ursulinenkloster aufgebaut, das 1684 vom Augustinerorden übernommen wurde. 1824-1825 entstand die reformierte öffentliche Schule, 1830 folgte das katholische Institut Menghini. Die Gemeindeschulen blieben bis 1967 nach Konfessionen getrennt. Die katholische Pfarrei ging 1870 vom Bistum Como zum Bistum Chur über.

Als die Bündner 1512 das Veltlin eroberten, stieg die strategische und wirtschaftliche Bedeutung von Poschiavo durch Handel und Transport. Der Verlust des italienischen Tals im Jahre 1797 schwächte die jahrhundertelang auf Landwirtschaft und Viehzucht beruhende lokale Wirtschaft beträchtlich. Im 19. Jahrhundert eröffnete die Auswanderung neue Einnahmequellen, in der zweiten Jahrhunderthälfte entstand dank den Überweisungen der Auswanderer ein Villenviertel der nach Spanien und Portugal emigrierten Zuckerbäcker und Cafetiers, das sogenannte Spaniolenviertel. Um die Mitte des 19. Jahrhunderts, noch vor der touristischen Blüte, erlebte Poschiavo, dank einer Bierbrauerei (1850/1852-1929) und einer Tabakfabrik (vor 1840 bis 1866) einen bescheidenen industriellen Aufschwung. Ein 1913 eröffnetes Krankenhaus wurde 1927 in der Gegend von San Sisto neu errichtet und 2005 vollständig umgebaut. 1547 entstand mit der Officina Landolfi die erste Druckerei in Graubünden. Im Kultur- und Bildungsbereich bot 1995-2001 das Projekt Poschiavo, fortgeführt im Polo Poschiavo, Weiterbildungsmöglichkeiten an. Zu grossen Überschwemmungen kam es in den Jahren 1566, 1572, 1834 und 1987. Gesamtmelioration 1962-2007.

Quellen und Literatur

  • L. Boschini, Valposchiavo, 2005
  • Il Borgo di Poschiavo, hg. von D. Papacella, 2009
Von der Redaktion ergänzt
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Zitiervorschlag

Arno Lanfranchi: "Poschiavo (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 30.07.2015, übersetzt aus dem Italienischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001433/2015-07-30/, konsultiert am 29.03.2024.