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Savognin

Ehemalige politische Gemeinde des Kantons Graubünden, Kreis Surses, Bezirk Albula, bildet seit 2016 mit Bivio, Cunter, Marmorera, Mulegns, Riom-Parsonz, Salouf, Sur und Tinizong-Rona die neue Gemeinde Surses. Bis ca. 1960 fünf deutlich getrennte Siedlungsgruppen quer zum Flusslauf der Julia: Son Mitgel, Naloz, Sot Curt, Sur Curt und Sur Tocf. 1154 Sueningin, deutsch früher Schweiningen (bis Anfang 20. Jh. in Gebrauch). Der Name Savognin ist eine literarisch gefärbte Italianisierung; die Einheimischen sprechen von Suagnign. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts war Savognin das wirtschaftliche und politische Zentrum des Albulatals. 1643 430 Einwohner; 1710 530; 1802 365; 1850 469; 1900 444; 1950 766; 1960 632; 1970 820; 2000 882.

Bronzezeitliche Siedlung auf dem Padnal (Mot la Cresta)

Unmittelbar südlich des Dorfs Savognin liegt an der Julierstrasse das markante Hügelplateau Padnal. Ein bedeutender bronzezeitlicher Siedlungsplatz wurde 1938 beim Kiesabbau durch Bonifaci Plaz und Walo Burkart entdeckt. Erste Ausgrabungen erfolgten 1953-1956 durch Benedikt Frei, systematische archäologische Untersuchungen 1971-1983 durch den Archäologischen Dienst des Kantons Graubünden unter Jürg Rageth.

Nach einer vorgängigen Brandrodung wurde in der Frühbronzezeit (ca. 2000-1700/1600 v.Chr.) auf dem Hügelplateau in einer natürlichen Geländemulde eine erste Siedlung angelegt. Insgesamt konnte eine Abfolge von mindestens fünf (partiell auch mehr) Siedlungsphasen oder Dörfern nachgewiesen werden, die in der Regel durch Brand abgingen. Der Standort der Siedlung wie auch einzelne Gebäudegrundrisse weisen auf eine lange Kontinuität hin. In der ältesten, frühbronzezeitlichen Siedlung vom Typ der einzeiligen Reihensiedlung standen einfache, kleine Holzhütten auf Pfostenbaubasis, wohl mit Wänden aus Rutengeflecht (Grösse ca. 3 x 5,5 m bis 4,5 x 5,5 m). Aus der Mittelbronzezeit (ca. 1700/1600-1300 v.Chr.) stammen interessante Hausstrukturen mit Herdstellen. Möglicherweise kam der Blockbau (Hüttenlehmfragmente mit Rundholzstrukturen) auf; dem Typ nach handelt es sich um eine dreizeilige Siedlung. Ein Gebäude wies metallurgische Überreste auf (Haus des "Dorfschmieds"?). Eine mächtige Zisternenanlage aus Lärchenholz (Bohlen-Ständer-Konstruktion) in Lehmpackung diente wohl unter anderem der Brandbekämpfung und Entwässerung der Siedlung (Wasserreservoir). In der frühen Spätbronzezeit (ca. 13. Jh. v.Chr.) standen angeordnet nach dem Typ der dreizeiligen Reihensiedlung grosse Langbauten von ca. 20 x 6 m Ausmass, die Wohnraum für mehrere Familieneinheiten boten. Neben den Wohnbauten standen wohl auch Stallungen und ökonomische Bauten. Ab der entwickelten Spätbronzezeit (ab ca. 1000 v.Chr.) veränderten sich Haus- und Siedlungsstrukturen, was auf einen kurzen Siedlungsunterbruch hinweisen könnte. Generell lassen die Siedlungsstrukturen auf eine Art "Baukonzept" und eine gemeinschaftliche Siedlungsorganisation schliessen. Die Ausgrabungen ergaben ein bedeutendes Kulturschichten-Paket von bis zu mehr als 2,5 m Höhe mit reichhaltigem keramischem Fundmaterial, aber auch vielen Bronzegerätschaften, Knochen- und Steinartefakten, Tonobjekten, Bernsteinperlen, osteologischem Fundgut, verkohlten Sämereien, Hüttenlehm, Metallschlacken und Erzproben.

Die Siedlung auf dem Padnal gehört der Inneralpinen Bronzezeit-Kultur an (Verbreitung Graubünden, Südtirol, Alpenrheintal). Die Bewohner waren Bauern, die sich von Ackerbau (Spelzgerste, Nacktgerste, Emmer, Dinkel, Erbsen) und Viehzucht (Rind, Schaf, Ziege, Schwein) ernährten. Jagd und Fischfang spielten keine grosse Rolle mehr. Schlacken- und Erzreste belegen, dass in der Nähe des Padnal während der Bronzezeit sulfidische Kupfererze abgebaut und verhüttet wurden. Gussformen und Tiegelfragmente lassen vermuten, dass das Kupfer in der Siedlung selbst zu Bronzeartefakten weiterverarbeitet wurde. Bernsteinfunde und zahlreiche Keramikreste belegen einen Nord-Süd-Handel über die Alpenpässe. Von der ursprünglichen Siedlung wurde 1971-1983 schätzungsweise ein Drittel bis maximal die Hälfte ergraben. Aufgrund der klaren Siedlungsstruktur lässt sich für das bronzezeitliche Dorf eine Bevölkerungszahl von 40-50 Personen (älteste Siedlung) bis maximal 80-90 Köpfen errechnen.

Römische Zeit bis Anfang des 21. Jahrhunderts

Zweibogige Steinbrücke, die in der Dorfmitte die Julia überquert. Winterliche Landschaft von Hans Beat Wieland, Öl auf Leinwand, 1924 (Fundaziun Capauliana, Chur).
Zweibogige Steinbrücke, die in der Dorfmitte die Julia überquert. Winterliche Landschaft von Hans Beat Wieland, Öl auf Leinwand, 1924 (Fundaziun Capauliana, Chur). […]

Funde aus der Römerzeit stehen wohl im Zusammenhang mit der Septimer- und Julierroute. Der Hof von Savognin gehörte wahrscheinlich zum Stiftungsgut des Klosters Mistail. 1154 wurde er unter Vorbehalt der bischöflichen Rechte an das Kloster St. Luzi in Chur übertragen, fiel 1282 aber wieder an den Bischof, dessen Landvogt im benachbarten Riom sass. 1552 kaufte sich die Gerichtsgemeinde Oberhalbstein mit der Nachbarschaft Savognin los. Das 1370 erwähnte Gotteshaus Savognin Martegn trennte sich 1487 von der Mutterkirche in Riom. Die Seelsorge oblag 1649-1942 den Kapuzinerpatres, die ab 1660 auch ein Hospiz betrieben. Die Pfarrkirche Nossadonna wurde 1643 geweiht, Savognin Mitgel 1663 und Savognin Martegn 1677 erneuert. Viehwirtschaft und Ackerbau waren die Haupterwerbsquellen. Der Bau der Julier-Fahrstrasse 1834-1840 brachte etwas Transit- und Ferientourismus (zwei Hotels um 1870), doch zogen weiterhin viele saisonale Arbeitskräfte ins Engadin. 1942-1946 erfolgte eine Flurmelioration und Güterzusammenlegung im Dorfgebiet. Der Bau von Transportanlagen vor allem für den Skitourismus begann 1962. Der Bauboom hielt bis 1974 an, Bevölkerung und Arbeitsplätze nahmen zu. Als Ferienort bietet Savognin zu Beginn des 21. Jahrhunderts unter anderem Winterbeschäftigung für Landwirte, zahlreiche Saisonniers und Zupendler: 2005 waren 64% der Arbeitsplätze im 3. Sektor angesiedelt. In der Saison 2008/2009 standen rund 5480 Fremdenbetten (inklusive Zweitwohnungen) zur Verfügung (342'233 Übernachtungen). Der romanische Sprachanteil lag 2000 bei 57%.

Quellen und Literatur

Bronzezeitliche Siedlung auf dem Padnal (Mot la Cresta)
  • J. Rageth, «Die bronzezeitl. Siedlung auf dem Padnal bei Savognin», in JbSGUF 59-65, 1976-82
  • J. Rageth, «Die wichtigsten Resultate der Ausgrabungen in der bronzezeitl. Siedlung auf dem Padnal bei Savognin», in JbSGUF 69, 1986, 63-103
Römische Zeit bis Anfang des 21. Jahrhunderts
  • Kdm GR 3, 1940 (19752), 280-296
  • J. Simonett, Savognin, 1988
Weblinks
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Zitiervorschlag

Jürg Rageth; Jürg Simonett: "Savognin", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 09.12.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001429/2016-12-09/, konsultiert am 28.03.2024.