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Buchhaltung

Buchhaltung oder auch Buchführung meint die systematische schriftliche Aufzeichnung von Geschäftstätigkeiten sowohl innerhalb einer Einrichtung oder eines Betriebes als auch nach aussen mit Partnern.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Die Forderungen (linke Seite) und Eingänge (rechte Seite) eines Genfer Tuchhändlers, 1444-1445 (Archives d'Etat de Genève, Commerce F2, Fol. 70v und 71r).
Die Forderungen (linke Seite) und Eingänge (rechte Seite) eines Genfer Tuchhändlers, 1444-1445 (Archives d'Etat de Genève, Commerce F2, Fol. 70v und 71r).

In der kommunalen und klösterlichen Verwaltung ist die Rechnungsführung seit dem 13. Jahrhundert quellenmässig ebenso belegt wie im 14. Jahrhundert die Verpflichtung der Kaufleute und Bankiers zur ordentlichen Buchführung. Die doppelte Buchhaltung taucht im städtischen Rechnungswesen in der ersten Hälfte des 15., im klösterlichen im frühen 16. Jahrhundert auf. Charakteristisch für sie ist einerseits die Führung von getrennten Kapital- und Ertragskonten bzw. -büchern und andererseits die Verbuchung von Soll- und Habenposten in zwei Kolonnen bzw. auf zwei gegenüberliegenden Seiten. In den städtischen und klösterlichen Rechnungsbüchern ist sie an der sich im 15. Jahrhundert stark ausdifferenzierenden inneren Struktur erkennbar. Um die Jahrhundertwende werden zuerst die konsequente zweiteilige Rechnung und die jährliche Gesamtrechnung langsam üblich, bevor im 16. Jahrhundert allmählich auch die Doppelkolonnen in den Büchern aufscheinen. Im kaufmännischen Bereich hält die doppelte Buchhaltung ebenfalls bereits im 15. Jahrhundert Einzug, wie zum Beispiel das aus den Jahren 1444-1445 überlieferte Debitorenbuch eines anonymen Genfer Handelshauses belegt.

Der Ausbau des Rechnungswesens und damit der Buchhaltung erfolgte meist im Sog einer allgemeinen Verwaltungsreform, welche zum Beispiel nach einer territorialen Erweiterung und der Schaffung neuer Verwaltungseinheiten nötig werden konnte. Mitunter führte auch eine starke Zunahme des Zahlungsverkehrs zu der Aufteilung eines Kontos bzw. Rechnungsbuchs in mehrere andere. Das territorialstaatliche Rechnungswesen war bis ins ausgehende 18. Jahrhundert wegen seiner vielen Bücher wie zum Beispiel Brettkonti, Böspfennig-, Umgeld-, Ämter-, Vogtei-, Bussen-, Zins-, Bau-, Zeughaus-, Allmend-, Strassen-, Schiffbau-, Kornhaus-, Debitoren-, Restanzen-, Wocheneinnahmen- und Wochenausgabenbüchern, Kerbbüchlein, Fronfasten-, Jahr-, Stadt-, Standes-, Gegenbüchern und Journalen überaus komplex, sodass eine Kontrolle der Rechnungsführung und Jahresbilanzen unumgänglich war. Zu dem drei- bis zwanzigköpfigen Aufsichtsgremium gehörten meist die Altsäckelmeister, Altbürgermeister bzw. Altschultheiss, Venner und weitere Kleinräte; man bezeichnete es je nach Ort als Stadtrechner, Rechenherren, Siebner-, Dreierherren oder gar Vennerkammer. Die Schweizer Handelshäuser ihrerseits hatten bis ins 18. Jahrhundert ebenfalls eine durchstrukturierte Buchführung mit diversen Aufwand-, Ertrags- und Bilanzkonten entwickelt. Zu den wesentlichen Bilanzposten zählten Bargeld, Wechsel, Debitoren, Waren, Kapitalanlagen und Beteiligungen, Mobilien und Immobilien auf der Seite der Aktiven, sowie Kreditoren, Wechsel, Kommissionswaren, Beteiligungen Dritter und Eigenkapital auf der Seite der Passiven.

19. und 20. Jahrhundert

Der bescheidene Forschungsstand erschwert systematische Aussagen über die Entwicklung der Buchhaltung im 19. Jahrhundert. Das Thema wird in den Firmengeschichten meist übergangen, spezialisierte Untersuchungen existieren nicht. Besser steht es für das 20. Jahrhundert, in dem die Buchhaltung parallel zur aufstrebenden Betriebswirtschaftslehre eine dynamische Entwicklung durchmachte (Wirtschaftswissenschaften). Diese war stets stark von den Nachbarländern beeinflusst, in der deutschsprachigen Schweiz von Deutschland, in der Westschweiz von Frankreich, nach 1945 auch von den USA.

Im 19. Jahrhundert blieb die Buchhaltung ein konservatives, auf die Vorgänge der Vergangenheit bezogenes Instrument, um die Bewegungen von Geld, Gütern und Leistungen festzuhalten. Die oft überschätzte doppelte Buchhaltung prüfte lediglich die formelle Korrektheit der Rechnung. In der Staatsrechnung des Kantons Bern zum Beispiel fand sie erst ab 1835 Eingang. Nach 1800 übernahm die doppelte Buchhaltung vielfach die sogenannte amerikanische Form, welche verschiedene Konten der Übersicht halber in einem Journal-Hauptbuch vereinte. Diese Form der Buchhaltung fand im Lauf des 19. und im frühen 20. Jahrhundert weite Verbreitung in Praxis und Unterricht.

Das buchhalterische Wissen wurde in der betrieblichen Berufslehre weitergegeben (Berufsbildung); es war stark traditionsgebunden. Die der doppelten Buchhaltung ohnehin immanente Pedanterie und das Streben nach formeller Korrektheit prägten das Berufsbild. Die wenigen Schulen, die kaufmännisches Wissen vermittelten, waren einer kleinen Elite der Kaufmannssöhne vorbehalten. Erst nach 1860 entstanden Angestelltenorganisationen wie der Schweizerische Kaufmännische Verband (SKV), welche Ausbildungskurse anboten. Die Buchhaltung hatte dort, neben den Fremdsprachen, zunächst nur einen geringen Stellenwert, nur langsam stieg ihre Bedeutung. Mehr Zeit beanspruchte die Schulung des kaufmännischen Rechnens. Erst ab ca. 1920 – die mathematischen Kenntnisse, welche die Schulabgänger mitbrachten, waren inzwischen gestiegen – wurde das Übergewicht des Rechnens in der beruflichen Ausbildung abgebaut und mehr Zeit in die Schulung spezifischer buchhalterischer Fähigkeiten investiert.

In der Textilindustrie strebten einzelne Unternehmer ab den 1830er Jahren eine präzisere Kosten- und Gewinnrechnung an; die Kalkulation komplexer Produkte überforderte aber zunächst noch die angewandten Methoden. Neue Rechtsnormen, die immer ausgedehnteren Handels- und Austauschbeziehungen sowie neue Formen der Unternehmensorganisation führten erst ab ca. 1880 zu einer Weiterentwicklung des betrieblichen Rechnungswesens. 1881 löste das erste schweizerische Obligationenrecht (OR) existierende ältere kantonale Regelungen (Neuenburg 1833, Luzern 1839, Basel-Stadt 1847, Zürich 1855 usw.) ab und schrieb erstmals landesweit ein Mindestmass geordneter Buchführung für alle im Handelsregister eingetragenen Firmen vor. Spätere Revisionen des OR (1911, 1936, 1975) erweiterten die Dokumentationspflicht. Mit den ständig weitläufiger werdenden wirtschaftlichen Beziehungen, den zunehmenden Betriebsgrössen und der Fabrikation immer komplexerer Produkte stieg auch der betriebsinterne Informationsbedarf. Die Buchhaltung wurde nun auch arbeitsteilig organisiert und in Sparten wie zum Beispiel Betriebs-, Lohn- und Materialbuchhaltung aufgegliedert. Ausserdem wurde sie wie die übrigen Bereiche der wachsenden Büroabteilungen schliesslich selbst zum Kostenfaktor (Büro, Bürokratisierung).

In der Wachstumsphase ab 1894 mangelte es an qualifiziertem Personal, und auch die begrenzte Kontenzahl in den grossen Folianten wurde allmählich zum Entwicklungshemmnis. Erst ca. 1905 setzte ein Entwicklungsschub ein, der zu zahlreichen Neuerungen führte. Diese waren nicht auf Industrie und Handel beschränkt; das von Ernst Laur ausgearbeitete und vom Schweizerischen Bauernverband seit 1901 propagierte Buchungssystem für bäuerliche Betriebe zum Beispiel trug buchhalterisches Denken in bis dahin wenig damit vertraute Schichten. Von revolutionärer Konsequenz war die ca. 1905 beginnende Verwendung von Karteien und Loseblattsystemen, welche die gebundenen Bücher ersetzten. Da das schweizerische OR (anders als das deutsche oder das französische Recht) kaum technische Vorschriften über die Art der zu führenden Bücher oder Aufzeichnungssysteme enthielt, standen der Entwicklung keine rechtlichen Schranken im Weg. Grössere Unternehmen griffen die Neuerungen zuerst auf. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte Durchschreibesysteme bauten auf dem Einzelblattsystem auf und bereiteten den Weg für die im Zuge der Rationalisierungsbewegung einsetzende Maschinisierung der Buchhaltung. 1935 ergab eine Umfrage über die Verbreitung buchhalterischer Systeme im Kanton Zürich, dass auch die meisten mittleren und kleinen Firmen auf allerdings mehrheitlich noch von Hand betriebene Durchschreibesysteme umgestellt hatten. Nur noch etwa 20% der Buchhaltungsarbeit erfolgten im Übertragungssystem. Mit der konjunkturellen Erholung ab 1936 hielten in einzelnen Firmen neue Konzepte und Begriffe (Budget) Einzug, die in der Buchhaltung vor allem ein auf die Zukunft bezogenes Planungsinstrument des Managements sahen. Indes setzte diese Tendenz sich erst nach 1945 unter starkem amerikanischen Einfluss breit durch.

Rationalisierung und Verwissenschaftlichung änderten das traditionelle Berufsbild, den Unterricht und die Praxis. Aus dem pedantischen Zahlenfuchs wurde allmählich ein Fachmann. Bereits von 1909 an führte der SKV Fachprüfungen für Buchhalter durch, die ab ca. 1925 wachsenden Zulauf hatten. Das Berufsbildungsgesetz von 1930 brachte die eidgenössische Anerkennung dieser praxisnahen, berufsbegleitend zu absolvierenden Ausbildung, sodass seither die eidgenössischen diplomierten Buchhalter (neben den Revisoren) zu wichtigen Fachleuten des Rechnungswesens wurden. Spezialisierung und Weiterbildung erwiesen sich aber auch als wirksame Instrumente, um die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung in der Buchhaltung aufrecht zu halten. Die Spitzenfachleute blieben bis heute mehrheitlich Männer, während in den untergeordneten Positionen seit 1945 immer mehr Frauen beschäftigt werden. Einflüsse auf das berufliche Anforderungsprofil gingen von den Berufsverbänden (Revisorenvereinigung 1913; Buchhaltervereinigung im SKV 1936), dem Staat (OR, Berufsbildung), den handels- und betriebswirtschaftlichen Abteilungen der Hochschulen wie auch von anderen Wirtschaftsverbänden aus. In Deutschland hatte Eugen Schmalenbach seit den 1920er Jahren die Entwicklung einheitlicher Kontenpläne (Musterpläne übersichtlich angeordneter Kontengruppen) und Kontenrahmen (verbandlich oder staatlich empfohlene bzw. vorgeschriebene Systeme) propagiert, um die Kostenrechnung wie den zwischenbetrieblichen Vergleich zu erleichtern. Das nationalsozialistische Regime erklärte diese 1937 für obligatorisch. In der Schweiz war ein staatliches Diktat ausgeschlossen; indes fanden die neuen Konzepte rasch Beachtung. Die Konsumgenossenschaften (VSK) gaben sich 1940-1943 einen Kontenrahmen. 1947 arbeitete Karl Käfer im Auftrag des Gewerbeverbandes einen solchen für Gewerbe, Industrie und Handel aus. Diverse Branchen folgten.

Die Tendenz zu immer grösseren internationalen Konzernen, die Entwicklung des Aktienrechts und die europäische Einigung liessen neuerdings Forderungen nach einer grenzüberschreitenden Vereinheitlichung der Buchhaltungssysteme laut werden. Noch immer nimmt auch der Einfluss der technischen Entwicklung auf die buchhalterische Tätigkeit zu, in der in den 1960er Jahren der Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung begonnen hat. Seit den 1980er Jahren, in denen die Kleincomputer erschwinglich wurden, werden Buchhaltungsprogramme auch in kleineren Firmen eingesetzt.

Quellen und Literatur

  • Büro und Verkauf 1, 1931/32-
  • J.-F. Bergier, Genève et l'économie européenne de la Renaissance, 1963, 268 f.
  • H.C. Peyer, Von Handel und Bank im alten Zürich, 1968
  • M. Körner, Luzerner Staatsfinanzen 1415-1798, 1981, 17-43
  • E. Bossard, Die kaufmänn. Buchführung, 1984
  • A. Vettori, Finanzhaushalt und Wirtschaftsverwaltung Basels (1689-1798), 1984
  • M. König et al., Warten und Aufrücken, 1985
  • R. Jaun, Management und Arbeiterschaft, 1986
  • P. Dudzik, Innovation und Investition, 1987
  • M. Körner, «Kawerschen, Lombarden und die Anfänge des Kreditwesens in Luzern», in Fs. Wolfgang von Stromer, Bd. 1, 1987, 245-268
  • M. König, «Diplome, Experten und Angestellte», in Fs. Rudolf Braun, 1990, 75-97
  • C. Köppel, Von der Äbtissin zu den gnädigen Herren, 1991, 29-68
  • P. Fierz, Eine Basler Handelsfirma im ausgehenden 18. und zu Beginn des 19. Jh., 1994
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Körner; Mario König: "Buchhaltung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 26.08.2004. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014186/2004-08-26/, konsultiert am 16.04.2024.