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Kantonalbanken

Die Kantonalbanken stellen einen charakteristischen Bestandteil des schweizerischen Bankensytems dar (Banken). Gemeinsames Merkmal der Kantonalbanken sind der staatliche Charakter und die geografische Beschränkung auf das jeweilige Kantonsgebiet. Die einzelnen Institute unterscheiden sich aber infolge der Vielfältigkeit der politischen Strukturen in Ursprung, Grösse, Aktivität und Rechtsform voneinander. Sie sind auf Grund der kantonalen gesetzlichen Vorgaben unterschiedlich organisiert; der staatliche Einfluss äussert sich in der Definition der sozioökonomischen Ziele im Hinblick auf das Gemeinwohl, in der Kapitalbildung, in der Haftungsgarantie, in der Ernennung der leitenden Gremien, in der Partizipation am Ertrag und in der Beteiligung an der Aufsicht.

Eng miteinander verknüpfte politische und wirtschaftliche Faktoren führten im Verlauf des 19. Jahrhunderts in zwei aufeinanderfolgenden Wellen zur Gründung der Kantonalbanken. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der Monetarisierung wuchs die Nachfrage nach Krediten und Zahlungsmitteln, welche die bestehenden Banken, Privatbanken und Sparkassen nicht mehr decken konnten. Der Staat war gefordert, wettbewerbsfähige Bankinstitute einzurichten, um die Lage auf dem Kreditmarkt zu verbessern und der ganzen Bevölkerung, namentlich den Mittelschichten und den Bauern, den Zugang zu diesem zu erleichtern. Nachdem die Kantonalbank von Bern schon 1834 errichtet worden war, entstanden während der ersten Gründungswelle in den 1840er und 1850er Jahren acht gemischtwirtschaftliche Banken in der Form von Aktiengesellschaften mit Staatsbeteiligung (1845 Waadt, 1850 Freiburg und Luzern, 1854 Neuenburg, 1855 Aargau, 1856 Wallis, 1857 Solothurn, 1858 Tessin) sowie mehrere staatliche Hypothekarkassen (1846 Bern, 1847 Genf, 1858 Waadt). Mit diesen Gründungen suchten die Liberalen bzw. später die Radikalen, die nun die erste Macht im Staat verkörperten, sich endgültig von der Finanzaristokratie des Ancien Régime zu lösen und dadurch die eigene Vorrangstellung zu festigen. Mit Ausnahme der beiden Berner Institute wurden die ersten Banken nach dem gemischtwirtschaftlichen Modell eingerichtet; die Beteiligung privater Aktionäre schien sowohl für die Kapitalbildung als auch für die Entwicklung der Beziehungen zur Geschäftswelt notwendig. Die Aufgabenteilung zwischen Kantonalbanken und Hypothekarkassen bestimmte von Anfang an den im Wesentlichen kommerziellen Charakter der Waadtländer und Berner Institute.

Die zweite Gründungswelle der Kantonalbanken dauerte von Mitte der 1860er bis in die 1880er Jahre (1864 Basel-Landschaft, 1867 St. Gallen, 1870 Zürich, Thurgau und Graubünden, 1875 Appenzell Ausserrhoden, 1879 Nidwalden und Schwyz, 1882 Schaffhausen, 1884 Glarus, 1885 Obwalden). Die neuen Gründungen, alles Staatsbanken, gingen auf die Demokratische Bewegung zurück und waren durch Verfassungsrevisionen und Volksabstimmungen legitimiert. Sie zeugen von einem neuen Staatsverständnis und sind als Reaktion auf das neue Handelsbürgertum zu verstehen. Vom selben Zeitraum an wurden die gemischtwirtschaftlichen Kantonalbanken mit Ausnahme derjenigen des Kantons Waadt in Staatsbanken umgewandelt oder durch neue Staatsbanken ersetzt (1883 Neuenburg, 1886 Solothurn, 1892 Luzern und Freiburg, 1912 Aargau, 1915 Tessin, 1916 Wallis) – eine Folge des zu Tage getretenen Zielkonflikts zwischen den Interessen der auf Gewinnorientierung bedachten Privataktionäre und des Staates, der das Gemeinwohl im Auge hatte. Nachdem auch in Zug (1891), Basel-Stadt, Appenzell Innerrhoden (beide 1899) und Uri (1915) Kantonalbanken gegründet worden waren, verfügten fast alle Kantone über mindestens ein staatliches Bankinstitut; einzig in Genf besass die Hypothekarkasse keine Staatsgarantie.

Werbeplakat für die Kantonalbanken, gestaltet von der Agentur Rudolf Farner, 1985 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für die Kantonalbanken, gestaltet von der Agentur Rudolf Farner, 1985 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Zu den wesentlichen Aufgaben der Kantonalbanken zählten die Unterstützung der kantonalen Wirtschaft – insbesondere des Kleinhandels, des Handwerks und des Gewerbes – mit günstigen Krediten, die Organisation des Hypothekarmarkts (Hypothek), die Förderung der Spartätigkeit durch das Angebot sicherer Anlagen sowie die Erhöhung des Geldumlaufs durch die Ausgabe von Banknoten. Die Verbesserung des Bodenkredits und die Stabilisierung der Hypothekarzinssätze waren in den meisten Kantonen zentrale Forderungen. Während der zweiten Gründungswelle spielte zudem das Motiv, der Kantonskasse neue Einnahmen zu erschliessen, eine bedeutende Rolle. Die Aktivitäten der Kantonalbanken folgten dem allgemeinen Trend des schweizerischen Bankensystems zur Universalbank. Je nach Wirtschafts- und Bankenstruktur des Kantons standen das Spargeschäft, der Hypothekarkredit oder die Handelsgeschäfte im Vordergrund. Die Annahme von Spareinlagen stellte eine der Haupttätigkeiten der Kantonalbanken dar; sie wurde durch die vom 19. Jahrhundert an bestehenden Filialnetze vereinfacht und durch die Sicherheit von Depositen mit Staatsgarantie gefördert. Der Anteil der von den Kantonalbanken verwalteten Spargeldern stieg von einem Drittel sämtlicher Spareinlagen vor dem Ersten Weltkrieg auf die Hälfte in den 1940er und 1950er Jahren und fiel dann bis 1970 wieder auf 45% und bis 1999 auf 34% ab. Im Hypothekargeschäft gehörten die Kantonalbanken zur Spitzengruppe: 1938 zum Beispiel kontrollierten sie 56% der Hypothekardarlehen der Banken (der Anteil der Kantonalbanken an der gesamten Bankenbilanzsumme betrug 40%). Nach dem Zweiten Weltkrieg verringerte sich ihr Anteil auf 50% 1960, 45% 1975 und 36% 1999. Kredite für Wohnraum, Betriebseinrichtungen und agrarisch genutzte Böden stellten den grössten Teil der Darlehen dar, aber es wurden auch Hypothekarkredite für Industrie- und Hotelbauten vergeben. Ökonomisch von besonderer Bedeutung war (und bleibt) die stabilisierende Wirkung der Kantonalbanken auf die Hypothekarzinssätze. Im Bereich des Handels und der Industrie erlangten sie dagegen – mit Ausnahme der Kantonalbanken von Bern und der Waadt sowie in geringerem Masse derjenigen von Neuenburg, St. Gallen, Basel und Zürich – meist nicht dasselbe Gewicht. Obwohl die Kantonalbanken über vertiefte Kenntnisse der regionalen Unternehmen verfügten, missachteten sie gelegentlich die Vorsichtsregeln. Politische Einflussnahme und die Notwendigkeit, in Krisenzeiten gleichzeitig die regionale Wirtschaft und die Staatsfinanzen zu stützen, machten in den 1930er (Neuenburg, Bern) und 1940er Jahren (Graubünden) schmerzhafte Sanierungen unumgänglich. Die Kantonalbanken waren die grossen Kreditgeber und Vermittler öffentlicher Anleihen für die Städte, Gemeinden, Kantone und den Bund. Bis zur Gründung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 1907 fungierten die meisten Kantonalbanken auch als Notenbanken und nahmen nach der Verabschiedung des Bundesgesetzes von 1881 in diesem Bereich eine dominante Stellung ein. Den Einnahmenausfall aus dieser Tätigkeit kompensierten die Kantone durch ihre Teilhabe am Aktienkapital und an den Erträgen der SNB. Nach der Auflösung des Konkordats der Notenbanken wurde 1907 der Verband Schweizerischer Kantonalbanken gegründet. Dieser schloss mit dem Kartell schweizerischer Banken 1911 ein Abkommen über die Aufteilung des Anleihemarktes des Bundes und der öffentlich-rechtlichen Körperschaften.

Die Kantonalbanken entwickelten sich von 1945 bis Ende der 1980er Jahre, ohne ihre Struktur wesentlich zu ändern. 1978 gründete der neu entstandene Kanton Jura die Banque Cantonale du Jura. Die Wirtschaftskrise und der Zusammenbruch des Immobilienmarkts zu Beginn der 1990er Jahre trafen die Kantonalbanken schwer und gefährdeten in einigen Fällen deren Existenz (1992 Bern, 2000 Genf). Der allgemeine Restrukturierungs- und Konzentrationsprozess im Bankensektor führte zu Fusionen (die Banque cantonale vaudoise mit der Crédit foncier vaudois, die Kantonalbank von Bern mit der Hypothekarkasse des Kantons Bern, die Caisse d'épargne mit der Caisse hypothécaire de Genève), Teilprivatisierungen oder gar zur Auflösung einzelner Kantonalbanken (Solothurn, Appenzell Ausserrhoden). Deren Zahl sank von 29 im Jahr 1990 auf 24 im Jahr 1999, wobei damals 16 reine Staatsbanken (Aargau, Appenzell Innerrhoden, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Freiburg, Glarus, Graubünden, Neuenburg, Nidwalden, Obwalden, Schaffhausen, Schwyz, Thurgau, Tessin, Uri, Zürich) und 8 gemischtwirtschaftliche Einrichtungen (Bern, Genf, Jura, Luzern, St. Gallen, Waadt, Wallis, Zug) waren. Während der Anteil der Kantonalbanken an der Bilanzsumme aller Banken 1990 noch 20% betrug, fiel er 1999 auf 13%. Die Heterogenität der Kantonalbanken äussert sich vor allem in der Grösse der einzelnen Institute. Die Zürcher Kantonalbank – mit einer Bilanzsumme von 86 Mrd. Franken im Jahr 2005 das bedeutendste Institut – ist rund fünfzigmal grösser als die kleinen Kantonalbanken, die mit lokalen Banken zu vergleichen sind. In den 2000er Jahren vergaben einige Kantonalbanken auch Hypothekarkredite in Nachbarkantonen; die Berner Kantonalbank führte 2007 knapp 20 Money-net-Filialen in anderen Kantonen, die neben Hypotheken auch Spar- und Anlageprodukte offerierten.

Quellen und Literatur

  • W. Egger, Kantonalbank von Bern, 1934
  • R. Oertli, Les banques cantonales suisses, 1941
  • D. Hiler, CEG Genève, Caisse d'Epargne de la République et Canton de Genève, 1816-1991, 1991
  • 125 Jahre Zürcher Kantonalbank, 1995
  • Der Verband Schweiz. Kantonalbanken 1907-2007, 2007
Weblinks

Zitiervorschlag

Yves Froidevaux: "Kantonalbanken", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 08.04.2015, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/014065/2015-04-08/, konsultiert am 29.03.2024.