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Färberei

Bleicherei

Färberei bezeichnet sowohl die Verfahren, mit denen Textilien (Garn, Strangen, Gewebe, Strickwaren usw.) eine bestimmte Farbe gegeben wird, als auch den zum Färben erforderlichen Betrieb. Bis um 1800 gehörten Färbereien zu den konzessionspflichtigen, besonders privilegierten Ehaften. Mit der expandierenden Textilindustrie des 19. Jahrhunderts blühte auch die Textilveredlung; Färbereien und Bleichereien gingen vom Handwerks- zum Fabrikbetrieb über. Die Krise der Textilindustrie in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts schadete auch der Färberei.

Verfahren und Farben

Die Färberei ist seit dem Altertum bekannt. Gewisse Fasern (Wolle, Seide) nehmen bestimmte Farben direkt auf, andere Fasern müssen vorbereitet werden und können zum Beispiel erst nach Beizen durch chemische Reaktion in oder auf dem Textil gefärbt werden; viele Farbtöne entstehen erst durch Überfärben. Die unterschiedlichen Färbetechniken, die eine grosse Sachkenntnis verlangten, wurden bereits im Mittelalter in Rezeptbüchern aufgezeichnet. In Textilzentren etablierten sich auf besondere Färbeverfahren spezialisierte Berufe wie Schwarz-, Kunst-, Schön- und Seidenfärber.

Der Färber. Holzschnitt aus dem Ständebuch von Jost Ammann, 1568 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
Der Färber. Holzschnitt aus dem Ständebuch von Jost Ammann, 1568 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).

Bis zur Entdeckung der synthetischen Farbstoffe (ab 1856) verwendete man pflanzliche und tierische Naturfarbstoffe (Gewerbepflanzen). Die meisten gelangten als Handelsgut aus ausländischen Anbaugebieten (z.B. Waid aus Thüringen) in die heutige Schweiz, so Krapp und Kermes (Rot), Waid (Blau), Safran und Saflor (Gelb), Galläpfel (Schwarz). Als Beizmittel verwendete man unter anderem Aschen- und Kalklaugen, Alaun und Urin. Der Überseehandel machte Farbstoffe seit dem 15. Jahrhundert leichter verfügbar (z.B. Indigo) und brachte neue Farbstoffe, vor allem Hölzer (Brasil-, Blau-, Campecheholz). Im Mittelalter waren Schwarz und Blau, in der Frühneuzeit Scharlachrot, im 18. Jahrhundert Blau und Türkischrot beliebt. Lange genoss aber gebleichte Ware Vorrang vor gefärbter: In St. Gallen, Zentrum des Leinwandgewerbes, veredelte man schöne Leinwand durch Bleichen, Walken und Mangeln und färbte nur qualitativ minderwertige. Die lange Bleichzeit der Rasen- oder Ozonbleiche und der Trend zur Stoffdruckerei (Zeugdruck) begünstigten seit dem 17. Jahrhundert die Färberei

Der Färbereibetrieb

Den verschienenen Arbeitsgängen wie Waschen, Beizen, Färben, Spülen, Auswringen und Trocknen entsprechend bestand die Einrichtung einer Färberei aus Bottichen für die Farbbrühe (Flotte), einem Feuerherd zur Erhitzung von Wasser oder Flotte und Hängevorrichtungen zum Trocknen des Färbgutes. Strangen und Gewebe hängte man an Holzstöcken in die Brühe, oder aber spannte sie auf Kurbeln und zog sie durch die Brühe. Färbereien benötigten viel Wasser und Brennholz; da sie Gewässer verschmutzten, wurden sie am Stadtrand oder in Vororten angesiedelt. Bleichereien mit viel Platzbedarf zum Ausbreiten der Rohleinwand lagen ausserhalb der Städte (in Luzern z.B. Bleichereien in Kriens). Von Bleichereien zeugen die Flurnamen Bleiche und Bleichi.

Bild aus einer Reihe von Darstellungen der St. Galler Textilindustrie, um 1680 (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf).
Bild aus einer Reihe von Darstellungen der St. Galler Textilindustrie, um 1680 (Historisches und Völkerkundemuseum St. Gallen; Fotografie A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Kennzeichnend für die Färberei war ihre zum Teil auch betriebliche Bindung an das Textilgewerbe. So gab es in der heutigen Schweiz Färbereien zwar in allen Städten und Marktflecken, doch nur in Textilzentren wie im spätmittelalterlichen Freiburg (Wollgewerbe), in St. Gallen und Wil (Leinwand), seit dem 16. und 17. Jahrhundert in Lugano (Wollweberei), Genf und Zürich (Seidenweberei) gelangten sie zu Bedeutung.

Neben selbstständigen Färbern mit Ehaften, die im Auftrag von Webern und Kaufleuten einheimische oder importierte Ware färbten, gab es Weber und Tuchscherer (Kardierer), auch Kaufleute, die nebenher selbst oder mit Hilfe von Lohnfärbern färbten. Fehlende Arbeitsteilung führte zu Kämpfen um das Färbereimonopol: In Basel stritten sich Färber und Tuchscherer (1504); in Luzern behielten Leinen- und Wollweber (1678, 1739), in Zürich Wollweber das Recht (1702), eigene Ware zu färben. In Basel griffen umgekehrt Färber in die Garnproduktion ein und liessen verlagsweise spinnen, was zu färben war (16. Jh.); in St. Gallen trieben sie nebenher Samthandel (1673).

Bleiche, Walke und Mangel waren je nach Ort Nebenbetriebe der Färberei (z.B. Zürich 1580 Färben und Mangeln als ein einziges Handwerk) oder selbstständige Betriebe im Besitz Privater (Luzern), einer Stadt (St. Gallen, Basel) oder des Landesherrn (in Rorschach des St. Galler Fürstabts).

Zünftige Organisation, Betriebsmonopol und sozialer Rang der Färber

Die Färber gehörten zu den spätorganisierten Berufen ohne selbstständige Zünfte, doch mit einflussreichen Meisterschaften (Untergruppen innerhalb von Zünften). Erfolglos machte die Weberzunft in Basel 1599 Zunftzwang geltend; den Färbern war freigestellt, welcher der vier textilen Zünfte (zwei Handels-, zwei Handwerkerzünfte) sie beitreten wollten. In Zürich galt die Färberei als sogenanntes freies Handwerk ohne Zunftzwang (1674); Färbern stand jede Zunft, auch die Konstaffel, offen. In St. Gallen und Luzern schlossen sie sich der Schneiderzunft an. Die Handwerksordnung der Färber schrieb Lehre, Wanderschaft und Geschenk (Zehrpfennig an die Wandergesellen), nicht aber ein Meisterstück vor. Die Qualitätskontrolle (Farbschau) mit Schadenshaftung war streng und Sache der Meisterschaft (z.B. Luzern) oder städtischer Beamter (Textilstadt St. Gallen).

Schon im Spätmittelalter gab es auch grosse Betriebe mit mehreren Gesellen. Seit dem 16. Jahrhundert bauten Färber und Bleicher ihre Monopolstellung als sogenanntes bürgerliches Handwerk aus; konzessionierte Betriebe sollten auf Städte und Marktflecken beschränkt bleiben. Um diese galten Bannmeilen mit Berufsverbot; ländliche Stümper wurden von den Meistern handgreiflich bekämpft. Aufgrund der wachsenden Nachfrage eröffneten einzelne Färber und Bleicher auf dem Land Annahmestellen, eine in der Gewerbepolitik des Ancien Régime ungewöhnliche Erscheinung. Wohl verlangte die Färberei ein hohes Start- und Betriebskapital, doch sicherte der Schutz vor Konkurrenz ein gutes Einkommen. Färber wie Bleicher zählten daher mehrheitlich zu den gut situierten Berufsleuten.

Färberei und Bleicherei nach 1800

Nach 1800 nahm die Färberei im Schlepptau der schweizerischen Textilindustrie, teils in Verbindung mit der Stoffdruckerei, vor allem in den Kantonen Glarus, Zürich und Thurgau einen enormen Aufschwung und ging teilweise zum Fabrikbetrieb über. 1843 gab es im Kanton Zürich 19 Betriebe, darunter zwei Fabriken mit 426 bzw. 150 Beschäftigten; im Kanton Glarus galt die Färberei zusammen mit der Stoffdruckerei als bedeutendster Industriezweig (1837 17 Fabriken mit 2976 Arbeitnehmern). Zahlreiche neue Garn-Färbereien arbeiteten für die blühende Buntweberei. 1843 zählte man im Kanton St. Gallen 40-45 Färbereien, im Thurgau 37, in Zürich 14 und im Aargau 11.

Nach 1850 revolutionierten neue Methoden wie Baumwoll-Mercerisation, Seidenbeschwerung, Hochveredlung und Kunstfaserveredlung (Kunstfaserindustrie), vor allem aber die synthetischen Farbstoffe und die chemische Schnellbleiche die Textilveredlung (Chemische Industrie). Färbe- und Bleichprozesse wurden dabei wesentlich verkürzt, die Qualität und Farbechtheit verbessert. Mit der Mechanisierung entwickelten sich Färberei und Bleicherei zur Veredlungsindustrie, die eigenständig im Werkvertragsverhältnis arbeitete (Lohnveredler) oder als Annexbetrieb einer Textilfabrik oder einer Fabrik für Strohflechterei angegliedert war (Betriebsveredler). Als sogenannte Bereitschaftsindustrien waren Färberei wie Bleicherei in hohem Grad konjunkturempfindlich und unmittelbar den enormen Schwankungen der Textilindustrie ausgesetzt. Bestanden zum Beispiel 1929 noch 178 Betriebe mit 14'476 Beschäftigen, waren es 1939 101 Betriebe mit 7854 Beschäftigten, 1955 89 Betriebe mit 10'216 Beschäftigten, 1995 157 Betriebe mit 2738 Beschäftigten und 2001 109 Betriebe mit 1680 Beschäftigten.

Zunahme und Rückgang waren von Standortverlagerungen begleitet: Vom 18. zum 19. Jahrhundert verschob sich der Schwerpunkt der Färberei und Stoffdruckerei von der Westschweiz (Genf, Neuenburg) in die Ostschweiz (Glarus, Zürich), derjenige der Baumwollbleicherei von St. Gallen nach Appenzell Ausserrhoden (Baumwolle). Seit 1900 ist die Textilveredlung in der nordöstlichen Hälfte der Schweiz konzentriert.

Die Krisenanfälligkeit führte zur Gründung von Branchenverbänden. 1941 schlossen sich die meisten von diesen im Verband der schweizerischen Textilveredlungsindustrie zusammen (seit 1991 unter dem Dach des Textilverbands Schweiz). Die Berufsgruppe der Textilveredler umfasst Textilfärber und -ausrüster (Bleicher, Appretierer, Imprägnierer, Plisseebrenner) und Textilpfleger (Wäscher, chemische Reinigung).

Quellen und Literatur

  • StJ
  • HistStat
  • T. Geering, Handel und Industrie der Stadt Basel, 1886
  • Hb. der schweiz. Volkswirtschaft 2, 1955, 440-443
  • W. Bodmer, Die Entwicklung der schweiz. Textilwirtschaft im Rahmen der übrigen Industrien und Wirtschaftszweige, 1960
  • A.-M. Dubler, Handwerk, Gewerbe und Zunft, 1982, 290-294
  • B. Veyrassat, Négociants et fabricants dans l'industrie cotonnière suisse 1760-1840, 1982
  • LexMA 4, 285-291
  • R. Reith, Lex. des alten Handwerks, 1990
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Färberei", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 05.03.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013970/2015-03-05/, konsultiert am 17.04.2024.