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Lohn

Lohn nennt man die Gegenleistung, die für die eine bestimmte Zeit zur Verfügung gestellte Arbeitskraft (Zeitlohn) oder pro Einheit eines bestimmten hergestellten Produkts (Stücklohn, Akkordlohn) bezahlt wird (Arbeit). Der Bruttolohn der modernen Wirtschaft kann Zulagen enthalten, zum Beispiel für Schicht-, Nacht-, Sonntags- oder Überzeitarbeit, für schmutzige oder gefährliche Tätigkeiten, für Bereitschaftsdienst sowie Dienstalters-, Orts-, Teuerungs- oder Familienzulagen. Der Nettolohn entspricht dem Bruttolohn abzüglich der Prämien für die Sozialversicherungen. Weitere Einkommensbestandteile wie Prämien, Gratifikationen, Naturalleistungen (z.B. Unterkunft, Nahrung, Kleider), Gewinnbeteiligung oder Trinkgelder können, müssen aber nicht Lohnbestandteil sein.

Mittelalter

Mit dem Aufschwung der Städte im 12. und 13. Jahrhundert sowie der immer wichtiger werdenden Geldwirtschaft gewannen auf Lohnbasis abgeschlossene Arbeitsverhältnisse eine steigende Bedeutung innerhalb dieser Gemeinwesen; speziell in einzelnen Handwerkszweigen wie etwa in der Textilproduktion oder im Bauhandwerk erzielten immer grössere Gruppen ihr Einkommen hauptsächlich aus abhängiger Lohnarbeit (Handwerk). Auch für den landwirtschaftlichen Sektor liegen Nachrichten über die Löhne der Taglöhner aus dem Spätmittelalter vor. Diese Löhne setzten sich gewöhnlich aus Geld, Naturalien und anderen Bestandteilen (Kleidung, Unterkunft) zusammen. Häufig war auch die Verpflegung Lohnbestandteil. In einzelnen Handwerken, besonders in solchen der Textilproduktion, wurde pro hergestelltes Produkt ein einheitlicher Stücklohn gezahlt, während etwa im Bauhandwerk der Zeitlohn üblich war.

Für das Gebiet der heutigen Schweiz sind Lohnverordnungen vor allem aus den Städten ab dem 14. Jahrhundert überliefert (z.B. die Zürcher Lohntaxe für die Zimmerleute 1335). Nach dem Pestzug in der Mitte des 14. Jahrhunderts wurden europaweit Höchstlohnverordnungen erlassen, um Lohnsteigerungen infolge Arbeitskräftemangels entgegenzuwirken. Neben der Lohnhöhe wurden in diesen Ordnungen, vor allem im Bauhandwerk, auch genaue Arbeitszeitregelungen festgelegt, die für den Sommer wegen der besseren Lichtverhältnisse längere Arbeitszeiten vorsahen als für den Winter. Die sich in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts formierende Gesellenbewegung hatte neben geselligen und religiösen Funktionen auch soziale Anliegen wie die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen (Gesellen, Königreiche). Die Stadträte bekämpften diese Bewegung – zu diesem Zweck schlossen die Kommunen auch überregionale Abkommen –, sie mussten aber auch immer wieder gegen Arbeitgeber vorgehen, die qualifizierte Arbeitskräfte durch die Zahlung höherer Löhne abzuwerben suchten. Im landwirtschaftlichen Bereich wurden Männern massiv höhere Löhne als Frauen gezahlt. Lohnunterschiede herrschten auch zwischen Stadt und Land, wobei in der Landwirtschaft tätige Personen für deutlich niedrigere Löhne arbeiteten, während in der Handwerksproduktion Beschäftigte gewöhnlich höhere Löhne erhielten.

Lohngeschirr eines Kundenmüllers. Lärchenholz, mit der Jahreszahl 1749 auf dem vorderen Rand und der Hausmarke auf der Boden- und Aussenfläche (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich).
Lohngeschirr eines Kundenmüllers. Lärchenholz, mit der Jahreszahl 1749 auf dem vorderen Rand und der Hausmarke auf der Boden- und Aussenfläche (Schweizerisches Nationalmuseum, Zürich). […]

Viele weitere Angaben zu Löhnen enthalten die tradierten städtischen Rechnungsbücher. Die Löhne der in beamtenähnlicher Anstellung beschäftigten Personen (z.B. Stadtschreiber, Rats- und Gerichtsknechte, Wächter, Torhüter, Botenreiter und -läufer, Scharfrichter, Zöllner) setzten sich unterschiedlich zusammen. Häufig wurde ein eigentlicher Grundlohn, der sogenannte «Wartlohn», ausbezahlt, der aus Geld, gelegentlich aber auch aus Naturalien, Kleiderdeputaten oder anderem (z.B. Beherbergung, Steuervergünstigungen) bestehen konnte. Einzelne städtische Amtleute (Zöllner, Rats- und Gerichtsknechte) konnten ihren Lohn durch eine Beteiligung an den von ihnen eingezogenen Einnahmen aufbessern; in der Regel handelte es sich um Anteile an Gebühren, die bei der Erbringung von Dienstleistungen für Privatpersonen von diesen erhoben wurden. Mit diesen Massnahmen suchten die Städte ihre Amtleute zu einem strengen Einzug der Abgaben anzuhalten. Anderen Amtleuten wie etwa dem Scharfrichter oder den städtischen Boten wurden neben ihrem Grundlohn je nach Anfall der Arbeit zusätzliche Prämien ausgezahlt. Besondere Leistungen wurden verschiedentlich auch mit speziellen Honoraren vergolten. Bereits für das Mittelalter ist auch die Vergütung von Spesen zu festen Ansätzen bezeugt: Boten, welche auswärts aufgehalten wurden, erhielten ihre Auslagen vergütet. Die Honoratiorenämter im städtischen Rat wurden weitgehend ehrenamtlich ausgeübt; allerdings lassen sich vor allem in grösseren Städten wie Basel schon ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts Entschädigungen in Geld oder in anderer Form für einzelne Ämter (Bürgermeister, Oberzunftmeister usw.) nachweisen. Auch das Pfrundeinkommen eines mit einem kirchlichen Amt betrauten Klerikers kann als Lohn betrachtet werden, der diesem als Entschädigung für die erbrachten Dienstleistungen aus dem Kirchengut gezahlt wurde. Im Laufe des Spätmittelalters kam es allerdings zu einer zunehmend negativen Entwicklung, indem die Verleihung einer kirchlichen Pfründe nicht mehr zwingend mit der persönlichen Ausübung des Amts verbunden war und der höhere Klerus sein Einkommen durch den Erwerb mehrerer Pfründen zu steigern suchte. Demgegenüber hatten die Angehörigen des niederen Klerus, die ihren Dienst an kleineren Kirchen und Altären versahen, häufig ein kümmerliches Dasein, weil das Stiftungsvermögen dieser kirchlichen Einrichtungen oft nur ungenügend dotiert war.

Frühe Neuzeit

Das durch den pestbedingten Bevölkerungseinbruch Mitte des 14. Jahrhunderts ausgelöste «Goldene Zeitalter» (Wilhelm Abel) für die im handwerklich-gewerblichen Sektor beschäftigten Lohnarbeiter endete zu Beginn der frühen Neuzeit. Im 16. Jahrhundert mussten die den unteren Bevölkerungsschichten entstammenden Arbeitnehmer in zahlreichen gewerblichen Branchen teilweise massive Reallohnverluste aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten hinnehmen. Dieser Lohnverfall lässt sich unter anderem durch den im späten 15. Jahrhundert feststellbaren Bevölkerungsanstieg erklären, mit dem die wirtschaftliche Entwicklung besonders im agrarischen Bereich nicht mithielt. 1550-1600 verbesserte sich die Lage für die in abhängiger Lohnarbeit stehenden Arbeitskräfte leicht, bevor die wirtschaftlichen Auswirkungen des Dreissigjährigen Krieges sie wieder verschärften. Für die Folgezeit deutet sich ein analoger Zyklus mit hohen Reallöhnen in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sowie fallenden Reallöhnen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts an. Allerdings sind die spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lohnverhältnisse im schweizerischen Raum bis heute kaum erforscht.

Die tiefen Löhne im gewerblichen wie im landwirtschaftlichen Sektor führten vom ausgehenden 15. Jahrhundert an zu einer verstärkten Abwanderung der Arbeitskräfte in den ausländischen Solddienst, der damals offenbar lukrativer war (Fremde Dienste). Genauere Untersuchungen liegen für Zürich vor: Vom Ende des 15. Jahrhunderts bis zu Beginn des 17. Jahrhunderts betrug der mittlere Monatssold eines in ausländischen Diensten stehenden Reisläufers rund den doppelten Arbeitslohn eines Maurergesellen. Beuteanteile liessen das Einkommen der Söldner weiter ansteigen. Mitte des 17. Jahrhunderts kippte dieses Verhältnis zugunsten der Maurerlöhne, die als der Indikator für die Verdienstmöglichkeiten im inländischen gewerblichen Sektor gelten. Ende des 18. Jahrhunderts verdiente ein Maurer rund zwei- bis dreimal so viel wie ein Söldner. Zwischen den einzelnen Regionen der Eidgenossenschaft, zwischen den verschiedenen Branchen und zwischen Stadt und Land sind allerdings beträchtliche Unterschiede in der Höhe der Löhne wie auch in der Lohnentwicklung festzustellen. Recht grosse Differenzen konnten auch innerhalb derselben Branche zwischen den Meister- und Gesellenlöhnen bestehen.

Die protoindustrielle Verlagsindustrie gewann vor allem in einzelnen ländlichen Regionen in der frühen Neuzeit eine immer grössere Bedeutung (Verlagssystem, Gewerberegionen). Sie bediente sich vielerorts der auf einen Nebenverdienst angewiesenen Tauner, denen ein Stücklohn entrichtet wurde.

Viele Städte zahlten den Inhabern der wichtigsten Ratsämter (z.B. Luzern dem Säckelmeister und ab 1676 dem Schultheissen) ab dem frühen 16. Jahrhundert Löhne und den Ratsherren Diäten aus. Die massiv zunehmende Verwaltungstätigkeit stellte eine grosse Arbeitsbelastung dar, so dass die Amtsträger kaum mehr einer privaten Berufstätigkeit nachgehen konnten. Das Ausgreifen der Städte auf ihr Umland hatte diese Entwicklung vorbereitet; Städten wie Zürich, Bern oder Luzern war im 14. und 15. Jahrhundert der Aufbau eines städtischen Territorialstaates gelungen. Zu dessen Verwaltung wurden aus dem Rat gewählte Landvögte bestellt, deren Einkommen sich aus einem Fixum (in Zürich z.B. die sogenannte «Burghut»), den Einkünften aus den zum Vogteisitz gehörigen Ländereien sowie verschiedene Sporteln und Bussgeldern zusammensetzte. Auch auf eidgenössischer Ebene wurden seit dem 15. Jahrhundert Landvögte für die Verwaltung der gemeinen Herrschaften eingesetzt, welche hierfür einen Lohn erhielten. Die dadurch eingeleitete Entwicklung führte zur Ausbildung eines Verwaltungspatriziats, das sein Einkommen hauptsächlich über politische Verwaltungstätigkeit bezog.

19. und 20. Jahrhundert

«Die Löhne herabsetzen heisst rückwärts gehen. Nein zum Krebsgang!». Abstimmungsplakat gegen das «Bundesgesetz über die vorübergehende Herabsetzung der Besoldungen, Gehälter und Löhne der im Dienste des Bundes stehenden Personen», 1933 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern).
«Die Löhne herabsetzen heisst rückwärts gehen. Nein zum Krebsgang!». Abstimmungsplakat gegen das «Bundesgesetz über die vorübergehende Herabsetzung der Besoldungen, Gehälter und Löhne der im Dienste des Bundes stehenden Personen», 1933 (Schweizerische Nationalbibliothek, Bern). […]

Dass bei schwankenden Preisen der gleiche Betrag nicht immer für gleich viele Güter reichte, war den Akteuren des Arbeitsmarkts schon immer klar; diese Überlegung begründet die moderne begriffliche Unterscheidung zwischen dem als Geldsumme gefassten Nominallohn und dem in Kaufkraft ausgedrückten Reallohn. Bis ins 20. Jahrhundert argumentierten die Arbeitsmarktparteien aber für Erhöhungen bzw. Senkungen mit Beispielen, da ein allgemein akzeptierter Massstab fehlte. Erst in den 1920er Jahren entstand ein Preisindex, der eine einheitliche Berechnung der Entwicklung des Reallohns ermöglichte (Konsumentenpreisindex). Dieser fand aber in der Zwischenkriegszeit weder bei Unternehmern noch bei Gewerkschaften ungeteilte Anerkennung, weil Inflations- und Deflationsjahre abwechselten. Zwar stand eine gleitende Lohnskala nach dem Ersten Weltkrieg bereits zur Debatte; erst in der zweiten Jahrhunderthälfte setzte sich jedoch ein Reallohnbegriff mit indexabhängigen Erhöhungen – Senkungen entfielen mangels Deflation – durch. Von den Gesamtarbeitsverträgen auf Verbandsebene enthielten 1957 17%, 1991 67% eine Teuerungsklausel. Diese sah aber nur ausnahmsweise (1957 0%, 1991 24%) einen automatischen Ausgleich vor; in den übrigen Fällen musste der Betrag ausgehandelt werden. In den 1990er Jahren verlor der automatische Ausgleich stark an Bedeutung, und auch der ausgehandelte wurde in breitem Masse individualisiert.

Der Zeitlohn stellte im 20. Jahrhundert die meistverbreitete Lohnform dar; angewendet wird er bei nicht überzeugend zu messender Leistung (z.B. Büro, Reparaturen), unregelmässigem Arbeitsanfall (z.B. Detailhandel), Qualitätsarbeit, gefährlicher Tätigkeit oder von aussen festgelegtem Arbeitstempo (Fliessband, Fahrplan). Die seit den 1980er Jahren heftig diskutierten Leistungskomponenten blieben in der Regel marginal (einige Prozente) und stellten den Zeitlohn nicht grundsätzlich in Frage. Gewichtige Ausnahmen bilden Boni und Umsatzbeteiligungen vor allem im Finanzsektor und in der Pharmaindustrie, die zu einer massiven Öffnung der Lohnschere zwischen Management und den unteren Arbeitnehmerschichten führten. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gerieten die zweistellige Millionenhöhen erreichenden Jahreseinkommen einiger Spitzenmanager in die öffentliche Kritik. Der Akkordlohn fand bei messbarem Arbeitsergebnis Anwendung (z.B. Herstellung, Montage und Verpackung von Serienprodukten, Verlad von Gütern, Baugewerbe) und schwankte proportional zur Leistung. Ursprünglich dem Verkaufspreis der Handwerker nachgebildet, wurde er von den Beteiligten noch lange als solcher empfunden. Grimms «Deutsches Wörterbuch» grenzte 1885 Akkord- oder Stückarbeit explizit von Lohnarbeit ab. Sie war damals in der Heimarbeit ohne Alternative, im Baugewerbe vorherrschend. Vor allem dort kam auch der Gruppenakkord mit Akkordmeistern und Subakkordanten zur Anwendung. Bei qualifizierten Arbeiten gewann der Akkord in der aufsteigenden Metall- und Maschinenindustrie an Bedeutung; er erfasste dort am Ende des Ersten Weltkriegs 33% der Hilfs- und 60% der Berufsarbeiter. Letztere erreichten so in der Regel höhere Einkommen als mit Zeitlohn. Die Gewerkschaften, die sich wegen des höheren Leistungsdrucks gegen den Akkordlohn wehrten, konnten nicht immer auf Unterstützung ihrer Mitgliedschaft zählen. In den 1920er und 1930er Jahren verbreitete sich eine neue Form, der sogenannte Zeitakkord. Gestützt auf systematische Studien (Taylorismus) entstanden für Arbeitsvorgänge Zeitvorgaben; der Lohn variierte bei deren Über- oder Unterschreitung. Noch nach dem Zweiten Weltkrieg überwog aber der Stückakkord stark. In den 1960er Jahren arbeitete in der Industrie weniger als ein Drittel der Belegschaft im Akkord, vor allem in den Branchen Bekleidung, Textil, Metall und Uhren. Die modernen Betriebe der Chemie oder der Papierindustrie dagegen kannten fast nur den Zeitlohn. Dieser erwies sich als überlegen, wenn es nicht um Einzelanfertigungen, sondern um die optimale Steuerung von Anlagen ging. Ganz allgemein stellte die Automatisierung den Akkord zunehmend in Frage. An dessen Stelle traten zum Teil Arbeitsplatzbewertungssysteme, die zwar schon vor dem Zweiten Weltkrieg diskutiert, aber erst nach diesem ausgearbeitet wurden. Sie bewerten Anforderungen und Belastungen mit Punkten, aus denen sich der Lohnsatz ergibt; die Bezahlung erfolgt auf Zeitbasis. In einigen Branchen des Dienstleistungssektors (z.B. Gast-, Taxi-, Coiffeurgewerbe) herrschte lange die Entlöhnung in Form der Umsatzbeteiligung vor.

Als Berechnungsbasis für den Lohn galt für Arbeiter lange die Stunde, für Angestellte der Monat. Dieser setzte sich ab den späten 1960er Jahren zunehmend durch (wichtige Ausnahme: Baugewerbe). Bereits einige Jahre früher verbreitete sich der 13. Monatslohn. Bei festen Anstellungsverhältnissen, d.h. nicht bei Taglöhnern, führte der Auszahlungsmodus immer wieder zu Konflikten, weil Unternehmer längere, Arbeiter kürzere Perioden bevorzugten. Das Fabrikgesetz legte 1877 zwei Wochen als Norm, einen Monat als Ausnahme fest. Zudem musste der Lohn in der Fabrik selbst, in bar und in gesetzlichen Münzen ausgezahlt werden. Von den späten 1960er Jahren an wurde die bargeldlose Zahlung auf Bank- oder Postcheckkontos üblich.

Der Soziallohn, auch Familienlohn genannt, hängt nicht von der Lage auf dem Arbeitsmarkt ab, sondern wird politisch gemäss den Verpflichtungen der Arbeitnehmer festgelegt. Breite Anwendung fand er erstmals im Ersten Weltkrieg, indem inflationsbedingte Kaufkraftverluste nicht durch Lohnerhöhungen, sondern durch von der familiären Situation abhängige Zulagen teilweise ausgeglichen wurden. In der Zwischenkriegszeit entfaltete sich eine breite Debatte, in der Gewerkschaften und Unternehmer den Soziallohn meist ablehnten, während ihn Familienpolitiker, vor allem solche aus dem katholischen Lager, propagierten. Angesichts der Kaufkraftverluste kamen im Zweiten Weltkrieg erneut familiäre Kriterien zur Anwendung. Danach verlagerte sich die Auseinandersetzung um den Soziallohn auf die verschiedenen Formen der Familienzulagen und damit zunächst vorwiegend auf die kantonale Ebene. 2006 wurde in einer Volksabstimmung ein Familienzulagengesetz angenommen, das bundesweit einen vom Anstellungsgrad des bzw. der Bezugsberechtigten unabhängigen Minimalbetrag für Kinder und auszubildende Jugendliche vorsah.

Die private Vereinbarung des Lohns gehört zu den Prinzipien des schweizerischen Rechts; gesetzliche Mindestlöhne kannte dieses mit Ausnahme der Heimarbeit lange nicht. Erst 1999 wurde im Rahmen der sogenannten flankierenden Massnahmen zu den bilateralen Verträgen mit der Europäischen Union (EU) der Artikel 360a ins Obligationenrecht eingefügt, der bei Missbräuchen für einen Beruf oder für eine Branche befristet den Erlass von Mindestlöhnen vorsieht. Der Bundesrat verfügte aufgrund seiner ausserordentlichen Vollmachten 1917-1922 für die Stickerei einen Mindestlohnsatz. Das Heimarbeitergesetz von 1940 ermöglichte ihm bis 1980 Verordnungen über Mindestlöhne; seither gelten für zu Hause Arbeitende die in ihrem Betrieb für gleichwertige Arbeit üblichen Ansätze. Der Staat kann bzw. konnte über weitere Kanäle die Löhne direkt oder indirekt beeinflussen, so über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen, über den Gleichstellungsartikel, über das Submissionswesen (Genf ab 1892, Bund ab 1920), bei der Vergabe von Subventionen, aufgrund der Ausländergesetzgebung 1949-1980 mittels Verordnungen für Fremdarbeiter, durch das Sozialversicherungsrecht (Familienzulagen), durch Preiskontrolle und durch Arbeitszeitgesetze.

Als beständigste Lohndifferenz erwies sich die zwischen den Geschlechtern. Bereits die spärlichen Daten aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zeigen, dass zum Beispiel in der Baumwollspinnerei Frauen ein Drittel weniger verdienten als männliche Hilfsarbeiter. Bei den Gewerkschaften tauchte die Forderung nach einer Angleichung der Löhne früh auf, teils weil Arbeiterfamilien auf die Einkommen beider Ehegatten angewiesen waren, teils um Lohndumping zu erschweren. Einen entscheidenden Anstoss gab 1951 die Internationale Arbeitsorganisation mit ihrem Übereinkommen Nummer 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit. Das Parlament lehnte eine Ratifizierung bis 1972 ab; dann gewann das Thema rasch an Bedeutung. So bestand im öffentlichen Dienstverhältnis (Bund, Kantone, Gemeinde) aufgrund eines Bundesgerichturteils von 1977 Anspruch auf gleichen Lohn. Der Gleichstellungsartikel von 1981 (Art. 4, Abs. 2 BV 1874) erleichterte die individualrechtliche Durchsetzung, die in der Folge vor allem im öffentlichen Dienst angestrebt wurde. Das Gleichstellungsgesetz von 1995 präzisierte die Bedingungen weiter. Die Wirkung blieb in der Privatwirtschaft bescheiden; gemäss der Lohnstrukturerhebung 1998 betrugen die Frauenlöhne in der Chemie 80%, im Kreditgewerbe 69%, im Gastgewerbe 90% und in der Bekleidungsindustrie 63% der Männerlöhne (Median). Höhere Fluktuation, geringere Körperkraft, gesetzlicher Sonderschutz (Nachtarbeitsverbot), geringere Disponibilität, Tradition sowie Vorstellungen von Sozial- oder Familienlohn («Doppelverdienertum») dienten zur Begründung dieser Differenz. 2006 gab es in der Privatwirtschaft noch keine Anzeichen eines Ausgleichs. Eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie zeigte 2008 einen Lohnunterschied von 24,1% im privaten und von 17% im öffentlichen Sektor.

Zur Verbreitung der Lohnarbeit im 19. Jahrhundert bestehen nur grobe Schätzungen, weil nicht zuletzt beim Akkord (Heimarbeit, Handwerk) die Abgrenzung Betroffenen und Beobachtern lange schwer fiel. Um 1850 zählte rund die Hälfte der aktiven Bevölkerung zu den unselbstständig Erwerbenden; darunter waren aber viele mitarbeitende Familienmitglieder, die keinen Lohn bezogen. Die erste zuverlässige Zählung 1888 ergab 70% Arbeitnehmer (inklusive Hausangestellte und Familienmitglieder), 2010 waren es über 80%.

Entwicklung der Löhne 1821-2006
Entwicklung der Löhne 1821-2006 […]
Lohnverteilung nach Geschlecht und Region 2004
Lohnverteilung nach Geschlecht und Region 2004 […]

Die quantitative Entwicklung der Löhne lässt sich am besten anhand eines Indexes verfolgen. Im Rahmen des Projektes «Reallöhne schweizerischer Industriearbeiter» entstand ein solcher, der für die Jahre von 1821 bis 1890 auf groben Schätzungen und für diejenigen von 1890 bis 1921 auf Unfallverzeichnissen beruht. Die amtliche Lohnstatistik setzte 1918 ein und wertete Unfalldaten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (Suva) aus; eine Erhebung bei privaten Versicherungen lieferte Daten für das Basisjahr 1913. Ab 1940 errechnete das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit damit auch einen Reallohnindex. Die Erhebung der vierteljährlichen Lohnsätze in Industrie und Baugewerbe wurde bereits 1924 eingeführt. Ab 1939 kam die auch Angestellte erfassende Lohn- und Gehaltserhebung (LOK) vom Oktober dazu, die 1994 durch die neue Lohnstrukturerhebung (LSE) abgelöst wurde. Bis 1993 lieferte die LOK Daten für die amtliche Lohnentwicklungsstatistik. Weil die LSE nur alle zwei Jahre zur Durchführung gelangt, dienen seither erneut Unfalldaten als Basis für den Lohnindex.

Quellen und Literatur

Mittelalter
  • A. Bernoulli, «Die ältesten Lohnverzeichnisse von Basels Staatsdienern», in BZGA 16, 1917, 294-322
  • W. Abel, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, 31978
  • U. Dirlmeier, Unters. zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten in oberdt. Städten des SpätMA, 1978
  • LexMA 1, 1905-1907; 5, 2084-2087
  • S.A. Epstein, Wage Labor and Guilds in Medieval Europe, 1991
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  • O. Landolt, Der Finanzhaushalt der Stadt Schaffhausen im SpätMA, 2004
Frühe Neuzeit
  • R. Braun, Industrialisierung und Volksleben, 1960 (21979)
  • A. Hauser, Vom Essen und Trinken im alten Zürich, 31973, 144-189
  • H. C. Peyer, «Die wirtschaftl. Bedeutung der fremden Dienste für die Schweiz vom 15. bis 18. Jh.», in Wirtschaftskräfte und Wirtschaftswege 2, hg. von J. Schneider et al., 1978, 701-716
  • K. Schmuki, «Eine Schaffhauser Taxierordnung aus dem Jahre 1647», in SchBeitr. 60, 1983, 27-62
  • A.-M. Piuz, L. Mottu-Weber, L'économie genevoise, de la Réforme à la fin de l'Ancien Régime, 1990
  • U. Pfister, Die Zürcher Fabriques, 1992
  • H.-R. Dütsch, Die Zürcher Landvögte von 1402-1798, 1994
  • R. Reith, Lohn und Leistung, 1999
19. und 20. Jahrhundert
  • E.E. Schwarb, Moderne Lohnpolitik, 1948
  • R. Vetterli, Industriearbeit, Arbeiterbewusstsein und gewerkschaftl. Organisation, 1978
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  • R. Jaun, Management und Arbeiterschaft, 1986
  • Gruner, Arbeiterschaft
  • B. Degen, Abschied vom Klassenkampf, 1991
  • HistStat
  • C. Magnin, Der Alleinernährer, Liz. Bern, 1996
  • M. Leimgruber, Taylorisme et management en Suisse romande, 2001
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernard Degen; Oliver Landolt: "Lohn", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 12.11.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013919/2012-11-12/, konsultiert am 28.03.2024.