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Bergbahnen

Als Bergbahnen gelten schienen- und seilgebundene Bahnen vor allem in Bergregionen. Sie dienen hauptsächlich dem Tourismus, aber auch dem Personen- und Güterverkehr nach schwer zugänglichen Orten. Die technische Definition schliesst reine Reibungsbahnen (Eisenbahnen) aus und beschränkt sich auf Bahnen mit gemischtem Adhäsions-/Zahnrad- oder reinem Zahnrad-Antrieb sowie auf Schienenseil- und Luftseilbahnen, wobei darunter auch nichttouristische Bahnen fallen.

Reine Zahnradbahnen entstanden versuchsweise schon zu Beginn des Dampfbahnbetriebs, weil Ingenieure bei Steigungen ab ca. 5% der Rad-Schiene-Haftreibung nicht trauten – später aber überwand zum Beispiel die Üetlibergbahn 7% ohne Zahnradantrieb, die Genfer Strassenbahn über 11%. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verlagerte sich das Zentrum der Zahnradtechnik von den britischen Inseln und den USA auf den europäischen Kontinent, und die Zahnradbahntechnik wurde schliesslich ein Monopol der Schweizerischen Lokomotiv- und Maschinenfabrik (SLM). Die vier weltweit bekanntesten Zahnstangensysteme wurden von Schweizern entwickelt und nach ihnen benannt: Niklaus Riggenbach (Leiterzahnstange), Eduard Locher (Fischgrätezahnstange für steilste Strecken, so die Bergbahn auf den Pilatus mit 48%), Carl Roman Abt (Lamellenzahnstangen, ein- bis dreifach) und Emil Viktor Strub (Zahnkopfstange für seitliche Sicherheitszangen). Global sind gegen 100 reine Zahnradbahnen für den Nah-, Tourismus- und Werkverkehr entstanden, wobei Letztere fast alle stillgelegt sind. Das Streckenprofil der touristischen Zahnradbahnen beginnt meist in einem Tal und endet in einer Bergstation. Einzelne überqueren einen Pass, so die Wengernalpbahn mit der weltweit längsten Strecke von 19,1 km. Je nach System sind aufwendige Weichenkonstruktionen notwendig. Besonderen Sicherheitsanforderungen müssen die dreifachen Bremssysteme entsprechen (Fahr-, Geschwindigkeits- und unabhängige Haltebremse). Die Triebfahrzeuge sind in der Regel talseitig den Wagen vorgestellt.

Die Vitznau-Rigi-Bahn auf der Schnurtobelbrücke. Aquatinta von Rudolf Dikenmann, 1871 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Die Vitznau-Rigi-Bahn auf der Schnurtobelbrücke. Aquatinta von Rudolf Dikenmann, 1871 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).

Die ältesten Zahnrad-Bergbahnen in der Schweiz sind die 1871 von Niklaus Riggenbach gebaute Vitznau-Rigi-Bahn sowie die 1875-1877 vollendete Arth-Rigi-Bahn (Rigi). Von den 30 weltweit verbliebenen reinen Zahnradbahnen befinden sich 17 in der Schweiz. Die höchste je betriebene Zahnrad-Bergbahn führt auf Abt'schen Zahnstangen mit SLM-Fahrzeugen zum 4301 m hohen Pikes Peak (Colorado, USA). Die höchste Bahn Europas ist die 1898 elektrifizierte Strub-Zahnstangenbahn auf das Jungfraujoch (3454 m, Jungfrau), eine Gründung von Adolf Guyer-Zeller. Der Gornergratbahn stand ein umstrittenes und nie realisiertes Matterhornbahnprojekt Pate. Die Brienz-Rothorn-Bahn hat aus touristischen Gründen den Dampfbetrieb erneuert.

Titelbild einer Panoramakarte der Rochers-de-Naye, um 1914 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf).
Titelbild einer Panoramakarte der Rochers-de-Naye, um 1914 (Archives A. & G. Zimmermann, Genf). […]

Gemischte Adhäsions- und Zahnradbahnen ermöglichen auf den flacheren Streckenabschnitten einen Haftreibungsverkehr mit höheren Geschwindigkeiten, was für längere Bergbahnen sinnvoll ist. Insgesamt sind zum Teil mit Schweizer Beteiligung weltweit 87 solcher Bahnen (teils mit Vollbahncharakter) entstanden, von denen etliche (Anden, Libanon) stillgelegt sind. Bedeutende Bahnen dieses Typs mit Loks aus Winterthur fahren noch in Indonesien und Südindien. Das längste Mischsystem der Schweiz (mit 2-Lamellen-Abt-Zahnstangen) führt auf dem alten Trassee der Furka-Oberalp-Bahn (FO) von Disentis nach Brig und von dort weiter nach Zermatt. Einzige gemischte Adhäsions- und Zahnradbahn und gleichzeitig einzige Meterspurbahn der SBB ist die 1888 vollendete Brünigbahn (64 km).

Schienenseilbahnen bewegen Fahrzeuge mittels Seilzügen auf Schienen. Dazu gehören Eisenbahnen mit Seilebenen auf Normalstrecken oder spezielle Anlagen zum Beispiel für Standseil-, Kabelbahnen und Sonderbauarten. Kabelbahnen (u.a. San Francisco, die weltweit Letzte ihrer Art) wurden meist für den Trambetrieb erstellt, die anderen Typen für Bergbahnen. Die Streckenlänge von Seilbahnen ist aus materialtechnischen Gründen auf höchstens 2,5 km beschränkt, längere Strecken müssen in Sektionen unterteilt werden.

Die Seilförderung entwickelte sich – analog zur Schienenbahn im Bergbau – über Menschen- und Pferdebetrieb unter dem Einsatz von Seilwinden oder Ballast-Gegenwagen, welche die Last über schiefe Ebenen hinaufzogen (Schrägaufzüge) oder bremsten (Bremsberge). Einen Aufschwung brachte der Ersatz von Naturfaserseilen durch Drahtseile, die in den 1830er Jahren erstmals in Grossbritannien und den USA eingesetzt wurden. 1852 entstanden Pläne für die Überquerung des Hauensteinpasses mittels Seilförderung. 1877 enstand eine erste schweizerische Schienenseilbahn zwischen dem Hafen von Ouchy und dem Bahnhof Lausanne, die 1956 auf Zahnradbetrieb umgestellt wurde.

Standseilbahnen sind Schienenseilbahnen auf eigenen Schienenkörpern, wie sie 1842 erstmals in Grossbritannien gebaut wurden. Bald wurde weltweit eine vielfältige Palette produziert: von einfachen Standseilbahnen für den Einwagenbetrieb bis zu komplizierteren mit zwei Wagen(-Zügen) und Kreuzungsstellen ohne Weichen auf drei oder vier Schienen und Spurbreiten zwischen 0,5 und 3,8 m. Angetrieben wurden die Bahnen über Seiltrommeln oder Ballast (Wasser, Kloake, Abfall) im talwärts fahrenden Wagen. Die erste schweizerische Standseilbahn mit Elektroantrieb war 1888 die Bürgenstockbahn. 1905 kam dort der erste öffentliche Vertikalaufzug in Betrieb. Als steilste Standseilbahn galt lange die 1921 erbaute Servicebahn des Ritomkraftwerks der SBB (Gemeinde Quinto), die mit 87,8% Steigung eine Höhendifferenz von 785 m überwindet. Inzwischen sind Standseilbahnen mit über 100% Steigung (Gelmerbahn der Kraftwerke Oberhasli) entstanden. In der Schweiz sind über 50 Standseilbahnen in Betrieb, hinzu kommen kleine Warenaufzüge.

Bergstation der 1932 von Maurice Braillard gebauten Luftseilbahn auf den Mont Salève bei Genf. Postkarte (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).
Bergstation der 1932 von Maurice Braillard gebauten Luftseilbahn auf den Mont Salève bei Genf. Postkarte (Bibliothèque de Genève, Archives A. & G. Zimmermann).

Luftseilbahnen kamen einerseits im Bergbau, andererseits in Kriegen schon früh zum Einsatz. Ende des 19. Jahrhunderts betrieben Europas Bergwerke Hunderte von Materialseilbahnen. 1866 wurde parallel zur Drahtseil-Kraftübertragung über den Rhein in Schaffhausen eine Luftseilbahn für den Maschinenwärter erstellt, und für das Goldbergwerk Gondo entstand 1892 ein Luftseilbahnsystem, das 1897 mit dem Bergwerk stillgelegt wurde. Im Ersten Weltkrieg setzten die Mittelmächte an ihren Fronten ca. 4200 km Feldseilbahnen ein. Die 1908 eröffnete erste schweizerische Pendel-Luftseilbahn für die kommerzielle Personenbeförderung mit zwei Kabinen am Wetterhorn (Gemeinde Grindelwald) stellte im Ersten Weltkrieg den Betrieb ein. Neue Sicherheitsbestimmungen erschwerten den Bau weiterer Bahnen. Bis 1935 wurden nur die Luftseilbahnen zum Trübsee (Gemeinde Wolfenschiessen) und Säntis in Betrieb genommen. Umlaufbahnen für Sessel oder Kleinkabinen an Endlosseilen (erster Sessellift Firstbahn Grindelwald 1946), Bügelskilifte (erstmals 1934 in Davos) und Gondeln mit Seilklemmen (zuerst 1947 in Flims) erschlossen die Alpenwelt nach 1945 boomartig dem Massentourismus. 1990 waren von den über 1800 öffentlichen schienenlosen Seilbahnanlagen 70% Skilifte. Hinzu kamen Luftseilbahnen für den Materialtransport.

Der jahrzehntelang wachsenden touristischen und wirtschaftlichen Bedeutung mit dem Höhepunkt um 1990 setzten das verfügbare Volkseinkommen sowie der Landschafts- und Umweltschutz Grenzen.

Fast alle eidgenössisch konzessionierten Seilbahnunternehmen sowie zahlreiche Kleinpendelbahn- und Skiliftbetreiber gehören dem 1970 durch die Fusion des Seilbahnverbands (gegründet 1900) mit dem Luftseilbahnverband (gegründet 1950) entstandenen Schweizerischen Verband der Seilbahnunternehmungen (SVS) an (1999 470 Mitglieder, Namensänderung zu «Seilbahnen Schweiz»).

Bergbahnen: Transportanlagen und beförderte Personen 1940-1996

 LuftseilbahnenaStandseilbahnenZahnradbahnenSkilifteb
 AnlagenBeförderte PersonencAnlagenBeförderte PersonencAnlagenBeförderte PersonencAnlagen
19403-62-15--
1950393,56316,3122,3-
196014615,35915,11511,6190
197031047,85817,51414,4799
198042595,75717,51416,41'131
1990505110,15619,51317,41'194
1995538140,65518,91218,31'126
1996540149,25517,91216,61'121

a Kabinen- und Sesselbahnen sowie Pendelbahnen

b Keine Angaben zur Anzahl beförderter Personen verfügbar

c in Mio.

Bergbahnen: Transportanlagen und beförderte Personen 1940-1996 -  Bundesamt für Statistik

Bergbahnen: Arbeitsplätze und Umsatz konzessionierter Anlagen 1940-1996a

 LuftseilbahnenStandseilbahnenZahnradbahnen
 ArbeitsplätzeUmsatzbbArbeitsplätzeUmsatzbbArbeitsplätzeUmsatzbb
1940--407-283-
1950187-5086,63887,3
1960707-4309,856816,2
19701'886-49916,768229,4
19804'210306,943429,171951,8
19905'567471,449258,671295,9
19955'798625,446659,8691113,6
19965'836621,5----

a nur Umsatz aus dem Personenverkehr; ohne Skilifte

b in Mio. Fr.

Bergbahnen: Arbeitsplätze und Umsatz konzessionierter Anlagen 1940-1996 -  Bundesamt für Statistik

Quellen und Literatur

  • VHS
  • SVS, Bern
  • Der öffentl. Verkehr, 1945-67
  • VST Revue, 1967-87
  • TT Revue, 1988-95
  • Tour, 1996-
  • Ein Jahrhundert Schweizer Bahnen, 1847-1947, 5, 1964
  • W. Hefti, Zahnradbahnen der Welt, 2 Bde., 1971-76
  • W. Hefti, Schienenseilbahnen in aller Welt, 1975
  • H.G. Wägli, Schienennetz Schweiz, 1980 (21998)
  • W. König, Bahnen und Berge, 2000
Weblinks

Zitiervorschlag

Hans-Peter Bärtschi: "Bergbahnen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.02.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013900/2015-02-11/, konsultiert am 28.03.2024.