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Kredit

Geldleihe

Der Kredit ist ein Tausch von Gegenwarts- gegen Zukunftsgüter. Der Kreditgeber (Gläubiger) gewährt dem Kreditnehmer (Schuldner) einen Kredit durch Verfügungsübertragung von Geld oder Geldforderungen gegenüber Dritten – für die Zeit der Kreditgewährung – gegen ein Entgelt, den Zins. Rechtsgrundlage ist der Kreditvertrag. Der Konsumtivkredit dient meist kurzfristig dem Kauf von Gütern für die Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse. Der Produktivkredit wird für die Erstellung und den Betrieb von Produktionsanlagen oder die Finanzierung von Handelsgeschäften aufgenommen. Bei der Laufdauer unterscheidet man den kurzfristigen Kredit, der für weniger als zwölf Monate gewährt wird, den mittelfristigen Kredit, der sich über mindestens eines bis höchstens vier Jahre erstreckt, und den langfristigen Kredit, dessen Mindestdauer vier Jahre beträgt. Kurzfristige Kredite werden am Geldmarkt (Geldwirtschaft), mittel- und langfristige Kredite am Kapitalmarkt gehandelt. Schliesslich unterscheidet man zwischen privatem und öffentlichem Kredit. Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit haben sich verschiedene Formen des Personal- und Realkredits entwickelt.

Mittelalter und Frühneuzeit

Pfandleihe

Obwohl die Kirche den Darlehenszins und damit den durch Faustpfand und Schuldverschreibung gesicherten kurzfristigen Kredit als Wucher verurteilte, gelang es ihr nicht, diese Kreditformen aus der Praxis zu verdrängen. Fürsten und Städte erteilten ab dem 13. Jahrhundert Privilegien zur Ausübung des generell verpönten und verbotenen Geschäfts, das vor allem durch Juden, Lombarden und Kawerschen abgewickelt wurde. Das Pfandleihgeschäft der Lombarden war ab Anfang des 14. Jahrhunderts weit verbreitet (besonders gut untersucht ist diesbezüglich die Walliser Landschaft). Im 15. Jahrhundert kam es zu einer gewissen Lockerung des Zinsverbots, die mit der generellen Umstrukturierung des Faustpfandkredits einherging. In Italien und Deutschland entstanden die ersten monti di pietà als kirchliche, besonders von den Franziskanern betriebene Pfandleihbanken (Pfandbrief). Diese mussten das unwirtschaftliche Prinzip des zinsfreien Kredits fallen lassen und einen bescheidenen Darlehenspreis von maximal 5% verlangen. Diese Praxis wurde von den Konzilien von Konstanz (1414-1418), Basel (1431-1449) und im Lateran (1512-1517) gebilligt. Mit dem politischen und wirtschaftlichen Aufschwung der Städte wurden Juden und Lombarden aus dem Kreditgeschäft verdrängt. Dieses ging zum grössten Teil an einheimische Bürger und Institutionen über. Am Ende des 15. Jahrhunderts praktizierten Säckelmeister oder Stadtwechsel (Banken) den Faustpfandkredit. Spätestens zu Beginn des 16. Jahrhunderts war diese Kreditform, die im 17. und 18. Jahrhundert zunahm, allgemein obrigkeitlich reglementiert. Der Stadtstaat Luzern praktizierte selbst mit den jährlich erarbeiteten Rechnungsüberschüssen – gegen Hinterlegen von Gült und Obligationen – eine vom Säckelmeister offiziell betriebene Pfandleihe. St. Gallen schuf im Lauf des 18. Jahrhunderts zwei Pfandleihanstalten für die Bevorschussung von Baumwoll- und Mousselinestoffen.

Immobiliarkredit

Historische Grundformen des Immobiliarkredits waren die römisch-gemeinrechtliche Hypothek, die im deutschen Rechtskreis üblichen Satzungen mit unterschiedlicher Funktion und gegen Ende des 12. Jahrhunderts die Rente, welche auch als Gült bezeichnet wird. Die Satzungen dienten ursprünglich der grundpfandlichen Sicherung von Krediten. Beim Rentenkauf erwarb sich der Kreditgeber oder Rentenkäufer gegen Überlassung einer Geldsumme an den Grundbesitzer oder Rentenverkäufer eine auf dessen Grundbesitz lastende Rente. Bei der anfänglich unablösbaren Rente konnte das Kapital nicht zurückgefordert werden. Die Rente galt als ewig dinglich durch Grundpfand gesicherte Schuld. Im Lauf des Spätmittelalters wurde die Rente oder Gült auch ablösbar und das belastete Grundstück pfändbar. Im 16. Jahrhundert entwickelten sich in der Schweiz eigentliche Gült-Landschaften, deren wichtigste Unterschiede im Bereich der Haftung des Kreditnehmers lagen. Die Begrifflichkeit weichte sich auf. Man sprach beim Kreditvertrag von Gült, Brief oder Handschrift; die Laufzeiten fluktuierten von einem bis 15 Jahre. Gülten älteren Ursprungs wurden aber auch noch als "ewige" bezeichnet. Bis zum Ende des Ancien Régime wurde die Gült zu Stadt und Land zu einer der beliebtesten privaten und öffentlichen Kapitalanlagen im Inland.

Leibrente

Vom 14. bis etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts erfreute sich eine andere Form der Rente, das Lybding (Leibgeding), grosser Beliebtheit als Kreditinstrument für die Altersvorsorge. Man unterschied die ewige von der wiederkäuflichen Rente. Bei der ewigen Rente kaufte sich der Kreditgeber einen auf Lebzeiten festgesetzten Zins, die Rente, welche je nach Situation zwischen 8% und 10% des nicht rückzahlbaren Kapitals ausmachte. Lebte der Kreditgeber nach Abschluss des Vertrags noch 20 bis 25 Jahre weiter, so brachte ihm die Rente einen höheren Ertrag als das einbezahlte Kapital. Starb er früher, so machte der Kreditnehmer den grossen Gewinn. Das war der spekulative Aspekt dieser Kreditform. Im späten 15. Jahrhundert entwickelten sich mehrere Spielarten. Im Kreditvertrag konnte unter anderem das Recht auf die Rente nach dem Ableben des Kreditgebers dem Rentenverkäufer, dessen Gattin oder einem direkten Nachkommen ganz oder zur Hälfte übertragen werden. Dann kam die ablösbare Rente auf, wobei nur der Schuldner das Recht auf Kündigung besass, nicht aber der Gläubiger. Damit war der Schuldner gegen missbräuchliche Kündigung geschützt. Dank ihrer Vielfalt in Form und Funktion waren Renten aller Art im privaten, vor allem aber im öffentlichen Kreditwesen häufig. Basel war im 15. und 16. Jahrhundert der bedeutendste Rentenmarkt der Schweiz. Bern verkaufte Renten und verschuldete sich damit im 15. Jahrhundert in etwa 20 Städten, die in der deutschen Schweiz, in Süddeutschland und im Elsass lagen. Zahlreiche Städte konnten dank diesem Kreditinstrument rasch kurzfristig entstandene Finanzierungslücken überbrücken. Als Sicherheit für die Verschuldung der Städte galten die gesamten öffentlichen Einnahmen sowie das öffentliche und private Vermögen jeder verschuldeten Stadt.

Obligation

Die Obligation trat ihren Siegeszug ab dem 16. Jahrhundert an. Ihren Erfolg verdankte sie der steigenden Nachfrage im öffentlichen Kreditwesen. Bahnbrechend im öffentlichen und privaten Anleihwesen war der Basler Stadtwechsel, der für Städte und Fürsten Anleihen vermittelte und zugleich als Zahlungsstelle für die jährlich fälligen Zinsen sowie die Rückzahlungen fungierte. Zusätzlich zu den bei der Leibrente üblichen Sicherheiten brauchte es bei der Obligationenanleihe Bürgschaften solventer Personen aus der sich verschuldenden oder einer anderen Stadt oder Region, also zum Beispiel Bürger aus Freiburg für eine Genferanleihe in Basel, die Städte Freiburg, Bern, Vevey, Evian usw. für Anleihen des Herzogs von Savoyen in Basel, Montbéliard für Anleihen des Herzogs von Württemberg in Basel und Solothurn sowie Solothurn, Zürich und andere Städte für die zahlreichen Anleihen der französischen Könige in Basel. Die Bürgschaft war aber auch im privaten Darlehensgeschäft durchaus üblich. War der Schuldner nicht in der Lage, den Zins termingerecht zu zahlen, so war der Gläubiger berechtigt, auf den oder die Bürgen zurückzugreifen. Zu diesem Zweck gab es noch im 16. Jahrhundert die Geiselschaft (Geiselhaft), bei welcher der Schuldner oder der Bürge – der Darlehenszins war eine Bringschuld – sich in der Stadt, in der er verschuldet war, zu einem vorgeschriebenen Termin in einem Gasthof einzuquartieren hatte, bis die Zinsschuld bezahlt war. Sehr rasch wurde mit Obligationen – wie auch mit Rentenbriefen und Gülten – gehandelt. Ein Gläubiger konnte die Titel an einen anderen verkaufen, der Obrigkeit als Abgeltung von Steuern, Abzugsgeld und anderer finanzieller Verpflichtungen abtreten, ab dem späten 16. Jahrhundert sogar mit Wechselübertragung und ohne notarielle Beglaubigung.

Handelskredite

Im Handelswesen findet sich mit dem Verkauf auf Kredit mit zeitlich verzögerter Bezahlung der gekauften Waren eine der ureigensten Kreditformen. Im lokalen Marktgeschehen lief der Verkauf auf Kredit auf mündlicher und schriftlicher Vertrauensbasis, mit Bürgschaft oder Faustpfand als Sicherheiten. Über die geschuldete Kreditsumme führte man Buch. Im überregionalen Handel war ab dem 12. Jahrhundert der Wechselbrief die häufigste Kreditform. Voraussetzung dafür war allerdings ein intensives Kunden- und Lieferantennetz. Die Kreditwürdigkeit beim Wechselkredit hing in der Regel vom Ruf des Kreditnehmers ab. In diesem Rahmen war es für einen Kaufmann von grosser Bedeutung, als guter Zahler bekannt zu sein. Als weitere Spielformen sind die cédule obligatoire und der Kreditbrief bekannt. Die hier erwähnten Kreditformen dienten zugleich auch als Instrumente des internationalen Zahlungsverkehrs. Von dieser Art waren auch grosse Teile der ab dem 16. Jahrhundert immer häufiger und umfangreicher werdenden Auslandanlagen, bei denen sich Anleger aus der Schweiz an Staatsanleihen fremder Staaten in Europa und Übersee beteiligten. Finanzstarke Bankiers besorgten jeweils den entsprechenden Kapitaltransfer (Kapitalverkehr) über ihren normalen Wechselverkehr.

Stadt und Land

Mehr und mehr drängten die verschiedenen Kreditformen von der Stadt auf die Landschaft, deren Verschuldung gegenüber den Städten und Stadtbürgern vor allem ab dem 16. Jahrhundert stark zunahm und der wirtschaftlichen Abhängigkeit der ländlichen Bevölkerung Vorschub leistete (Stadt-Land-Beziehungen). Der Kredit auf der Landschaft wurde von den städtischen Bürgern, aber auch von der ländlichen Oberschicht für ihre klientelistischen Zwecke benutzt. So kauften reiche und einflussreiche Politiker vor allem im späten 16. und im 17. Jahrhundert von ausländischen Regierungen ausgestellte Schuldscheine auf, die sie wegen Zahlungsunfähigkeit oder Saumseligkeit des Schuldners gegenüber deren schweizerischen Gläubigern, vor allem Offizieren in fremden Diensten, zu einem Bruchteil ihres Nennwerts erwarben. Damit konnten sie Partner in Geschäft und Politik gewinnen oder enger an sich binden bzw. Gegner willfährig machen oder gar ausschalten. Nachdem sich bis ins 16. Jahrhundert hauptsächlich städtisches Kapital in den verschiedensten Kreditformen auf die Landschaft gedrängt hatte, wirkte sich ab dem 17. Jahrhundert der Wohlstand der Kleinstädte und grösserer ländlicher Marktorte auch im Kreditgeschäft aus. Somit war die Schweiz am Ende des Ancien Régime in ein komplexes, weitgespanntes, sich auch ins Ausland erstreckendes Netz von Kreditgebern und Kreditnehmern eingebunden.

Diese führten über die Kredite und Schulden Buch. Auf lokaler Ebene geschah dies in der jeweils gebräuchlichen Rechnungswährung. Bis ins späte 15. Jahrhundert entsprach diese auch einer real zirkulierenden Münze, dem Goldgulden. Die starke Geldentwertung des 16. Jahrhunderts führte zur Abkoppelung des Goldguldens von einem nunmehr in jedem Währungssystem fixierten Rechnungsgulden. Um sich vor Verlusten zu schützen, drängten die Kreditgeber vermehrt auf die Stipulierung der Kreditsumme in guten Silbermünzen wie Silberdukaten und vor allem in Goldmünzen wie Goldgulden, Sonnenkronen, Golddukaten, Zecchinen, im 17. Jahrhundert in französischen und spanischen Dublonen. Aber bereits in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und besonders nach der grossen Währungskrise 1621-1622 und der fortschreitenden allgemeinen Vorherrschaft von diversen Silberwährungen kam man wieder vermehrt auf die Vertragsstipulierung in lokaler Rechnungswährung zurück.

19. und 20. Jahrhundert

Während der Helvetik kam es zu einem fast völligen Zusammenbruch des schweizerischen Kreditwesens. Die helvetische Einheitswährung wurde nicht akzeptiert, sodass die Münzbestände aus dem Ancien Régime gehortet wurden. In der Mediationszeit überwog weiterhin eine negative Sparneigung, und das Bankensystem erlebte ausserhalb der städtischen Handelszentren keine Expansion. Entscheidend vermindert wurde die verfügbare Geldmenge auch durch die Vernichtung praktisch der gesamten Auslandguthaben der überlebenden Banken und vieler privater Gläubiger.

Erst die Regenerationszeit schuf wieder einen Sparüberschuss, der eine Kreditexpansion ermöglichte, allerdings unterbrochen durch die Krise der 1840er Jahre. Die Bankgründungen in den 1830er Jahren – damals entstanden auch die ersten drei Kantonalbanken – dienten in erster Linie der Sicherung des für den Handel unerlässlichen Wechselkredits (Diskontbanken), in zweiter Linie der Schaffung von Hypothekarkredit, auch im ländlichen Raum. Die steigenden Nahrungsmittelpreise, die auf das Bevölkerungswachstum und nach 1848 auch auf die Ausweitung des Binnenmarkts zurückzuführen waren, veranlassten viele Bauern, in Erwartung grosser Gewinne, zu hohe Immobilienpreise zu zahlen. Die hypothekarische Verschuldung der Landwirtschaft wurde lange durch steigende Nahrungsmittelpreise aufgefangen; als aber ab den 1870er Jahren Dampfschiff und Eisenbahn den Import von billigem Überseegetreide ermöglichten, setzte ein Preiszerfall ein, der zum Konkurs vieler Höfe führte (Agrarverschuldung). Von einiger Bedeutung war auch die Kreditfinanzierung öffentlicher Bauvorhaben. So wurde der Bau der Gotthardstrasse auf Tessiner Boden (1821-1830) teils durch ein verzinsliches Darlehen der Zürcher Kantonalpost, teils bankmässig über ein 4%-Darlehen eines Basler Bankhauses finanziert.

Die Kreditschöpfungsmöglichkeiten der in der Schweiz bestehenden Banken war in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschränkt, weshalb man im lokalen und regionalen Rahmen auf private Geldgeber und für grössere Kreditvorhaben – ähnlich wie bei der Beschaffung von Risikokapital – auf ausländische Kapitalgeber zurückgreifen musste. Ab der Jahrhundertwende wurde das Bankensystem zunehmend leistungsfähiger und differenzierter. Zwischen 1853 und 1872 entstanden die Vorläufer der heutigen Grossbanken. Die Gründung der ersten grossen Aktienbank für Industrie und Handel, der Schweizerischen Kreditanstalt 1856 in Zürich, erfolgte vor allem im Hinblick auf die Beschaffung grosser Finanzmittel für den Eisenbahnbau unabhängig von ausländischem Einfluss. Für die Grossindustrie spielten die Bank in Winterthur (1862) und der Basler Bankverein (1872) ebenfalls eine wichtige Rolle. Der grosse Kapitalbedarf der Eisenbahn- und Industrieunternehmen verteuerte die Kredite; die Wünsche des kleinen Mannes nach günstigen Darlehen fanden bei den entstehenden Grossbanken nur selten Gehör. Als Resultat des von der Demokratischen Bewegung ausgehenden Drucks wurden ab den späten 1860er Jahren zahlreiche Kantonalbanken und andere kleinere Finanzinstitute geschaffen, die auch die Kreditbedürfnisse der Mittelschicht befriedigten. Mit der Gründung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) und der Raiffeisenkassen nach 1900 entstand die heute noch bestehende Bankenstruktur, die eine wirksame Ausschöpfung des Sparaufkommens und eine auf ihr beruhende Kreditexpansion ermöglichte und in zunehmendem Masse die Unabhängigkeit von ausländischen Kapitalgebern bewirkte; die letzte öffentliche Kreditaufnahme der Stadt Zürich in den USA erfolgte 1920. Eine weitere Folge war bis heute das im internationalen Vergleich niedrige Zinsniveau ("Zinsinsel Schweiz"), das aus anderen Gründen resultierende Kosten- und Standortnachteile erheblich mildert. Die Kreditvergabe der Banken folgte zyklisch dem Verlauf der Konjunktur – war diese schwach, so erhöhten sich die Bonitätsanforderungen an die Schuldner – und den Vorgaben, welche die SNB mit ihrer Geldmengenpolitik setzte (Geld- und Währungspolitik).

Zweimal eröffnete der Bund spezielle Finanzinstitute, um die Aufnahme von Krediten zu erleichtern. Als sich nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs infolge Stockungen im internationalen Zahlungsverkehr, der Thesaurierung von Bargeld und der Schliessung der Börsen eine Kreditnot einstellte, wurde durch Bundesbeschluss im September 1914 eine Darlehenskasse ins Leben gerufen, die gegen die Hinterlegung von Obligationen, Aktien, Sparheften, Lebensversicherungspolicen, Rohstoffen oder Goldwaren Kredite gewährte. Für ihre Verbindlichkeiten haftete der Bund; mit der Geschäftsführung war die SNB betraut. Die Kasse, die in den zehn Jahren ihres Bestehens insgesamt Kredite von 208 Mio. Franken bewilligte, wurde 1924 wieder aufgehoben. Ein zweites solches Institut wurde im Juli 1932 gegründet, nachdem sich die Schwierigkeiten der Banken – deren vor allem in zentraleuropäischen Ländern (Deutschland, Österreich, Ungarn und Polen) angelegte Guthaben waren in Rahmen von Devisenbewirtschaftungsmassnahmen erheblich entwertet worden – zu einer Kreditkrise ausgeweitet hatten. Diese Darlehenskasse sollte den Banken bei Geldknappheit durch Belehnung von Vermögenswerten, welche die SNB nicht bevorschussen durfte, Betriebskapital zur Verfügung stellen. Für ihre Verpflichtungen haftete ein Garantiefonds, an dem der Bund mit 75 Mio. und die Finanzwirtschaft mit 25 Mio. Franken beteiligt waren. Für über den Betrag von 100 Mio. Franken hinausgehende Forderungen haftete der Bund alleine. Diese Darlehenskasse, die Kredite von insgesamt 510 Mio. Franken gewährte, wurde 1955 liquidiert.

Die Kreditvergabe durch das Bankensystem wurde dagegen nur einmal durch direkten staatlichen Eingriff beschränkt; der dringliche Bundesbeschluss, der den Kreditzuwachs zur Konjunkturdämpfung begrenzte, galt von Dezember 1972 bis April 1975. Auf die Übernahme dieser Interventionskompetenz ins revidierte Nationalbankgesetz von 1978 wurde verzichtet, da anders als in der Überhitzungsphase von 1972 kein Bedarf nach einem solchen Instrument bestand, das sich nur unter dem Regime fixer Wechselkurse mit hohem Inflationspotenzial rechtfertigen liess.

Die Bankkreditverschuldung der Schweiz wuchs in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich rascher als das Bruttoinlandprodukt (1980: 120%; 2000: 165%) und ist im internationalen Vergleich hoch. Gut die Hälfte der Inlandkredite geht an private Haushalte, meist in der Form von Hypotheken, gut ein Drittel an private Unternehmungen, der Rest überwiegend an die öffentliche Hand. Die Proportionen blieben zwischen 1970 und 2000 praktisch unverändert.

Werbeplakat für die Visa-Kreditkarte anlässlich des 700-Jahr-Jubiläums der Eidgenossenschaft, 1991 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat für die Visa-Kreditkarte anlässlich des 700-Jahr-Jubiläums der Eidgenossenschaft, 1991 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

In der Bankenstatistik 2000 wurden die Kredite an Kunden im Inland einschliesslich der Hypotheken mit 646,805 Mrd. Franken ausgewiesen. Bei den Ausleihungen der Grossbanken überwiegen die sogenannten Kommerzkredite an Unternehmungen mit einem Anteil von zwei Dritteln. Die Kreditgewährung an öffentlich-rechtliche Körperschaften im Inland wächst tendenziell im Gleichschritt mit den Ausleihungen an private Schuldner. 2000 betrugen die öffentlich-rechtlichen Körperschaften gewährten Vorschüsse und Darlehen 28,794 Mrd. Franken, von denen 16,174 Mrd. Franken von den Kantonalbanken stammten. Zum Vergleich: Die inländischen Hypothekarforderungen lagen in diesem Jahr bei 505,053 Mrd. Franken.

Kleinkredite und Leasingverträge 1983-2005
Kleinkredite und Leasingverträge 1983-2005 […]

Eine geringere Bedeutung weist seit jeher der Konsumkredit ohne kurante Sicherheiten auf. Nach 1945 war ein erheblicher Anstieg bei der Aufnahme von solchen Kleinkrediten für Abzahlungsgeschäfte (häufig Autos) festzustellen (Konsumverhalten). Bis Mitte der 1960er Jahre bot eine Vielzahl eher kleinerer Institute solche Dienstleistungen an, die dann im Lauf eines Konzentrationsprozesses grösstenteils von den Grossbanken übernommen wurden. Der Marktanteil der Grossbanken und ihrer Tochterfirmen betrug 1985 rund 80%. Gegen Missbräuche schritten zuerst einige Kantone mit gesetzlichen Regelungen ein, welche zum Beispiel einen Höchstzins und Normen bezüglich der Werbung für solche Kredite festlegten. Schon 1957 ist ein Konkordat über Massnahmen zur Bekämpfung von Missbräuchen im Zinswesen geschlossen worden. Ein Bundesgesetz über den Konsumkredit trat 1993 in Kraft. Die Statistiken über die Kleinkredite sind unvollständig. Die SNB, welche die beanspruchten Kleinkredite bis 60'000 Franken bei 45 Bankinstituten erfasst, ermittelte für das Jahr 2000 291'216 Darlehen mit einem Gesamtwert von 4,255 Mrd. Franken. Etwas aussagekräftiger sind die Angaben der Zentralstelle für Kreditinformation (ZEK), die 83 Kreditgeber, darunter auch Leasing-Gesellschaften, untersucht. Sie kam für 2000 auf eine Kreditsumme von 5,130 Mrd. Franken, verteilt auf 390'052 Kreditverträge mit einer durchschnittlichen Restkreditschuld von bescheidenen 13'152 Franken. Der Kleinkredit ist wegen der strengeren Auflagen des revidierten Konsumkreditgesetzes, das Anfang 2003 in Kraft trat, weiter rückläufig. Das Ausmass der Konsumkreditschulden erreicht rund 1,5% des Bruttoinlandprodukts, 2% des verfügbaren Haushaltseinkommens und 2,2% des Endkonsums der privaten Haushalte; die schweizerischen Werte liegen damit tiefer als in den meisten anderen Industriestaaten. Gemäss einer Untersuchung im Vorfeld der Gesetzesrevision genügt eine Zinsmarge von durchschnittlich 7,65% zur Vollkostendeckung, während das neue Gesetz einen Höchstzinsfuss von 15% empfiehlt. An die Stelle der Konsumkredite sind vielfach Substitute wie tolerierte Überziehungen von Salärkonti und Leasing-Verträge getreten. Letztere, die vor allem im Automobilgeschäft vorherrschen, erreichten (nur private Autoleasing-Verträge) Ende 2001 mit 4,1 Mrd. Franken praktisch drei Viertel des Volumens der traditionellen Konsumkredite. Erheblich sind in diesem Zusammenhang auch die Kreditierungen aufgrund von Kreditkarten. Erste amerikanische Kreditkarten kamen Ende der 1950er Jahre in Europa auf den Markt, wo sie ab der zweiten Hälfte der 1960er Jahre von europäischen Karten konkurrenziert wurden. Der breite Durchbruch gelang den verschiedenen Kartenunternehmen aber erst in den letzten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, nachdem 1980 ein einheitlicher Standard für Magnetstreifen eingeführt war und die Zahl der Akzeptanzstellen damit ungehindert wachsen konnte.

Werbeplakat der Agentur Favo in Basel, 1991 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Werbeplakat der Agentur Favo in Basel, 1991 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).

Auch die Lebensversicherer gewähren ihren Kunden Kredite in Form sogenannter Policendarlehen, deren Konditionen sich im Rahmen von Bankkrediten gegen kurante Sicherheiten halten, ferner auch Hypothekarkredite (auch an Nichtkunden). Die Kreditengagements der Versicherungen sind weit geringer als jene der Banken: Im Jahr 2000 betrugen die Policendarlehen an Kunden 8,476 Mrd. Franken, die Hypothekarforderungen 26,986 Mrd. Franken und die Schuldscheindarlehen (v.a. an die öffentliche Hand) 20,450 Mrd. Franken. Ausserhalb des Bankensystems treten auch Pensionskassen (Hypotheken), weitere arbeitgeberseitige oder paritätische Fonds sowie Arbeitgeber in einem nicht bekannten Ausmass als Kreditgeber auf. Seit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die berufliche Vorsorge 1985 hat eine Verlagerung zu den anerkannten Trägern der beruflichen Vorsorge stattgefunden. Nicht zu den Krediten gezählt werden die Überbrückungshilfen im Bereich der Sozialleistungen der öffentlichen Hand (Bevorschussung von Alimenten, IV-Renten oder rückzahlbare Leistungen zur Sicherung des Existenzbedarfs).

Alte, "klassische" Kreditformen wie der Wechselkredit (Diskont) der Banken haben stark an Bedeutung verloren (nicht hingegen die Lombardierung von Wertschriftenbeständen). An die Stelle des Wechselkredits ist in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der Zessionskredit getreten: Forderungen gegenüber Dritten werden der Bank abgetreten (zediert) und von dieser bevorschusst.

Kein eigentliches Bankgeschäft ist die Pfandleihe bzw. der Versatzkredit; als einziges Finanzinstitut gründete die Zürcher Kantonalbank 1872 eine Pfandleihanstalt. Die übrigen Institutionen, die dieses Geschäft pflegen, sind entweder in öffentlichem Besitz (Genf) oder werden von gemeinnützigen Vereinen betrieben. Ihre wirtschaftliche und soziale Bedeutung ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts abnehmend. Sie bedürfen einer kantonalen Konzession.

Quellen und Literatur

Mittelalter und Frühneuzeit
  • H. Lüthy, La banque protestante en France, 2 Bde., 1959-61
  • H.C. Peyer, Von Handel und Bank im alten Zürich, 1968
  • A. Dubois, «Economie alpine et capitaux urbaines», in SZG 29, 1979, 287-300
  • M. Körner, Solidarités financières au XVIe siècle, 1980
  • H.-J. Gilomen, «Die städt. Schuld Berns und der Basler Rentenmarkt im 15. Jh.», in BZGA 82, 1982, 5-64
  • A. Dubois, «Die Teilnahme des Walliser Regiments de Preux am Veltliner Feldzug von 1624-1627», in Gesellschaft und Gesellschaften, hg. von N. Bernard und Q. Reichen, 1982, 185-209
  • M. Körner, «Kawerschen, Lombarden und die Anfänge des Kreditwesens in Luzern», in Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen, hg. von U. Bestmann et al., 1, 1987, 245-268
  • M. Körner, «Kreditformen und Zahlungsverkehr im spätma. und frühneuzeitl. Luzern», in Scripta mercaturae 21, 1987, H. 1-2, 116-157
  • H.-J. Gilomen, «Das Motiv der bäuerl. Verschuldung in den Bauernunruhen an der Wende zur Neuzeit», in Spannungen und Widersprüche, hg. von S. Burghartz et al., 1990, 173-189
  • H.-J. Gilomen, «Wucher und Wirtschaft im MA», in Hist. Zs. 250, 1990, 265-301
  • F. Morenzoni, «Les prêteurs d'argent et leurs clients dans le Valais savoyard à la veille de la Peste Noire: la casane de Sembrancher en 1347», in SZG 42, 1992, 1-27
  • U. Pfister, «Le petit crédit rural en Suisse aux XVIe-XVIIIe siècles», in Annales 49, 1994, 1339-1357
19. und 20. Jahrhundert
  • K. Blaum, Das Geldwesen in der Schweiz seit 1798, 1908
  • E. Albisetti et al., Hb. des Geld-, Bank- und Börsenwesens der Schweiz, 41987
  • Banken und Kredit in der Schweiz (1850-1930), hg. von Y. Cassis, J. Tanner, 1993
  • Die Banken in der Schweiz, 1997-
  • Geld-, Bank- und Finanzmarkt-Lex. der Schweiz, hg. von M. Boemle et al., 2002, 135-137, 665-669
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Körner; Richard Schwertfeger: "Kredit", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.11.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013893/2011-11-10/, konsultiert am 19.03.2024.