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Futtermittel

Futtermittel dienen vorab in der Landwirtschaft der Ernährung von Nutz- oder Haustieren und bestehen aus organischen Stoffen überwiegend pflanzlicher Herkunft sowie aus mineralischen Stoffen. Eine Vielzahl von Futtermitteln wird aus Nebenprodukten und Rückständen der für den Menschen bestimmten Nahrungsmittel gewonnen. Das mit Abstand wichtigste Futtermittel für Schafe, Ziegen, Rinder und Pferde bildet jedoch das Gras, das als natürliche Pflanzendecke auf weiten Flächen wächst.

Die Bewirtschaftung von Weiden bildete denn auch bis fast zur Mitte des 19. Jahrhunderts das Rückgrat der Viehwirtschaft. Graswirtschaft oder Wiesenanbau (Wiesen), also die Bewirtschaftung von Matten zur Heugewinnung, blieb bis ins Hochmittelalter von untergeordneter Bedeutung und erfuhr erst ab dem 13. Jahrhundert eine Ausweitung. In den Alpen beweidete das Vieh im Frühjahr die Talhänge, im Sommer die höher gelegenen Alp- und Hochweiden, während in der Talsiedlung hauptsächlich die Wintervorräte produziert und gesammelt wurden. Futtermittel wurden in Wald, Feld und auf der Allmend gewonnen. Fast alle Laubbaumarten, viele Sträucher und Grünhecken lieferten zudem frisches Futterlaub, die Früchte der Eichen und Buchen dienten der Schweinemast, das Federvieh fand auf dem Hof, in Obstgärten und auf Stoppelfeldern den grössten Teil seiner Nahrung. Die eng mit der Wald- und Allmendweide verknüpfte Schneitelwirtschaft, das Schneiden von Nadel- und Laubzweigen und das Abstreifen des Laubs für den Wintervorrat, lieferte eine Ergänzung zu Heu und Stroh. Laubheu machte noch im 19. Jahrhundert einen oft unterschätzten Anteil des Winterfutters aus.

Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts wurden neue Futtermittel wie Zuckerrüben und Mais und neue Methoden der Futterbereitung und Futterkonservierung – z.B. durch Dämpfen und Vergären – unter Zuhilfenahme neuer landwirtschaftlicher Maschinen eingeführt. Neben Grün- und Dürrfutter wie Gras, Heu, Emd, Stroh und Spreu traten Saftfuttermittel wie Kartoffeln, Futterrüben oder Topinamburknollen, Gärfuttermittel und die sogenannte Silage, die in Silos oder in Siloballen konservierten Grasmischungen, Rübenkraut und Mais. Ferner werden heutzutage Kraftfuttermittel produziert, also hochwertige, eiweiss- und fettreiche Produkte wie Zuckerrübenschnitzel, Körner, Getreideschrot, Kleie, auch Ölsamen und Ölkuchen, welche als Nebenprodukte beim Pressen von Ölsaaten wie Hanf, Flachs, Mohn und Raps anfallen.

Prähistorische Weide- und Sammelwirtschaftsformen

In prähistorischer Zeit suchte sich das Hausvieh sein Futter weitgehend selber. Die Weide im Wald und auf den mehr oder weniger offenen Grünlandflächen wurde das ganze Jahr über betrieben. Daneben spielte die Heugewinnung bereits eine gewisse Rolle für die Fütterung der Tiere im Winter. Die Bauern der Eisenzeit ernteten das Heu wohl bevorzugt im Auenbereich, in Feuchtgebieten und entlang von Seen und Flüssen. Funde von eisernen Sensenblättern um ca. 400 v.Chr. lassen vermuten, dass man damals bereits Gras schnitt (Sense).

Für den Winterfuttervorrat hatten Laubheu oder Futterlaub den Vorrang vor Grasheu. Zur Gewinnung von Futterlaub streifte und rupfte man das Laub direkt von den Zweigen oder brach und schnitt Zweige und haute ganze Äste von den Bäumen. Das Laub und die feineren Zweige wurden direkt verfüttert oder mit den gröberen Ästen getrocknet und unter Dach gelagert. Im Winter graste das Vieh im siedlungsnahen Wald und ernährte sich von sämtlichem erreichbarem Grünzeug. Archäobiologische Auswertungen von Ziegen- und Schafkot von etwa 3050 v.Chr. bezeugen, dass sich Schafe und Ziegen im Winter zu einem guten Teil von Sträuchern, Efeu, Brombeeren und Wildfrüchten ernährten. Frühe Darstellungen von Ziegen, die auf den Hinterbeinen stehend die untersten Zweige und Blätter von Bäumen und Sträuchern abfressen, sind mehrfach überliefert.

Von der Römerzeit bis zum Hochmittelalter

Das Weiden blieb auch in römischer und frühmittelalterlicher Zeit die wichtigste Art, Futter zu beschaffen. Cato stufte die Wiesen noch vor dem Getreideland ein, weil sie auch im Winter verpachtet werden konnten. Fehlende Schriftquellen erschweren aber konkrete Aussagen über andere Arten der Futtermittelgewinnung aus den drei Nutzungsbereichen ager (Zelgen), saltus (Allmend) und silva (Wald) nördlich der Alpen. Römische Schriftsteller kannten Klee und Luzerne. Letztere wurde in langen Beeten angebaut und hatte als Pferdefutter sogar eine gewisse kommerzielle Bedeutung. Den römischen Bauern scheint zudem die düngende und bodenverbessernde Wirkung von Hülsenfrüchten wie Bohnen und Linsen sowie Futterpflanzen wie Klee und Luzerne bekannt gewesen zu sein, denn sie pflanzten solche Leguminosen im Wechsel mit verschiedenen Getreidearten (Düngung).

Nördlich der Alpen dominierten auf extensiver Viehwirtschaft basierende, sogenannte silvopastorale Wirtschaftsformen. Produkte der Sammelwirtschaft wie Reisig, Futterlaub und Waldfrüchte machten einen wichtigen Anteil der Nahrungsgrundlage von Mensch und Vieh aus. Bauern und Hirten schnitten die belaubten Zweige vom Baum. Die verschiedenen Schneiteltechniken gaben Bäumen und Landschaft ein typisches Gepräge. Die Spuren, welche diese jahrtausendealte Sammelwirtschaft hinterlassen haben, sind in der Schweiz bis heute – etwa in den sogenannten Studmatten und Wytweiden in Jura und Alpenvorland, also Waldflächen, die der Futtergewinnung dienten und auf denen der Wald nur teilweise überdauern konnte – erhalten geblieben.

Heuernte im Unterengadin. Zeichnung aus Martin Peider Schmid von Grünecks Werk Chiantun verd (Bd. 2), 1774 (Fundaziun de Planta, Samedan).
Heuernte im Unterengadin. Zeichnung aus Martin Peider Schmid von Grünecks Werk Chiantun verd (Bd. 2), 1774 (Fundaziun de Planta, Samedan). […]

Wiesen, die ausschliesslich für den Grasschnitt genutzt wurden und höchstens noch als Vor- und Nachweide dienten, kamen im Verlauf des Frühmittelalters auf. Zweischürige Wiesen, auf denen nacheinander geheut und geemdet wurde, folgten erst später. Die Entwicklung der bis heute gebräuchlichen Sensenform im 12. oder 13. Jahrhundert, die den regelmässigen Grasschnitt erleichterte, begünstigte vielleicht die striktere Nutzungstrennung von Weiden und Wiesen. Der Wiesenbau sowie die Methoden der Heugewinnung und Heulagerung wurden wahrscheinlich im gleichen Zeitraum verbessert. Darauf weisen die im 13. Jahrhundert entstandenen Schweighöfe hin, spezialisierte herrschaftliche Viehzüchterhöfe.

Spätmittelalter und frühe Neuzeit

In den Dörfern des Mittellandes bot die Dreizelgenbrachwirtschaft wenig Raum für Wiesen (Zelgensysteme). Die Konkurrenz zwischen Mensch und Nutztier um Nahrungsmittel war gross. Innerhalb der Zelgen musste soviel Getreide wie möglich produziert werden. Die später aufkommende Brachebewirtschaftung (Brache) schränkte die kollektiven Weidemöglichkeiten für das Vieh zusätzlich stark ein. Die Winterfütterungsregel erlaubte den Bauern, nur soviel Vieh zu halten, wie überwintert werden konnte. Tendenzen zu einer Intensivierung des Grasbaues können an der Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert ausgemacht werden: Weiden und sogar Äcker wurden vermehrt in Wiesen umgewandelt, was eine Aufstockung der Dürrfuttervorräte ermöglichte.

Im Laufe der frühen Neuzeit wendeten die Bauern regional und lokal unterschiedliche Strategien an, um die Futterbasis auszuweiten. Durch die vermehrte Einhegung von Allmend- und Zelgland zu (Wässer-)Wiesen um 1600 erfuhr der Wiesenbau eine beträchtliche Intensivierung. Durch die periodische Bewässerung des Graslandes wurde dieses gedüngt. Nicht alle Wässerwiesen wurden aber ausschliesslich zur Futtergewinnung genutzt; ein dazwischengeschalteter Anbau von Getreide ermöglichte die Ausweitung der Dinkelerträge.

Im 18. Jahrhundert verbesserten Bauern im Zürcher Unterland die Heuerträge durch Düngung der Wiesen mit Mergel oder Kalk. In allen Mittellandkantonen experimentierten aufgeschlossene Landwirte – unterstützt von bürgerlichen Agrarreformern (Agrarrevolution) – mit neuen, als Saatgut teuer importierten Futterpflanzen wie Esparsette, Luzerne und Rotklee, erprobten damit neue Fruchtfolgen und begannen auch schon, Jauchegruben einzurichten. Diese Massnahmen trugen zur Erhöhung der Futtererträge bei. Im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts wurde die Kartoffel eingeführt, deren Bedeutung als Futtermittel für Tiere ebenso gross war wie als Nahrung für den Menschen. Die gesotten und zerdrückt der Schweinetränke beigegebenen Kartoffeln trugen zur Ausdehnung der Schweinemast im 19. Jahrhundert bei. Mit dem Übergang zur Sommerstallfütterung ging eine Einschränkung der traditionellen Weide- und Nutzungsrechte in Wald und Allmend einher, was schliesslich in die Auflösung der Allmenden und die Abschaffung der kollektiven Weiderechte mündete.

In den Freiburger Voralpen. Fotografie von Simon Glasson, um 1925 (Musée gruérien, Bulle).
In den Freiburger Voralpen. Fotografie von Simon Glasson, um 1925 (Musée gruérien, Bulle). […]

Das 19. und 20. Jahrhundert

Im 19. Jahrhundert fand durch die Fruchtwechselwirtschaft ein grundlegender Wandel in der Futtermittelproduktion statt. Nicht nur auf Wiesen und Weiden, sondern auch auf gutem Ackerland wurde immer mehr Futter erzeugt, zuerst Futterleguminosen und Kunstgräser, dann Runkelrüben, schliesslich noch Mais. Allerdings wurden Futtergetreide und Leguminosen bzw. Körnerfutter – besonders für das Federvieh und die Pferde – bereits im Mittelalter auf Äckern angebaut.

Silos bei einem Bauernhof im zürcherischen Knonau, 1999 (Bild Archiv HR. Bramaz, Oberwil-Lieli).
Silos bei einem Bauernhof im zürcherischen Knonau, 1999 (Bild Archiv HR. Bramaz, Oberwil-Lieli).

Ende der 1920er Jahre wurde ein neues Verfahren zur Haltbarmachung von Grünfutter in Silos entwickelt, die auf einer Milchsäuregärung beruht. Durch Zugabe einer verdünnten Lösung von Ameisen-, Salz- und Schwefelsäure und durch Stampfen und Pressen des eingefüllten, gehäckselten Pflanzenmaterials konnten – unter luftdichtem Abschluss – die Nährwertverluste reduziert werden. Die Milch von Kühen, die Silage fressen, kann jedoch nicht für die Herstellung von Hartkäse verwendet werden.

In Silageballen zusammengepresstes und mit einer Plastikfolie geschütztes Heu bei Affoltern am Albis, 2003 (Bild Archiv HR. Bramaz, Oberwil-Lieli).
In Silageballen zusammengepresstes und mit einer Plastikfolie geschütztes Heu bei Affoltern am Albis, 2003 (Bild Archiv HR. Bramaz, Oberwil-Lieli). […]

Die Trocknung des Grünfutters konnte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Einführung der Heubelüftung am Ort der Lagerung wesentlich verbessert werden. Die Bröckelverluste auf dem Feld und die Abhängigkeit vom Wetter wurden so gemindert. Bis im Jahr 2000 waren ca. 50'000 Betriebe mit einer Heubelüftung ausgestattet. Eine Konservierung mit sehr geringem Nährstoffverlust stellt die Grastrocknung in zentralisierten Anlagen dar, die sich nach vorangegangenen Versuchen in den 1950er Jahren ausbreitete. Allerdings verbraucht sie viel Energie und ist teuer. Das Gras wird in gehäckselter Form in einem auf 800 bis 1000 °C aufgeheizten Luftstrom getrocknet, wobei der Wassergehalt innerhalb von 10 bis 15 Minuten auf 12 bis 8% reduziert wird. Nach der Trocknung wird das Material gemahlen und/oder zu Würfeln gepresst. Das Resultat ist ein handliches, fast unbeschränkt haltbares, nährstoffreiches Kraftfutter. Verfüttert wird es auch an Schweine und Hühner sowie für das Rindvieh unter das gemahlene Saftfutter gemischt. Seit den 1950er Jahren spielen nebst Magermilch und Molke noch andere tierische Futtermittel wie Fisch- und Fleischmehl eine wichtige Rolle als Mastfutter. Der seit den 1990er Jahren auftretende sogenannte Rinderwahnsinn (Bovine spongiforme Enzephalopathie, BSE) hat jedoch zu einem Verbot des Verfütterns von Tiermehl geführt (Viehseuchen).

Quellen und Literatur

  • J. Trier, Venus, 1963
  • «Futterbau, Futterkonservierung», in Landwirtschaft im Industriekt., 1976, 74-83
  • D. Rogger, Obwaldner Landwirtschaft im SpätMA, 1989
  • A. Ineichen, Innovative Bauern, 1996
  • M. Ambrosoli, The Wild and the Sown, 1997 (ital. 1992)
  • C. Burga, R. Perret, Vegetation und Klima der Schweiz seit dem jüngeren Eiszeitalter, 1998
  • R. Ebersbach et al., «Horgen-Scheller – Ein Bauerndorf?», in ArS 22, 1999, 18-21
  • M. Stuber, M. Bürgi, «Agrar. Waldnutzungen in der Schweiz 1800-1950», in Schweiz. Zs.f. Forstwesen 152, 2001, 476-508; 153, 2002, 397-410
Weblinks
Kurzinformationen
Kontext Esparsette, Heu, Klee, Luzerne, Rüben

Zitiervorschlag

Margrit Irniger: "Futtermittel", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.11.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013861/2006-11-20/, konsultiert am 29.03.2024.