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Internationale Arbeitsorganisation (ILO)

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) mit ihren humanitären, politischen und ökonomischen Zielsetzungen geht auf Ideen für einen internationalen Arbeiterschutz der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. Im letzten Viertel des Jahrhunderts verstärkten sich die Bemühungen, den in einzelnen Industrieländern eingeführten gesetzlichen Arbeiterschutz auszubauen und die für die sozialpolitisch innovativen Staaten entstandenen Wettbewerbsnachteile durch zwischenstaatliche Vereinbarungen auszugleichen. Die Schweiz war an diesem Prozess mit zwei Initiativen (1881, 1889) führend beteiligt. Weitere Vorstösse, unter anderem der vom Schweizerischen Arbeiterbund einberufene Internationale Kongress für Arbeiterschutz von 1897 in Zürich, führten 1901 zur Gründung der Internationalen Vereinigung für gesetzlichen Arbeiterschutz und des Internationalen Arbeitsamts (IAA) mit Sitz in Basel. Mitgliedschaft und Finanzen der privatrechtlich organisierten Vereinigung waren bescheiden. Das IAA hatte unter anderem die nationalen Gesetze und Verordnungen sowie deren Ausführung in einem Bulletin zu dokumentieren und Projekte vorzubereiten. Auf Ersuchen der Vereinigung lud der Bundesrat zu vier Konferenzen nach Bern: Nach Vorarbeit einer Expertenkonferenz 1905 verabschiedete eine Arbeiterschutzkonferenz 1906 die ersten internationalen Abkommen (Verbot der Frauennachtarbeit in der Industrie, Verbot von Phosphor in der Zündholzindustrie). 1913 bereitete eine dritte Konferenz zwei weitere Abkommen vor, der Kriegsausbruch verhinderte jedoch die für 1914 geplante Ausführung.

Die Suspendierung des Arbeiterschutzes während und die sozialen und politischen Unruhen am Ende des Ersten Weltkriegs führten auf Druck von Gewerkschaften wie Unternehmern in Teil XIII des Friedensvertrags von Versailles 1919 zur Neuorganisation des internationalen Arbeiterschutzes in der Internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO). Die ILO wurde eine Einrichtung des Völkerbunds, der sie auch finanzierte, und 1946 die erste Sonderorganisation der Vereinten Nationen (Internationale Organisationen). Sie hat seit 1920 ihren Sitz in Genf (1940-1948 kriegsbedingt in Montreal). Die Internationale Arbeitskonferenz (IAK), die Vollversammlung der Mitglieder, verabschiedet Übereinkommen und Empfehlungen, der Verwaltungsrat beschliesst als Exekutive über Programm und Budget, das IAA ist das ständige Sekretariat unter Leitung des von der Exekutive gewählten Generaldirektors. Vollversammlung und Verwaltungsrat setzen sich im Verhältnis 2:1:1 aus Vertretern der Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen (nach dem Prinzip der Dreigliedrigkeit). Dominierten in der Zwischenkriegszeit die Bereiche Arbeiterschutz und Arbeitsrecht das Wirken der ILO, erweiterte sie mit der Dekolonialisierung, später mit dem Ende des Kalten Krieges und mit der Globalisierung, ihren Aufgabenkreis um die Entwicklungspolitik (technische Zusammenarbeit, wirtschaftliche und berufliche Entwicklung usw.). Zusätzlich schuf die ILO autonome Institute für arbeitswissenschaftliche Forschung, Dokumentation und Information. 1919-2007 verabschiedete die IAK 188 Übereinkommen und 199 Empfehlungen zu Minimalstandards von Lebens- und Arbeitsbedingungen, zur Anerkennung der Menschenrechte und zur Schaffung neuer Erwerbsmöglichkeiten. Die Übereinkommen wurden von den Mitgliedsstaaten auf freiwilliger Basis mehr als 6800-mal ratifiziert. 2007 umfasste die ILO 181 Staaten und beschäftigte inklusive der 53 Aussenstellen (2008 unverändert) 3077 Mitarbeiter (2008 rund 2500) sowie 1239 ständige Experten (2008 rund 800). 2006-2007 betrug das Budget 594 Mio. US-Dollar. 1969 erhielt die ILO den Friedensnobelpreis. Die Schweiz ist seit 1919 Mitglied der ILO, sie war 1919-1922 und ist erneut ab 1951 im Verwaltungsrat vertreten. Sie ratifizierte bis 2007 56 Abkommen, wovon 9 wieder aufgekündigt wurden. Insgesamt zeigt sich eine kontinuierliche Einwirkung der ILO in den Bereichen der schweizerischen Sozial- und Arbeitspolitik.

Quellen und Literatur

  • DDS 3-
  • HWSVw 1, 128-150
  • Hwb. der Staatswiss. 1, 41923, 686-701
  • Hwb. Internat. Organisationen, 32001
  • M. Senti, Die Schweiz in der ILO, 2000
  • M. Senti, Internat. Regime und nationale Politik, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Markus Bürgi: "Internationale Arbeitsorganisation (ILO)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 20.05.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013817/2010-05-20/, konsultiert am 29.03.2024.