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Steuerhinterziehung

Die Steuerhinterziehung ist eine Form des Steuerwiderstandes, die auf einer Verfahrensverletzung durch eine täuschende Handlung oder Unterlassung der steuerpflichtigen Person beruht und dadurch zu einer geringeren Steuer führt, als sie von Gesetzes wegen geschuldet wäre. Die dieser Definition zugrunde liegende rechtliche Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug ist eine Eigenart der schweizerischen Rechtsordnung: Vorsätzlich oder fahrlässig Erträge den Steuerbehörden nicht zu melden, gilt als Steuerhinterziehung und zieht als Tatbestand des Nebenstrafrechts nur ein administratives Verfahren nach sich. Nur der Steuerbetrug, der die Täuschung des Fiskus mit gefälschten Dokumenten voraussetzt, wird strafrechtlich geahndet und ermöglicht eine Aufhebung des Bankgeheimnisses. Diese Unterscheidung begünstigt die Steuerflucht in die Schweiz, da ausländische Steuerbehörden von den schweizerischen Amtsstellen nur Auskünfte über in der Schweiz angelegte Werte erhalten, sofern sie einen Steuerbetrug nachweisen können.

Der kollektive Steuerwiderstand, der für vormoderne Zeiten typisch ist, wich im modernen Steuerstaat individuellen Strategien, wobei die Abgrenzung zwischen legaler Steuervermeidung, Steuerumgehung – etwa durch Steuerflucht in Steueroasen – sowie Steuerhinterziehung und Steuerbetrug nicht einfach ist und im 20. Jahrhundert von den europäischen Staaten auch unterschiedlich gehandhabt wurde. In der Schweiz galt die Steuerhinterziehung als wirksames Mittel gegen hohe Steuerbelastung. Der Bund erliess Amnestien, um den Steuerverlust zu verringern und als Kompensation für neue fiskalische Belastungen (Aufschlag Krisenabgabe, Wehropfer, Einführung der Verrechnungssteuer 1944). Höhepunkt dieses Opportunitätsdenkens war die 1968 angenommene und 1969 dann durchgeführte Steueramnestie unter Verzicht auf jene Bekämpfungsmassnahmen der Steuerhinterziehung, wegen denen das Volk eine solche Vorlage 1964 noch abgelehnt hatte. Der Zuwachs des nach dieser Amnestie veranlagten Vermögens betrug 1940 15%, 1945 28% und 1969 25%. Der durch Steuerhinterziehung entgangene Steuerertrag wurde für 1960 auf 300-350 Mio. Franken geschätzt. Schätzungen für die späten 1990er Jahre beliefen sich auf etwa das Doppelte. Gegen Ende der 1990er Jahre wurden Vorstösse für eine neue Steueramnestie lanciert. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts rückte das Dossier Steuerhinterziehung in den bilateralen Verhandlungen mit der EU ins Zentrum; die Steuerhinterziehung mit Hilfe von Schweizer Banken belastete zudem die Beziehungen zu den USA. Von der Schweiz wurde verlangt, anderen Staaten nicht nur bei Steuerbetrug, sondern auch bei Steuerhinterziehung Rechtshilfe zu leisten und das Bankgeheimnis aufzuheben.

Quellen und Literatur

  • F. Brupbacher, Die rechtsstaatl. Problematik der Steueramnestie, 1968
  • A. Margairaz, La fraude fiscale et ses succédanés, 1970 (31987)
  • A. MargairazSteuerhinterziehung und staatl. Steuerkontrolle, 1986
  • U. Behnisch, Das Steuerstrafrecht im Recht der direkten Bundessteuer, 1991
  • Place financière suisse, évasion fiscale et intégration européenne, hg. von R. Schwok, 2002
Weblinks

Zitiervorschlag

Ruedi Brassel-Moser: "Steuerhinterziehung", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.02.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013773/2012-02-21/, konsultiert am 28.03.2024.