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Finanzausgleich

Als Finanzausgleich bezeichnet man die Massnahmen, die dem Ausgleich der unterschiedlichen finanziellen Leistungsfähigkeit der Körperschaften in einem föderalistisch organisierten Staat dienen (Öffentlicher Haushalt). Ein vertikaler Finanzausgleich liegt vor, wenn ein übergeordnetes Gemeinwesen untergeordnete unterstützt, zum Beispiel der Bund die Kantone. Der horizontale Finanzausgleich umfasst dagegen Ausgleiche zwischen Körperschaften auf gleicher Ebene, zum Beispiel zwischen den verschiedenen Gemeinden innerhalb eines Kantons. Beim vertikalen Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen, auf den sich die folgenden Ausführungen beschränken, werden drei verschiedene Massnahmen unterschieden: Kantonsanteile an Bundeseinnahmen (z.B. direkte Bundessteuer, Mineralölsteuer, Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe), Subventionen an laufende Ausgaben oder an Investitionen sowie die Übertragung von Aufgaben von den Kantonen auf den Bund (z.B. AHV, IV).

Die Bundesverfassung von 1848 überliess die Kompetenz zur Erhebung von direkten Steuern den Kantonen. Der Bund finanzierte seine Ausgaben primär aus Zoll- und Posteinnahmen, wobei er bis 1874 die Kantone für die ihnen entzogenen Einnahmen entschädigte. Die Bundesverfassung enthielt einen einzigen Subventionsartikel (Artikel 21), gemäss dem der Bund öffentliche Werke im Interesse des Landes (v.a. Strassenbau, Forstwesen und Gewässerkorrektionen) unterstützte. Die Kantone Uri, Graubünden, Tessin und Wallis empfingen Beiträge zur Finanzierung der wichtigen Passstrassen. Später kamen weitere Subventionen für die Berufsbildung (1884), die Landwirtschaft (1893), das Gesundheitswesen (1897) und die Primarschulen (1902) hinzu. Ab 1915 wurde unter verschiedenen Bezeichnungen eine direkte Bundessteuer auf dem Vermögen und Einkommen erhoben; dann wurden die Stempelsteuer (1917), die Warenumsatzsteuer (1941) und die Luxussteuer (1942) eingeführt, deren Erträge teilweise den Kantonen zufielen. Ab 1925 leistete der Bund den Kantonen in Form des Benzinzollviertels abgestufte Beiträge an die allgemeinen Strassenkosten. Mit dem Bundesgesetz über die AHV von 1946 wurden zum ersten Mal die Beiträge der einzelnen Kantone nach deren finanzieller Leistungsfähigkeit bemessen, womit die Finanzkraft der Kantone zum bestimmenden Faktor für die Höhe der Bundessubventionen wurde. Dies geschah weitgehend nach dem Verhältnis 3 : 4 : 5 für finanzstarke, finanziell mittelstarke und finanzschwache Kantone.

Trotz stetigem Ausbau der Bundestransferleistungen an die Kantone war der bundesstaatliche Finanzausgleich vor dem Zweiten Weltkrieg eher bescheiden. In der Nachkriegszeit spielte der Finanzausgleich in der Diskussion um die Neuordnung der Bundesfinanzen und ein ausgewogenes wirtschaftliches Wachstum in allen Landesteilen eine zentrale Rolle. 1958 wurde der Finanzausgleich in der Bundesverfassung verankert (alte Bundesverfassung Artikel 41ter und 42ter, Bundesverfassung 1999 Artikel 135). Obwohl die Bundestransferzahlungen seither eine starke Ausweitung erfuhren und 2000 rund einen Viertel der gesamten Bundesausgaben betrugen, konnten die finanziellen Disparitäten unter den Kantonen, insbesondere in Bezug auf die Steuerbelastung, nicht vermindert werden. Der Hauptgrund liegt in der Vermischung zwischen allokativen und distributiven Zielen der Subventionen sowie in der Verzettelung auf über hundert Einzelmassnahmen.

Plakat zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. November 2004 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste).
Plakat zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 28. November 2004 (Museum für Gestaltung Zürich, Plakatsammlung, Zürcher Hochschule der Künste). […]

Die Systemmängel des Finanzausgleichs wurden 1991 offenkundig, als die Eidgenössische Finanzverwaltung eine Finanzausgleichsbilanz erstellte. Daraufhin verabschiedete die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren 1993 einen Orientierungsrahmen für die Überarbeitung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. 1996 wurde ein Bericht über die «Neugestaltung des Finanzausgleichs und die Aufgaben» (NFA) und 1999 Vorschläge über dessen Konkretisierung in die Vernehmlassung gegeben. Hauptziele der NFA bildeten die Verringerung der Unterschiede zwischen finanzstarken und finanzschwachen Kantonen sowie die Schaffung von wirksameren und kostengünstigeren Strukturen für die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen. Um den Handlungsspielraum der Kantone zu vergrössern, sollten diese mehr frei verfügbare Mittel an Stelle von zweckgebundenen Beiträgen erhalten. Ausserdem sollten nicht nur die topografisch bedingten Sonderlasten der Berggebiete, sondern auch die soziodemografischen Sonderlasten der Zentrumskantone durch den Bund abgegolten werden. Für einzelne Aufgabengebiete wurde die interkantonale Zusammenarbeit mit obligatorischem Lastenausgleich gefördert. Der von Behindertenorganisationen bekämpfte Finanzausgleich wurde in der Volksabstimmung vom 28. November 2004 mit 64.4% angenommen und trat 2008 in Kraft.

Quellen und Literatur

  • A. Geiges, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen seit 1919, 1935
  • E. Buschor, Die öffentl. Finanzwirtschaft zwischen Automatismen und Mittelverknappung, 1983
  • Neue Finanzpolitik der Kantone, 1984
  • Der neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen, 1999
  • Der neue Schweizer Finanzausgleich, hg. von A. Rey, 1999
Weblinks

Zitiervorschlag

Alfred Rey: "Finanzausgleich", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.07.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013760/2017-07-13/, konsultiert am 29.03.2024.