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Metrisches System

Nach französischem Vorbild und auf Betreiben des Berner Professors Johann Georg Tralles setzte sich die Helvetische Republik die Einführung des metrischen Systems zum Ziel, doch ihr Mass- und Gewichtsgesetz von 1801 erlangte nie Geltung. Der Übergang der Mass- und Gewichtsaufsicht 1803 an die Kantone erschwerte die allgemein als wünschenswert erachtete Vereinheitlichung der Masse und Gewichte. In den nächsten Jahrzehnten bildeten sich drei Lager mit je unterschiedlichen Systemen heraus. Die – zeitweise unter französischer Besetzung stehende – West- und Südschweiz nahm auf Grund des Handelsverkehrs mit Frankreich zwischen 1800 und 1827 das metrische System ganz oder partiell an, so um 1800 das damals zum französischen Departement Mont-Terrible gehörende Gebiet des ehemaligen Fürstbistums Basel, 1813 Genf, 1822 die Waadt und 1824 das Wallis, während Neuenburg erst 1857 folgte. Für die neuen Einheiten wurden sowohl alte Namen und Unterteilungen beibehalten, als auch alte Einheiten integriert. Im Mittelland und in der Nordostschweiz einigten sich zwölf Kantone im Konkordat von 1835 auf ein schweizerisches Mass- und Gewichtssystem. Dieser Kompromiss auf der Basis des Meters, aber mit den alten Einheiten, wurde ein Jahr später umgesetzt. Im zentralen und östlichen Alpenraum hingegen beharrten die Kantone auf ihren vorrevolutionären Massen und Gewichten.

Der Bundesstaat übernahm 1848 gemäss Artikel 37 der Bundesverfassung (BV) den Auftrag, «auf den Grundlagen des eidgenössischen Konkordates für die ganze Eidgenossenschaft gleiches Mass und Gewicht» einzuführen. Das darauf erlassene Bundesgesetz von 1851 stiess indes auf die Ablehnung des Tessins und der Westschweizer Kantone, die am metrischen System festhielten, sowie des Kantons Uri, der seine alten Masse verteidigte. Die 1868 erfolgte Legalisierung des metrischen Systems, das parallel zum Konkordatssystem bestand, bedeutete einen ersten Schritt auf dem Weg zu dessen endgültiger Einführung. 1874 wurde die Festsetzung von Mass und Gewicht zur Bundessache (Artikel 40 BV). Daraufhin schloss die Schweiz 1875 mit 17 anderen Staaten, darunter ihren Nachbarn, die Meterkonvention in Paris und verpflichtete sich auf die internationalen Masseinheiten (Meter und Gramm). Mit dem Bundesgesetz von 1875 erhielt das metrische System in der Schweiz allgemeine Geltung; per 1. Januar 1877 wurde es definitiv eingeführt. Mit seiner Einführung verband sich die Überwachung der gesetzlichen Masseinheiten durch kantonale Eichmeister und deren Anleitung und Ausbildung unter der Oberaufsicht der 1862 gegründeten Eidgenössischen Eichstätte (ab 1909 Eidgenössisches Amt für Mass und Gewicht mit Sitz in Bern-Wabern seit 1967, ab 1977 Eidgenössisches Amt für Messwesen, 2001 Bundesamt für Metrologie und Akkreditierung, 2006 Bundesamt für Metrologie Metas, 2013 Eidgenössisches Institut für Metrologie Metas). Gemäss Berichten der eidgenössischen Inspektoren setzte sich das metrische System im Alltag nur zögerlich gegen die vorrevolutionären Einheiten und die Konkordatsmasse durch.

Auch in der Schweiz verlangte die rasche industrielle Entwicklung neue Messtechniken und -instrumente (u.a. Gas- und Wasseruhren oder Thermo-, Hygro-, Mano-, Baro-, Aero-, Tacho- und Anemometer), die Einführung neuer Masseinheiten (etwa die elektrischen Masseinheiten Ohm, Ampere, Volt, Watt, Henry und Farad) und vor allem die laufende Weiterentwicklung des metrischen Systems (u.a. mit dem sogenannten CGS-Einheitensystem mit seinen Basisgrössen Zentimeter, Gramm und Sekunde). Angesichts der Atomtechnologie und Elektronik wurde Letzteres zu einem internationalen Anliegen, weshalb sich die Schweiz nach der Revision ihres gesetzlichen Mass- und Gewichtswesens (Bundesgesetz von 1954 bzw. 1958) der Internationalen Metrologischen Organisation und 1977 dem weltweit angewandten SI-Einheitensystem (SI = Système international d'unités) anschloss. Dessen Grundeinheiten Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin, Candela und Mol bildeten in der Schweiz ab 1978 die Basis der Mengenbestimmung und wurden zu den gültigen Rechnungseinheiten in Wissenschaft und Technik. Als Mitglied und seit 1978 als Vertragspartnerin der Internationalen Generalkonferenz für Mass und Gewicht engagiert sich die Schweiz bei der Überarbeitung des internationalen SI-Einheitensystems. Auf einigen Gebieten blieben indes nichtmetrische Masse offiziell in Gebrauch, zum Beispiel Pferdestärken in der Autobranche, Fuss und Knoten in der Fliegerei und Schifffahrt.

Quellen und Literatur

  • A. Furrer, Volkswirtschafts-Lex. der Schweiz 2, 1889, 388-401
  • HWSVw 3, 24-27
  • A. Ineichen, Die gesetzl. Masseinheiten in der Schweiz, 1978 (31995)
  • M. Rickenbacher, Napoleons Karten der Schweiz, 2009
Weblinks

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Metrisches System", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.05.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013754/2014-05-22/, konsultiert am 16.04.2024.