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Rapperswil (SG)

Ehemalige Herrschaft, 1464-1798 zugewandter Ort der Eidgenossenschaft, ehemalige politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region See-Gaster, 1803-2006 mit 173 ha kleinste Gemeinde im Kanton, seit 2007 mit Jona Teil der Gemeinde Rapperswil-Jona. An der Grenze zum Kanton Zürich gelegen, befindet sich die Stadt verkehrstechnisch günstig an der engsten Stelle des Zürichsees auf einer Halbinsel an dessen Nordostufer, wo ihn der nach Hurden führende Seedamm in einen Ober- und einen Untersee trennt. 1229 Ratprehtswilêr 1850 1954 Einwohner; 1900 3414; 1950 5597; 1970 8713; 2000 7421.

Die Umgebung von Rapperswil ist altes Siedlungsgebiet. Ab 1998 wiesen taucharchäologische Sondierungen Insel- und Ufersiedlungen beidseits des Seedamms nach, die zwischen ca. 4300 und 800 v.Chr. datieren. Ihre kulturelle und verkehrstechnische Bedeutung wird durch vielfältiges Fundmaterial und Überreste von mehreren bronzezeitlichen Seebrücken (ab 1700 v.Chr.) bezeugt. In römischer Zeit (1.-4. Jahrhundert n.Chr.) war der Vicus Kempraten Etappen-, Handels- und Gewerbeort am Schnittpunkt der Verkehrswege aus Zürich und Winterthur sowie dem nach Chur führenden Alpenzubringer. Eine vermutete römische Befestigung des Burghügels liess sich bis anhin nicht nachweisen. Gräberfelder in Kempraten, Busskirch und Jona belegen die alemannische Landnahme ab Beginn des 7. Jahrhunderts. Überreste christlicher Kirchen aus dem 8./9. Jahrhundert an diesen drei Orten, wenn auch nicht in Rapperswil selbst, sprechen für eine frühmittelalterliche Besiedlung der Region.

Die Gründung von Rapperswil erfolgte spätestens nach 1220 im Kontext der Erschliessung der Nord-Süd-Transitachse über den Gotthard. Durch die Seeenge bei Rapperswil führte – als Verbindung zu den Handelsstrassen über die Bündner Pässe und den Arlberg – auch der Wasserweg von Zürich nach Weesen und Walenstadt. Diese verkehrsgeografisch günstige Lage versprach profitable Einnahmen. Die Herren von Rapperswil verlegten ihren Stammsitz von Altendorf (972 Rahprehtswilare) auf den Geländevorsprung bei Kempraten. Die dort liegende Siedlung Endingen wurde in die Stadtbefestigung eingebunden. Die Bürger von (Neu-)Rapperswil werden erstmals 1229 erwähnt, die Stadt 1233, ein Siegel 1277, der Rat 1288. Die gleichnamige Herrschaft mit Rapperswil als wirtschaftlichem und politischem Zentrum erstreckte sich vom Zürcher Oberland bis in die Innerschweiz.

Nach dem Aussterben der Rapperswiler mit Gräfin Elisabeth 1309 zerfiel die Territorialherrschaft unter den Söhnen ihres zweiten Gemahls Rudolf III. von Habsburg-Laufenburg. Die Zürcher zerstörten 1350 Stadt und Burg. 1354 erwarb Herzog Albrecht II. von Habsburg die Herrschaft, baute Stadt und Schloss neu auf, stärkte die Selbstverwaltung der Bürgerschaft und veranlasste den Bau der unter seinem Sohn und Nachfolger Herzog Rudolf IV. 1358-1360 errichteten hölzernen Seebrücke. Dies förderte Verkehr (Etappenort der Pilger nach Einsiedeln), Wirtschaft und Kultur. Rapperswil erstarkte als vorderösterreichische Stadt und Stützpunkt gegen die Eidgenossenschaft. Habsburgische Privilegien wie 1379 die niedere Gerichtsbarkeit oder 1406 die Schultheissenwahl durch die Stadtbürger stärkten die Eigenständigkeit. 1415 erfolgte die Erhebung zur freien Reichsstadt durch König Sigismund. 1442-1458 erneut unter habsburgischer Landesherrschaft, war Rapperswil jetzt ein Stadtstaat mit Kempraten, Wagen, Jona, Busskirch und Bollingen als Herrschaftsgebiet.

Als die Eidgenossen ab 1450 ihre Macht bis an den Rhein und Bodensee ausdehnten, musste sich Rapperswil – im Alten Zürichkrieg 1436-1450 isoliert und verarmt – dem politischen Druck beugen. 1458 marschierten eidgenössische Truppen in die Stadt ein. 1460 sagte sich Rapperswil von Österreich los und 1464 sah es sich mit den Orten Uri, Schwyz, Unterwalden und Glarus zum Schirmbündnis gezwungen, das den Eidgenossen das Besatzungsrecht auf Stadt und Burg sowie ein aussenpolitisches Mitspracherecht zugestand. Fortan beteiligte sich Rapperswil an eidgenössischen Kriegszügen und Soldbündnissen und diente als Tagungsstätte eidgenössischer Konferenzen. Als zugewandter Ort blieb Rapperswil allein die Selbstverwaltung.

Kirchlich gehörte Rapperswil zum Pfarrsprengel Busskirch. Für beide lag das Patronatsrecht beim Kloster Pfäfers. 1253 erfolgte die Loslösung und Gründung einer eigenen Pfarrei mit der 1207 wahrscheinlich erstmals erwähnten Pfarrkirche St. Johann auf dem Herrenberg. Das 1882 vollständig ausgebrannte Gotteshaus wurde an gleicher Stelle durch einen 1885 geweihten Neubau ersetzt. 1606 folgte am Endingerhorn der Bau des 1603 gegründeten Kapuzinerklosters. 1837 wurde die reformierte Kirchgemeinde gegründet, 1841 die Kirche eingeweiht.

In der Reformation stellte sich die Mehrheit der Bürger und Untertanen – in der Hoffnung, vollberechtigter eidgenössischer Ort zu werden – vier Monate vor der Schlacht bei Kappel 1531 auf die Seite der Zürcher. Aber nach dem Sieg der katholischen Kantone banden die alten Schirmorte die Stadt noch enger an sich: Die Ernennung des Schlossvogts und des Pfarrers bedurften fortan ihrer Zustimmung. Rapperswil entwickelte sich zum Brückenkopf der katholischen Orte gegen Zürich, sinnfällig in der Erneuerung der Stadtbefestigung, der Gründung des Kapuzinerklosters und der Blüte sakraler Goldschmiedekunst. Im Ersten Villmergerkrieg 1656 konnte die Stadt trotz der Belagerung durch Zürcher Truppen verteidigt werden. Nach dem Hungerhandel 1703-1704 – trotz offensichtlicher Unterschlagung von Soldgeldern stellten sich die Schirmorte hinter Schultheiss Johann Michael Hunger – distanzierte sich die Stadt vor allem von Schwyz und begrüsste nach dem Sieg der reformierten Orte im Zweiten Villmergerkrieg 1712 die Übernahme der Schirmherrschaft durch Zürich, Bern und Glarus.

Die neuen Schirmherren gewährten Rapperswil aber nicht mehr Freiheiten als die alten. Insbesondere Zürich mischte sich in die inneren Auseinandersetzungen ein, die den zugewandten Ort im 18. Jahrhundert lähmten. Die städtische Demokratie mit Schultheiss, Räten und Bürgerversammlung wurde durch patrizische Ansprüche alteingesessener Familien behindert, während der Mangel an bürgerlichem Unternehmergeist und Eigeninitiative dem Handwerk und Gewerbe schadeten. Einnahmen aus alten Stiftungen und Besitzungen, reichlich fliessende Zollabgaben, Marktprivilegien und Gewerbefreiheiten sowie Einkünfte aus dem bäuerlichen Untertanengebiet Jona ermöglichten Steuerfreiheit und verstärkten die Passivität der Bürgerschaft. Eigennutz und Ämtersucht beschleunigten den politischen und gesellschaftlichen Zerfall.

Nicht wenige begrüssten deshalb 1798 die französische Besetzung, die zur Auflösung der Stadtrepublik unter eidgenössischer Schirmherrschaft führte. Stadt und Umland wurden zum helvetischen Kanton Linth geschlagen. Aus materiellen und gesellschaftlichen Gründen lehnte Rapperswil die Bildung einer Einheitsgemeinde mit dem bäuerlichen Jona ab. 1803 wurde es politische Gemeinde und dem Bezirk Uznach im neu geschaffenen Kanton St. Gallen zugeteilt.

Der durch die Helvetische Revolution herbeigeführte und vom Liberalismus mitgetragene politische Umbruch löste auch eine Reformdebatte innerhalb der katholischen Kirche aus. In Rapperswil kulminierte diese in den 1830er Jahren im sogenannten Fuchsenhandel. Dieser wurde durch die öffentliche Forderung des liberalen Spitalpfarrers Alois Fuchs nach innerkirchlicher Mitbestimmung für das Dekanat Uznach und der Einführung einer Bistumssynode provoziert. Unterstützt wurde das Ansinnen durch die beiden Rapperswiler Geistlichen Christophor Fuchs und Felix Helbling. Nachdem alle drei suspendiert worden waren, widerriefen die ersten beiden, während Letzterer als liberaler Politiker Karriere machte und zu den Mitinitianten der Badener Artikel mit der zentralen Forderung nach einem Staatskirchentum gehörte. In der nachfolgenden innerkonfessionellen und innerkantonalen Auseinandersetzung standen Rapperswiler Politiker an vorderster Stelle: Die liberalen Regierungsräte Felix Helbling, Basil Ferdinand Curti und Ferdinand Curti befürworteten das Staatskirchentum, während Albert Curti – Redaktor beim "Wahrheitsfreund" (bis 1843 "Der St. Gallische Wahrheitsfreund") – und der spätere St. Galler Bischof Carl Johann Greith für die katholisch-konservative Seite fochten. In der nachfolgenden Generation nahm der Journalist und Politiker Theodor Curti als Gegner des Kulturkampfs eine vermittelnde Position ein.

Während die St. Galler Behörden in der Mediations- und Restaurationsphase vor allem mit der Mittelbeschaffung und dem Aufbau staatlicher Strukturen befasst waren, bereiteten liberale Kräfte – in Rapperswil in der Sternengesellschaft organisiert – und die reformierte Zuwanderung den Boden für mehr Unternehmergeist. Am kanalisierten Stadtbach an der Grenze zur Gemeinde Jona, an dem sich ab dem 13. Jahrhundert Gewerbebetriebe wie Mühlen, Sägen, Hammerschmieden, Bleichen und Färbereien angesiedelt hatten, setzte die Industrialisierung ein: Der reformierte Christian Näf aus Wattwil errichtete 1803 eine der ersten mechanischen Baumwollspinnereien der Schweiz, die ab 1817 von Johannes Hürlimann aus Richterswil und seinen Nachkommen betrieben und ausgebaut wurde. Eine noch grössere, bis 1993 als Familienbetrieb geführte Spinnerei gründeten 1811 die Brüder Brändlin aus Stäfa. Die 2008 weltweit operierende Geberit-Gruppe mit Sitz in Jona nahm ihren Anfang 1874 in Rapperswil als Spenglerei und später als Metallgiesserei und Werkzeugfabrik. 1877 gründete der Zürcher Heinrich Weidmann die Karton- und Pressspanfabrik, die 2008 als Wicor-Gruppe im Bereich der Hochspannungsisolation und Kunststofftechnik weltweit tätig war und als grösste Arbeitgeberin in Rapperswil 760 Arbeitsplätze stellte. Die günstigen Steuern und die landschaftlich reizvolle Wohnlage förderten die Zuwanderung wohlhabender Personen, die an der Bucht von Kempraten ihre Villen bauten. Der Anschluss an die Rickenstrasse 1833, an die Zürichsee-Dampfschifffahrt 1835 und an das schweizerische Eisenbahnnetz 1859 sowie die Eröffnung des Seedamms, der 1878 die alte Holzbrücke ersetzte, beschleunigten den Aufschwung. 1894 wurde die rechtsufrige Bahnlinie nach Zürich, 1910 mit dem Rickentunnel die Bahnstrecke nach Wattwil eröffnet.

Im 20. Jahrhundert entwickelte sich Rapperswil mit Jona zum regionalen Dienstleistungszentrum. 1971 erfolgte die Eröffnung des interkantonalen Technikums. Mit dem Tourismus entstanden zahlreiche Hotels und Gaststätten. Beliebte Ausflugsziele sind der 1962 eröffnete Kinderzoo des Zirkus Knie sowie die mit Hilfe der eidgenössischen Denkmalpflege unterhaltene mittelalterliche Altstadt samt dem 1419 erstmals erwähnten Rathaus und Schloss (ab 1870 mit Unterbrechung Standort des Polenmuseums). Insbesondere nach 1950 begünstigte die Nähe zum Wirtschaftsraum Zürich das Wirtschaftswachstum.

Die Stadt bot 2005 6206 Arbeitsplätze (davon 83,1% im 3. Sektor). Ein grosser Pendlerstrom – 2000 standen 5012 Weg- 2547 Zupendlern gegenüber – sowie ein massiver Durchgangsverkehr (2004 ca. 25'000 Fahrzeuge pro Tag) stellten neue Herausforderungen. Während die Bodenreserven in Rapperswil knapp wurden, entwickelte sich das benachbarte Jona ab 1970 zur Agglomerationsgemeinde. Die Ortschaften wuchsen zusammen und waren gezwungen, zahlreiche Aufgaben gemeinsam anzugehen, was 2007 zur Fusion führte.

Quellen und Literatur

  • SSRQ SG II/2
  • X. Rickenmann, Gesch. der Stadt Raperswil, 1855 (21878)
  • X. Rickenmann, Gesch. der Stadt Raperswil als Bestandtheil des Kt. St. Gallen von 1803 bis jetzt, 1882
  • F. Elsener, Die Verfassung der alten Stadt Rapperswil bis 1798, 1941
  • 700 Jahre Stadtpfarrei Rapperswil, [1953]
  • Kdm SG 4, 1966, 177-477
  • E. Halter, Rapperswil im 19. Jh., 1980
  • A. Stadler et al., Gesch. des Schlosses Rapperswil, 1993
  • B. Eberschweiler, «Ur- und frühgeschichtl. Verkehrswege über den Zürichsee», in MHVS 96, 2004, 11-32
  • P. Röllin, Kulturbaukasten Rapperswil-Jona, 2005
  • SGGesch. 2, 181-202; 3, 173-189
  • M. Schindler, «Das FrühMA im Raum Rapperswil-Jona», in NblSG 147, 2007, 84-117

Zitiervorschlag

Alois Stadler: "Rapperswil (SG)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 22.09.2017. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001371/2017-09-22/, konsultiert am 19.03.2024.