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Pacht

Aus dem römischen Recht abgeleitetes Rechtsinstitut, bei dem ein Verpächter einem Pächter auf Zeit eine Sache – in der Regel landwirtschaftlich oder gewerblich nutzbare Flächen und Güter – gegen Zins unter individuell aushandelbaren Bedingungen zur Nutzung überlässt (Grundbesitz). Im Gegensatz zur Leihe, von der sie sich bis ins 15. Jahrhundert nicht immer eindeutig abgrenzen lässt, steht die Pacht im Kontext eines in die Landwirtschaft vordringenden Frühkapitalismus.

Mittelalter und frühe Neuzeit

Ab 1300 und vor allem nach der Mitte des 14. Jahrhunderts lässt sich im Gebiet der heutigen Schweiz insbesondere in der Umgebung der Städte eine Dynamisierung und Kapitalisierung des Gütermarkts (Bodenmarkt) beobachten. Dadurch gewannen die Pacht, die ihr wesensverwandte Miete und neue Formen des Kredits an Bedeutung. Die städtische Oberschicht, beispielsweise von Luzern oder Zürich, aber auch von Kleinstädten, übernahm von den unter Druck stehenden geistlichen und weltlichen Grundherrschaften Land als Erblehen (Lehen), das sie kurzfristig zu Bedingungen, die sich an den Bedürfnissen des städtischen Markts orientierten, an bäuerliche Produzenten verpachteten. Auch in ländlich-alpinen Regionen wie zum Beispiel Uri erwarben Bauern im 14. Jahrhundert Güter auswärtiger Klöster, die sie weiterverpachteten, was zusammen mit der Gewährung von Krediten neue ökonomische Abhängigkeiten und soziale Abstufungen schuf. Neben landwirtschaftlichen Nutzflächen konnten zum Beispiel auch Gewerbebetriebe wie Mühlen und Gasthäuser, Rechte (z.B. Zehnten) oder Vieh (Viehverstellung) verpachtet werden. Unter dem Aspekt der Vertragsdauer kann zwischen der im Prinzip auf ewig abgeschlossenen Erbpacht, der häufig auf das Mehrfache von drei Jahren begrenzten Zeitpacht und einer auf die Lebenszeit des Pächters begrenzten, unterschiedlich benannten Pacht differenziert werden. Anhand der Form der Zinsentrichtung ist grundsätzlich zu unterscheiden zwischen der Fixpacht, mit einem festgesetzten Naturalien- oder Geldzins, und der Teilpacht (Teilbau), bei der dem Verpächter eine zuvor vereinbarte Quote des Ertrags zustand.

In der frühneuzeitlichen Schweiz spielte die Pacht, anders als zum Beispiel in Frankreich oder Italien, gegenüber selbstbewirtschafteten bäuerlichen Eigen- oder Erblehengütern eine klar untergeordnete Rolle. Sie betraf nach grober Schätzung rund 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche, gewann indes im 18. Jahrhundert an Bedeutung. Verbreitet war sie vor allem in stadtnahen Gebieten, bei der Bewirtschaftung von Besitzungen des Patriziats und reicher Stadtbürger sowie dort, wo Viehwirtschaft (wie im Voralpengebiet, Küherwesen) und Weinbau (wie in der Westschweiz) verstärkt marktorientiert betrieben wurden. Auch innerhalb der Bauernschaft wurden Güter verpachtet, oft bei der Regelung der intergenerationellen Hofübergabe.

In der deutschen Schweiz war die Pacht vergleichsweise untervertreten. Typischerweise bezog sie sich auf Rebbetriebe, auf stark verschuldete Lehenhöfe, die an den Grundherrn zurückgefallen waren, oder auf grosse Meierhöfe, deren Inhaber Parzellen an Kleinbauern verpachteten. Vorherrschend waren die Festzinspacht und vom agrarischen Dreijahreszyklus bestimmte Pachtdauern (oft sechs Jahre).

Eine überdurchschnittliche, wenn auch keine dominante Rolle spielte die Pacht im Nahbereich von Lausanne und allgemein in der Genferseeregion. Das Pachtland umfasste hier bis zu einem Drittel der Nutzfläche. Lausanner Bürger, Berner Patrizier und Genfer Bankiers verpachteten ihre landwirtschaftlichen Grossgüter, die sogenannte mas, ihr Rebgelände und ihre Gärten in der Regel langfristig und gegen einen festen Zins. Obwohl der Zinsertrag nur ca. 2% des Kapitaleinsatzes ausmachte, erzielten die meisten Pächter im Lausanner Umland kein ausreichendes Einkommen und waren auf Zusatzverdienste angewiesen. Auch für begüterte Familien aus dem inneralpinen Raum, zum Beispiel die Stockalper und die von Sprecher, stellte die Pacht im 18. Jahrhundert eine wichtige agrarische Basis dar.

Eine Sonderstellung nahm das Südtessin ein. Im Luganese und Mendrisiotto wurden im 18. Jahrhundert in grösserer Zahl grosse, gemischtwirtschaftliche Hofkomplexe (masserie) in Halbpacht betrieben und kleinere Parzellen (Äcker, Wiesen, Reben) gegen einen festen Geld- und Naturalzins verpachtet. Neben die alten Grossgrundbesitzer traten gegen Ende des 18. Jahrhunderts Zwischenpächter aus kaufmännisch-gewerblich orientierten städtischen Kreisen. Die Zwischenpacht verschlechterte die Lage der Pächter, die neue Pflichten und höhere Abgaben zu gewärtigen hatten, und trug zur wachsenden Zahl der Kleinpächter, der pigionanti, bei.

Gegenstand von Pachtverträgen waren auch verschiedene Regalien (Zölle, Salz, Post, Bergwerke, Steinbrüche) sowie gewerbliche und frühindustrielle Betriebe.

19. und 20. Jahrhundert

Landwirtschaftliche Nutzflächen nach Besitzverhältnissen im 20. Jahrhundert
Landwirtschaftliche Nutzflächen nach Besitzverhältnissen im 20. Jahrhundert […]

Im 19. Jahrhundert hatte sich die Zeitpacht auf Kosten der Erbpacht weitgehend durchgesetzt, und auch die in der Süd- und Westschweiz zum Teil noch vorhandene Teilpacht hatte im 20. Jahrhundert ihre Bedeutung weitgehend verloren. Insgesamt spielte die Pacht im 19. Jahrhundert und, trotz steigenden Anteils an der landwirtschaftlichen Nutzfläche, im 20. Jahrhundert eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Landbesitz: Um 1900 waren lediglich 7-8% aller selbstständigen Bauern Pächter und das Pachtland machte 1905 16,6% der landwirtschaftlichen Betriebsfläche aus. Trotz der regional zum Teil markanten Unterschiede war die Eigenbewirtschaftung des Bodens in allen Kantonen ausser Basel-Stadt, Glarus und Neuenburg (hier zum Teil mit dem Landbesitz des städtischen Bürgertums erklärbar) vorherrschend. Der Anteil des gepachteten Bodens an der landwirtschaftlichen Nutzfläche nahm vor allem in der Nachkriegszeit zu: von rund 22% 1939 über 37% um 1975 auf 45% 1996. Zugleich wurden die kantonalen Unterschiede kleiner, wobei namentlich der Rückgang des um 1900 noch hohen Anteils der selbstbewirtschafteten Fläche in der Nord(ost)schweiz auffällt.

Anteil der Pachtflächen 1996 (nach Bezirken)
Anteil der Pachtflächen 1996 (nach Bezirken) […]

Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich in der Besitzstruktur der einzelnen Betriebe. Waren bis Mitte der 1960er Jahre jene Bauernhöfe am zahlreichsten, die ausschliesslich eigenes Land bewirtschafteten, so wurde ihre Zahl 1975 von Betrieben mit gemischtem Besitz übertroffen. Die Zunahme der Pachtfläche beruhte denn auch nicht auf einer Zunahme der reinen Pachtbetriebe, sondern auf der stark gestiegenen Zupacht von Parzellen durch Betriebe mit gemischtem Besitz. Die markante flächenmässige Vergrösserung der Betriebe in der Nachkriegszeit vollzog sich in erster Linie durch parzellenweise Zupacht. Dennoch stieg der Anteil der reinen Pachtbetriebe bis Mitte der 1980er Jahre mit 13% auch an. Zählt man jene Höfe hinzu, die vorwiegend fremdes Land bewirtschafteten, erhöht sich ihr Anteil auf rund 17%. Darin eingeschlossen sind diejenigen Betriebe, die vorerst einem Nachkommen verpachtet wurden, die später aber meistens in dessen Eigentum übergingen. Die Verpachtung durch bürgerlich-städtische Grundbesitzer spielte keine wesentliche Rolle. Hingegen zogen viele nicht mehr in der Landwirtschaft tätige Erben es vor, den erlangten Boden zu verpachten statt zu verkaufen, was die Zunahme der Pachtfläche um rund 150'000 ha zwischen 1939 und 1980 miterklärt.

Die Rechtsgrundlagen für die landwirtschaftliche Pacht wurden im erweiterten Obligationenrecht (OR) von 1911 (Artikel 275-304) festgelegt. Sie stellen allerdings nur wenig zwingendes Recht dar. Den Parteien bleibt eine freie vertragliche Ordnung vorbehalten, eine besondere Vertragsform ist nicht vorgeschrieben. Die Schwierigkeiten, die sich bei Auflösungen nur mündlich abgeschlossener Pachtverträge ergaben, führten den Schweizerischen Bauernverband 1920 dazu, ein für die ganze Schweiz einheitliches Pachtvertragsformular herauszugeben.

Von der landwirtschaftlichen Dauerkrise der Zwischenkriegszeit waren auch die Pächter betroffen. Immer mehr Pachtverhältnisse wurden nur noch auf ein Jahr abgeschlossen. Die Bestrebungen für einen besseren Schutz der Pächter zeigten 1933 erste Auswirkungen. Der Bundesbeschluss über vorübergehende rechtliche Schutzmassnahmen für Not leidende Bauern vom April 1933 schuf die Möglichkeit, landwirtschaftliche Pächter, die mit den Zahlungen unverschuldet in Rückstand geraten waren, sechs Monate vor der Kündigung und Ausweisung vom Pachtgut zu bewahren, wie dies Artikel 282 OR nach einer Frist von mindestens 60 Tagen gestattete. Eine Erweiterung erfuhren diese Schutzbestimmungen 1934, als der Bund die Kompetenz erhielt, zu hohe Pachtzinse für ganze Heimwesen herabzusetzen und ablaufende oder kündbare Verträge zu verlängern.

Im Interesse der wirtschaftlichen Landesversorgung wurden die Schutzbestimmungen im Zweiten Weltkrieg weiter ausgebaut: Zuerst wurde die Möglichkeit geschaffen, für militärdienstpflichtige Pächter die vertragliche Pachtdauer zu verlängern. Dann wurde die Minimaldauer auf fünf Jahre festgelegt, später sogar eine generelle Kündigungsbeschränkung erlassen. Ein Teil dieser Schutzbestimmungen wurde in der Nachkriegszeit wieder aufgehoben, ein Teil in die ordentliche Gesetzgebung übernommen (Bundesgesetz von 1940 über die Entschuldung landwirtschaftlicher Heimwesen, Bundesgesetz von 1951 über die Erhaltung des bäuerlichen Grundbesitzes, Bundesgesetz von 1960 über die Kontrolle der landwirtschaftlichen Pachtzinse). Eine Zusammenfassung dieser Bestimmungen erfolgte im Bundesgesetz von 1972 über die Änderung des bäuerlichen Zivilrechts. Das Bundesgesetz von 1985 über die landwirtschaftliche Pacht brachte schliesslich den Pächtern mit den Verlängerungen der Erstpachtdauer für ganze Betriebe von sechs auf neun Jahre und der Pachtfortsetzungen von drei auf sechs Jahre einen besseren Schutz. Um der Zerstückelung von landwirtschaftlichem Boden Einhalt zu gebieten, wurde die parzellenweise Verpachtung eines ganzen Betriebs von einer kantonalen Bewilligung abhängig gemacht, gefolgt von wirkungsvolleren Pachtzinskontrollen und einer ausgewogenen Bemessung der Pachtzinsen. Die Rolle der Kantone, die Vollzugsverordnungen oder Einführungsgesetze zu erlassen hatten, wurde gestärkt.

Ein Grossteil der Pachtverhältnisse im 19. und 20. Jahrhundert entstand beim Generationenwechsel in den Betrieben und war temporärer Natur. Die vorübergehende Pacht eröffnete zudem vielen Bauernsöhnen (und einigen wenigen Dienstboten), die den elterlichen Betrieb nicht übernehmen konnten, die Möglichkeit, den "Bauernstand" zu wahren bzw. in diesen aufzusteigen. Obschon sich die grosse Mehrzahl der Pächter als Bauern verstand, konstituierten sich in den 1930er Jahren kantonale Pächterverbände, die sich indes alle dem jeweiligen kantonalen Bauernverband anschlossen. Der ersten Gründung 1933 in Bern folgten weitere in Luzern, Freiburg, Waadt, Solothurn und Aargau – vorwiegend, um die kantonalen Behörden zur Durchsetzung der Schutzbestimmungen zu veranlassen. Später schlossen sich auch die Pächter der Ostschweiz im Ostschweizerischen Pächterverband zusammen. 1959 ersetzte der Schweizerische Pächterverband die interkantonale Arbeitsgemeinschaft schweizerischer Pächterorganisationen.

Quellen und Literatur

Mittelalter und frühe Neuzeit
  • A. Radeff, Lausanne et ses campagnes au 17e siècle, 1980, v.a. 167-191
  • HRG 3, 1396-1400
  • S. Guzzi, Agricoltura e società nel Mendrisiotto del Settecento, 1990, v.a. 77-114
  • R. Sablonier, «Innerschweizer Ges. im 14. Jh.», in Innerschweiz und frühe Eidgenossenschaft 2, 1990, 46, 116, 134, 207, 211, 221
  • A. Zangger, Grundherrschaft und Bauern, 1991, v.a. 375 f.
  • LexMA 6, 1607-1609
19. und 20. Jahrhundert
  • E. Aebi, «Der Pächterstand und seine Stellung in der schweiz. Landwirtschaft», in Stand der Forsch. auf dem Gebiete der Wirtschaftslehre des Landbaues, 1951, 369-390
  • H. Brugger, Die schweiz. Landwirtschaft 1850-1914, 1978
  • H. Brugger, Die schweiz. Landwirtschaft 1914-1980, 1985
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Leonhard; Alfred Zangger; Werner Baumann; Peter Moser: "Pacht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/013705/2010-09-23/, konsultiert am 18.04.2024.