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Widnau

Politische Gemeinde des Kantons St. Gallen, Region Rheintal, in der Rheinebene gelegen. 891 Ibirinesouva, 1303 Widenouwe. 1798 637 Einwohner; 1837 785; 1888 1452; 1900 1783; 1950 3577; 2000 7470.

Widnau gehörte zum Reichshof Lustenau, der ab 1395 unter der Herrschaft der Herren von Hohenems stand. Die linksrheinischen Teile, ab 1490 unter eidgenössischer Oberhoheit, bildeten 1593-1775 als Hof Widnau-Haslach ein eigenes Niedergericht in der gemeinen Herrschaft Rheintal, wobei der Besitz und die Nutzungsrechte im Lustenauer Schweizerried auf der rechten Rheinseite gewahrt blieben. Nach dem Aussterben der Grafen von Hohenems 1759 folgten als Gerichtsherren 1766-1776 die Grafen von Harrach und 1782-1798 die Familie von Salis-Soglio, die bis 1856 auch das Kirchenpatronat von Widnau besass. 1774-1775 scheiterte der Kauf des Niedergerichts durch die Hofleute; 1775 teilte sich der Hof Widnau-Haslach in die drei eigenständigen Rhoden Widnau, Schmitter und Au-Haslach. 1798-1803 gehörte Widnau zum Kanton Säntis, dann zum neu gebildeten Kanton St. Gallen (1831-2002 Bezirk Unterrheintal). 1803 wurde es mit Schmitter und Diepoldsau zur politischen Gemeinde Diepoldsau vereinigt. 1882-1883 löste sich Widnau von Diepoldsau und wurde eine eigene Gemeinde. Kirchlich trennte sich Widnau 1504 von Lustenau und gründete eine eigene Pfarrei. 1903-1904 wurde die katholische Kirche St. Joseph neu gebaut, 1911 die reformierte Kapelle. Nach langer Kontroverse wurde 1990 die Kirche St. Jakob, die im 17. Jahrhundert die Kapelle von 1504 ersetzt hatte, abgebrochen. Um 1700 erfolgten konfessionelle Schulgründungen; 1978 fusionierten die beiden Schulgemeinden.

Die alten Ortsteile lagen, in der charakteristischen, lockeren Hofraumstruktur der Rheindörfer, entlang der Talstrasse Oberriet-Diepoldsau-Au. Nach der Eröffnung der Station Heerbrugg 1858 an der Bahnlinie Rorschach-Chur entstand quer zur Strasse eine zweite Siedlungsachse nach Heerbrugg und zur 1870 eingerichteten Rheinfähre nach Lustenau. Diese wurde 1875 durch eine Holzbrücke ersetzt, die wiederum 1914 durch eine Stahlfachwerkbrücke mit einer Zollstation abgelöst wurde. Ab 1915 verband eine Tramlinie Heerbrugg mit Widnau und Diepoldsau. Ab 1955 verkehrten an deren Stelle Busse. 1964 erhielt Widnau einen Anschluss an die Autobahn A13.

Auf der fruchtbaren Schwemmebene des Rheins wurde Kleinlandwirtschaft mit Acker- und Obstbau betrieben. Der Anbau von Mais ist seit 1693 bezeugt und Flachs wurde bis ins 19. Jahrhundert angebaut. Das Isenriet diente der Weide- und Streuewirtschaft sowie dem Torfabbau. Die ab dem 16. Jahrhundert zunehmende Gefährdung durch den Rhein verstärkte sich gegen Ende des 18. Jahrhunderts durch den Anstieg des Grundwasserspiegels und die Urbarisierung der Auengebiete. Die Rheinkorrektion 1862-1883, der Bau des Rheintaler Binnenkanals 1895-1906, der Diepoldsauer Durchstich 1910-1923 und die Meliorationen 1942-1960 behoben die Probleme. Korrektionsmassnahmen und Industrialisierung schufen neue Erwerbsmöglichkeiten, so in den Ziegeleien Isenriet (1852) und Heerbrugg (1858) sowie ab 1869 vor allem in der Maschinenstickerei. Wichtigste Textilbetriebe waren die Fabriken von Jacob Rohner 1897-1991 und Julius Brunke 1905-1926. Während und nach der Stickereikrise ab 1920 erlangte die Kunstseidenindustrie mit Viscosuisse (1924-2005) hohe Bedeutung.

Ab 1960 erfuhr das Ortsbild von Widnau einen radikalen Wandel durch flächenhafte Überbauung und bauliche Verdichtung im nahezu gesamten Gemeindegebiet. Neue Arbeitsplätze schufen ab 1951 die Maschinenfabrik Menzi Muck, ab 1970 das Technologieunternehmen SFS intec sowie ab 2005 die Rauch Fruchtsäfte GmbH, die jährlich rund 2 Mrd. Getränkedosen und Getränkeflaschen abfüllt.

Quellen und Literatur

  • H. Wartmann, Der Hof Widnau-Haslach, 1887
  • O. Frei et al., Widnau, 1982

Zitiervorschlag

Markus Kaiser: "Widnau", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 11.11.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001339/2014-11-11/, konsultiert am 28.03.2024.