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Speicher

Politische Gemeinde des Kantons Appenzell Ausserrhoden, ehemaliger Bezirk Mittelland, bestehend aus den Ortsteilen Speicher und Speicherschwendi, die bis in die 1950er Jahre ausgeprägte Einzelhof- und Weilersiedlungen waren. 1309 Spicher. 1667 908 Einwohner; 1734 1634; 1850 2685; 1900 3041; 1950 2567; 2000 3853.

Ansicht des Dorfs von Nordwesten. Kolorierte Radierung von Johann Conrad Mayr, um 1795 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Ansicht des Dorfs von Nordwesten. Kolorierte Radierung von Johann Conrad Mayr, um 1795 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Unter der äbtischen Feudalherrschaft war Speicher Teil des Amts Trogen. Von den Appenzeller Kriegen 1401-1429 an ist seine politische Stellung innerhalb der appenzellischen Rhoden unklar. Nach der Reformation um 1525 war Speicher als einzige Gemeinde in Ausserrhoden nach St. Gallen (St. Laurenzen, 1603-1613 Linsebühl) kirchgenössig. Zur politischen und kirchlichen Einheit gelangte Speicher erst mit dem Kirchenbau und der Erhebung zur Pfarrei 1614. Nach heftigen Streitigkeiten führte Speicher 1659 als erste Gemeinde in Ausserrhoden das öffentliche Rechnungswesen ein. Noch 1632 hatte Speicher den Ruf einer sehr armen Gemeinde. Die Textilindustrie sorgte ab 1638 für einen rasanten Aufschwung: 1750 bis ca. 1815 eigene Leinwandschau, 1780 rund 120 Fabrikanten, 1836-1843 Seidenraupenzucht in Speicherschwendi, 1837 Jacquardfabrik, 1846 30 Web- und 27 Stickfabrikanten, um 1870 wichtiger Produktionsort für Handmaschinenstickerei. Seit 1882 besteht die katholische Diasporagemeinde Speicher-Trogen-Wald mit eigener Kirche im Weiler Bendlehn. Um 1900 entwickelte sich Speicher zum Kurort. Der Bau der Station an der elektrischen Strassenbahn St. Gallen-Speicher-Trogen erfolgte 1903, der Anschluss an das St. Galler Bodenseewasserwerk 1958. Die Textilkrise der Zwischenkriegszeit traf Speicher mit seiner textilen Monostruktur besonders hart. Nach dem Zweiten Weltkrieg gewannen die Metall- und Kunststoffverarbeitung sowie der Kurtourismus an Bedeutung, während die Textilindustrie an Wichtigkeit verlor. Bedingt durch Stadtnähe und gute Verkehrserschliessung erlebte Speicher seit den 1960er Jahren eine ausserordentliche Siedlungsdynamik und entwickelte sich zur ausgesprochenen Wohngemeinde. 2000 waren 66% der Erwerbstätigen Wegpendler (v.a. nach St. Gallen).

Quellen und Literatur

  • A. Eugster, Gesch. der Gem. Speicher, 1947
  • H. Ruesch, Lebensverhältnisse in einem frühen schweiz. Industriegebiet, 2 Bde., 1979
  • Kdm AR 2, 1980, 360-430
  • H. Werder, Zur Aktualdynamik der Kulturlandschaft des Appenzeller Mittellandes, 1984

Zitiervorschlag

Thomas Fuchs: "Speicher", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 13.02.2012. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001302/2012-02-13/, konsultiert am 19.03.2024.