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Jegenstorf

Politische Gemeinde des Kantons Bern, Amtsbezirk Fraubrunnen, Verwaltungskreis Bern-Mittelland. Die Gemeinde auf dem Rapperswiler Plateau umfasst das Dorf Jegenstorf und mehrere Neuquartiere, darunter Bachtelen, Bimer, Solecht und Risere, sowie seit 2010 die Gemeinde Ballmoos und seit 2014 auch die Gemeinden Münchringen und Scheunen. 1131 Igistorf, 1255 Jegistorf. 1680 484 Einwohner; 1764 400; 1850 1062; 1900 996; 1950 1245; 2000 3999.

Das Schloss vor dem Umbau von 1720, von Süden. Ausschnitt aus dem Herrschaftsplan Jegenstorf von Johann Adam Riediger, 1719, in einer Kopie von 1818 (Burgerbibliothek Bern).
Das Schloss vor dem Umbau von 1720, von Süden. Ausschnitt aus dem Herrschaftsplan Jegenstorf von Johann Adam Riediger, 1719, in einer Kopie von 1818 (Burgerbibliothek Bern). […]

Hügelgräber der Hallstattzeit mit Pfeilspitzen, Keramik- und Goldfunden wurden im Hurst an der Grenze zu Münchringen entdeckt. Zahlreiche Funde (Mauer- und Säulenreste, Ziegel, Keramik) weisen auf einen gallorömischen Gutshof auf dem Kirchhügel hin. Stammsitz der zähringischen Ministerialen und späteren Bernburger von Jegistorf war die Anfang des 12. Jahrhunderts erbaute Wasserburg (Bergfried erhalten). Schon vor dem Aussterben der Herren von Jegistorf kamen um 1300 Teile der Herrschaft unbekannten Umfangs an die Familie von Erlach, der es aber erst im 15. Jahrhundert gelang, Schloss, Herrschaft und Niedergericht in Jegenstorf, Scheunen sowie Münchringen ganz in ihren Besitz zu bringen. Die Herrschaft unterstand dem kyburgischen, ab 1406 bernischen Landgericht Zollikofen mit Gerichtsplatz vor dem Gasthof Kreuz. Vom 14. Jahrhundert an waren Schloss und Herrschaft im Besitz von Bernburger Familien (bis 1584 von Erlach, 1584-1675 von Bonstetten, 1675-1720 von Wattenwyl, 1720-1758 von Erlach). Karl Ludwig von Erlach verkaufte 1758 das Schloss mit Gutshof, behielt aber die Herrschaft. Deren Rechte gingen 1798 an den Staat über, der die von Erlach 1810 entschädigte. 1803 kam die Gemeinde zum Oberamt Fraubrunnen, seit 1831 Amtsbezirk Fraubrunnen. Albrecht Friedrich von Erlach liess das Schloss um 1720 zu einem barocken Landsitz umbauen und die Befestigung durch Parkanlagen ersetzen. 1758-1934 diente es der Patrizierfamilie Stürler als Sommersitz. 1936 ersteigerte es der neu gegründete Verein zur Erhaltung des Schlosses Jegenstorf und richtete das Museum für bernische Wohnkultur ein. Seit 1955 liegt die Verwaltung des Besitzes bei der Stiftung Schloss Jegenstorf; die Ausstellungen sind Sache des Vereins.

Die Kirche (Marienpatrozinium, heutiger Bau 1514-1515, Glasgemälde aus dem 16. und 17. Jh.), deren Leutpriester 1180 erwähnt wird, war eine Eigenkirche der Herren von Jegistorf. Mit deren Aussterben kam der Kirchensatz an bernische Geschlechter (Schwanden, Vrieso, von Krauchthal), 1424 an das Niedere Spital in Bern und 1839 an den Staat Bern. Die Reformation war 1528 eingeführt worden. Die Kirchgemeinde Jegenstorf, die weit umfangreicher als die Einwohnergemeinde ist, gliedert sich in die Kreise Jegenstorf (Ballmoos, Iffwil, Jegenstorf, Münchringen, Oberscheunen, Zauggenried, Zuzwil) und Urtenen (Mattstetten, Urtenen-Schönbühl).

Bereits 1389 hatte ein Grossteil der Bewohner bernischen Ausburgerstatus erlangt. Im Bauernkrieg von 1653 plünderten Jegenstorfer das Schloss, worauf das Dorf durch ein bernisches Heer gebrandschatzt wurde. Die Sozialordnung in der Gemeinde entsprach jener der Kornbau- und Zelgregion: Grossbauern (1802 18%) besetzten die wichtigsten Dorfämter, zu denen die Mehrheit (Mittelbauern 9%, Tauner 73%) keinen Zugang hatte. Der Übergang auf Feldgrasbau mit Privatisierung von Allmend und Wald (1825) fand im 19. Jahrhundert statt. Die Gründung bäuerlicher Organisationen, zum Teil mit Nachbargemeinden, kam eher spät (nach 1840 Käsereigenossenschaft, 1886/1916 Landwirtschaftliche Genossenschaft, 1906 Viehzucht- und 1912 Mostereigenossenschaft). Erst die 1935-1945 realisierte Güterzusammenlegung verdrängte die alte Zelgstruktur endgültig und erweiterte das Wegnetz. Lange waren Handwerk und Gewerbe auf landwirtschaftliche Bedürfnisse zugeschnitten. Die schwache Industrialisierung (Betrieb für Messtechnik 1918) war eine Folge der ungünstigen Verkehrsführung: Jegenstorf liegt zwar an der alten Landstrasse Bern-Solothurn, doch die grossen Verkehrslinien des 19. und 20. Jahrhunderts (Eisen- und Autobahn) umfahren es. Mit der Entwicklung Jegenstorfs zur Agglomerationsgemeinde Berns ab 1960 gewann dann allerdings die lokale Schmalspurbahn (1916, heute Regionalverkehr Bern-Solothurn) für den Pendlerverkehr an Bedeutung. 1970 liess sich die Interdiscount-Gruppe nieder und entwickelte sich in der Folge zur grössten Arbeitgeberin. Starke private und öffentliche Bautätigkeit veränderten die Gemeinde. Neue Quartiere und Schulhausanlagen entstanden ab den 1960er bzw. 1970er Jahren. Eine Sekundarschule wird seit 1879 geführt (Schulverband seit 1910/1921). Das 1891 eröffnete Spital (1976 Neubau, 1990 Erweiterung) wurde 1999 geschlossen.

Quellen und Literatur

  • H. Haeberli, Aus der Besitzergesch. des Schlosses Jegenstorf, 1987
  • Jegenstorf, 1989
  • I. Meili-Rigert, Bauinventar der Gem. Jegenstorf, 2003
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Anne-Marie Dubler: "Jegenstorf", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 15.09.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012902/2016-09-15/, konsultiert am 28.03.2024.