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Cotencher

Eingang der im Moustérien bewohnten Grotte (Laténium, Hauterive).
Eingang der im Moustérien bewohnten Grotte (Laténium, Hauterive).

Die Grotte von Cotencher (Gemeinde Rochefort) befindet sich auf einer Höhe von 660 m in der Areuse-Schlucht. Sie ist 18 m lang und weist eine Fläche von 200 m2 auf, die im Moustérien (ca. 40'000 v.Chr.) bewohnt war. In der bereits 1523 erwähnten Grotte führten Henri-Louis Otz und Charles Knab 1867 erste Ausgrabungen durch. Die Grabung in den Jahren 1916-18 wurde von Hans Georg Stehlin und Auguste Dubois geleitet. Sie fanden 67 Tierarten und 420 steinzeitliche Artefakte. 1964 fand man menschliche Überreste.

Die Stratigrafie von Cotencher erreicht stellenweise eine Höhe von 4 m. Die oberste Schicht (Schicht I) besteht aus lockerem Schutt und enthält Spuren aus der Jungsteinzeit und der Bronzezeit, der gallorömischen und der neueren Zeit. In der sogenannten Kieselschicht (Schicht V) machen Überreste von Höhlenbären (ursus spelaeus), die während einer Wärmeperiode der Würmeiszeit (spätes Moustérien) die Höhle benutzten, 95% der entdeckten Knochen aus. In dieser Schicht befanden sich fast alle Steinwerkzeuge des Moustérien, die zu Tage traten. 70% der erfassten Nagetiere, die ausgezeichnet als Klimaindikatoren genutzt werden können, gehören Arten an, die ein mildes Klima bevorzugen und in bewaldeten Steppengebieten vorkommen. Die Pollenanalyse weist auf eine gemässigte Flora und auf Wald hin, in dem Haselsträucher dominierten. Die sogenannte braune Schicht (Schicht VI) enthält zahlreiche Knochenreste, aber nur wenige Steinwerkzeuge aus dem Moustérien. Ihr Alter wurde mit der C-14-Methode auf 44'300 bis 42'100 Jahre festgesetzt. Die gesammelten Pollen bezeugen eine Flora, in der krautartige Pflanzen vorherrschten. 40% der vorhandenen Nagetiereknochen sind, ähnlich der in Schicht V gefundenen, typisch für Arten, die bei gemässigtem Klima in Laubwäldern leben. Ein bedeutender Anteil der Knochen weist jedoch auf Arten hin, die in kalten Perioden auftreten. Deren Knochenreste kamen in Schicht V nicht vor. Was die anderen Säugetiere und Vögel betrifft, wurden in beiden Schichten sowohl mediterrane als auch alpine, nordische und atypische Arten nachgewiesen.

420 Artefakte aus den Schichten V und VI und ausserhalb der Stratigrafie belegen die Bearbeitung von Steinen. 82% der steinzeitlichen Werkzeuge von Cotencher sind aus einheimischem Kieselkalk des Hauterivien gefertigt. Andere Materialien sind Lydit (8%) und Quarz (7%), beide alpinen Ursprungs, sowie importierter Silex (3%) von weit besserer Qualität als die einheimischen Materialien. Die gefundenen Splitter lassen vermuten, dass die Steine vor Ort bearbeitet worden sind. 96 Werkzeuge wurden hergestellt: 74 Schaber, eine dreieckige Pfeilspitze aus dem Moustérien, drei sogenannte limaces (dicke, rundum bearbeitete Werkzeuge), drei Spitzschaber, ein gekerbtes und ein gezähntes (aus nebeneinander liegenden Kerben gefertigtes) Werkzeug, neun atypische Levallois-Splitter und vier weitere Werkzeuge. Der in der Höhle gefundene Gerätebestand aus dem Moustérien mit seinen zahlreichen Schabern erinnert an das Moustérien des Typs La Quina (Charente). Betrachtet man die Zahl der Spitz- und Winkelschaber, kann der Bestand der östlichen La Quina-Gruppe der Rhonekultur zugeordnet werden.

Die Entdeckung eines Oberkieferknochens einer ca. 40-jährigen Frau mit zehn stark abgenutzten Zähnen aus der Schicht VI ist das wichtigste menschliche Fundstück des Moustérien in der Schweiz. Die relative Kleinheit dieses Kiefers weist auf einen kleinzahnigen Neandertaler-Typus hin, der mit jenem aus der Grotte von Hortus im Languedoc verwandt ist.

Quellen und Literatur

  • A. Dubois, H.G. Stehlin, La grotte de Cotencher, station moustérienne, 1933
  • J.-P. Jéquier, Le Moustérien alpin, 1975
  • Hist.NE 1, 24-28
  • J.-M. Le Tensorer, Le Paléolithique en Suisse, 1998

Zitiervorschlag

Hervé Miéville: "Cotencher", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 29.08.2005, übersetzt aus dem Französischen. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012556/2005-08-29/, konsultiert am 29.03.2024.