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Gelterkinden

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Sissach, zu der mehr als 20 Hofsiedlungen zählen (darunter Sommerau mit eigener Bahnstation). Das stattliche Hauptdorf liegt im oberen Ergolztal am Zusammenfluss von Ergolz und Eibach. 1101/1103 Gelterkingen; die heutige Schreibweise tauchte gegen Ende des 16. Jahrhunderts auf und setzte sich um die Mitte des 17. Jahrhunderts langsam durch. 1497 38 Haushaltungen und 120 Steuerpflichtige; 1680 518 Einwohner; 1770 662; 1815 895; 1850 1406; 1900 2031; 1950 3113; 1970 5157; 1980 4954; 2000 5476.

Ansicht des Dorfes mit Umgebung, um 1750. Radierung von Johann Rudolf Holzhalb nach einer Zeichnung von Emanuel Büchel (Museum für Kommunikation, Bern).
Ansicht des Dorfes mit Umgebung, um 1750. Radierung von Johann Rudolf Holzhalb nach einer Zeichnung von Emanuel Büchel (Museum für Kommunikation, Bern). […]

Bodenfunde belegen eine kontinuierliche Besiedlung seit der jüngeren Steinzeit. Im 13. und 14. Jahrhundert treten die Frohburger und die Thiersteiner als Besitzer eines Hofs auf, zu dem die Herrschaftsrechte und das Patronatsrecht der seit dem 9. oder 10. Jahrhundert bestehenden, dem Apostel Petrus geweihten Kirche gehörten. Einen grösseren Güterkomplex in Gelterkinden besass von 1083 an das Kloster St. Alban in Basel. Ab Beginn des 14. Jahrhunderts war auch die Deutschordenskommende Beuggen in Gelterkinden begütert. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts konnte die Kommende ihren Besitz in Gelterkinden wesentlich erweitern und von den Herren von Thierstein-Farnsburg den Kirchensatz erwerben. Die ursprüngliche Pfarrei Gelterkinden umfasste ausser Tecknau und Rickenbach auch Ormalingen. Im 14. Jahrhundert gingen die herrschaftlichen Rechte vollständig an die von Thierstein-Farnsburg über, deren Herrenschaftsmittelpunkt, die Farnsburg, kaum 3 km nördlich von Gelterkinden lag. 1461 erwarb die Stadt Basel mit der Herrschaft Farnsburg auch Gelterkinden. Der Ort gehörte bis 1798 zur Landvogtei Farnsburg. In der Helvetik wurde der Kanton Basel in vier Distrikte eingeteilt, darunter einen Distrikt Gelterkinden. Faktisch war aber nicht Gelterkinden der Hauptort des nach ihm benannten Distrikts, sondern der Ort Sissach, in dem der Unterstatthalter residierte. Der Versuch der Regierung, die Bodenzinsen wieder einzuführen, führte im Oktober 1800 im Distrikt Gelterkinden zu offenem Aufruhr; der sogenannte Bodenzinssturm konnte nur mit Hilfe von französischen Truppen niedergeschlagen werden. In der Mediation dem Bezirk Liestal zugeteilt, kam Gelterkinden 1814 zum Bezirk Sissach, wo es auch nach der Teilung von Stadt und Landschaft verblieb. Während der Trennungswirren 1832-1833 stand Gelterkinden auf der Seite der Stadt Basel und forderte zu seinem Schutz Basler Truppen an. Daraufhin wurde der Ort im April 1832 durch den Baselbieter Landsturm geplündert. 1840 war Gelterkinden erneut Zentrum des konservativen Widerstands gegen die Kantonsregierung in Liestal; der sogenannte Gemeindejoggeliputsch, in dem sich Abneigung gegen Flüchtlinge und der Wunsch nach einer Wiedervereinigung mit der Stadt als Motive verbanden, führte zur militärischen Besetzung Gelterkindens.

In Gelterkinden wird seit jeher viel Getreidebau betrieben. Grosse Bedeutung gewann im 19. Jahrhundert aber auch die Obstproduktion. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich Gelterkinden zu einem ausgesprochenen Posamenterdorf: Wurden 1768 in Gelterkinden noch 59 Posamenterstühle betrieben, so verzeichnete die Ortschaft 1864 290 Bandstühle und zwei Seidenbandfabriken. Gelterkinden war bis Mitte des 19. Jahrhunderts das bedeutendste Dorf im Bezirk Sissach gewesen; danach verlor es diese Rolle an Sissach, das mit dem Anschluss an die Bahn 1858 einen Aufschwung erlebte. An dieser Entwicklung änderten auch die zweite elektrische Bahnlinie der Schweiz, die Schmalspurbahn, die 1891-1916 Sissach mit Gelterkinden verband, und die 1916 entstandene Linie von Sissach über Gelterkinden nach Olten grundsätzlich nichts. 1953 trennte sich die Bürger- von der Einwohnergemeinde. Viele Bewohner Gelterkindens arbeiten auswärts. 1960 betrug der Anteil der Wegpendler knapp ein Drittel und stieg bis 2000 auf fast zwei Drittel der in der Gemeinde wohnhaften Erwerbstätigen. Zwischen 1985 und 1995 nahm die Zahl der Arbeitsstätten (ohne Landwirtschaftsbetriebe) von 240 auf 286 zu, während die Zahl der Beschäftigten von 2246 auf 2050 sank. 2000 waren 55 Personen im 1., 447 im 2. und 1397 im 3. Sektor tätig.

Quellen und Literatur

  • Heimatkunde von Gelterkinden, 1966
  • Kdm BL 3, 1986, 49-80
  • M. Othenin-Girard, Ländl. Lebensweise und Lebensformen im SpätMA. Eine wirtschafts- und sozialgeschichtl. Untersuchung der nordwestschweiz. Herrschaft Farnsburg, 1994
  • R. Epple, A. Schnyder, Wandel und Anpassung, 1996
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Walter Dettwiler: "Gelterkinden", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.11.2006. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001222/2006-11-23/, konsultiert am 28.03.2024.