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St. Urban

Ehemaliges Zisterzienserkloster in der Gemeinde Pfaffnau LU. 1196 sanctus Urbanus, 1201 cenobium sancti Urbani. 1194 Stiftung und Gründung des Klosters auf Eigengut durch die Freiherren von Langenstein und von Kapfenberg. Das Mutterkloster war Lützel.

Gesamtprospekt der barocken Klosteranlage von Südwesten. Aquarellierte Kopie einer alten Ansicht aus dem späten 18. Jahrhundert, um 1830 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Ms. 230.4, fol. 86).
Gesamtprospekt der barocken Klosteranlage von Südwesten. Aquarellierte Kopie einer alten Ansicht aus dem späten 18. Jahrhundert, um 1830 (Zentral- und Hochschulbibliothek Luzern, Sondersammlung, Ms. 230.4, fol. 86). […]

Als erste Niederlassung des Klosters diente eine cella in Kleinroth (Gemeinde Langenthal). 1195 zogen die ersten Mönche in die ca. 3 km weiter talabwärts gelegene Siedlung Tundwil auf der rechten Seite der Rot und benannten das Kloster nach dem Patron der dortigen Kapelle St. Urban. Im 13. Jahrhundert erweiterte St. Urban seinen Besitz durch Schenkungen von Adligen der Umgebung (u.a. der Herren von Balm und von Grünenberg als Erben der Stifter, von Frohburg und von Ifenthal) und schuf sich durch Kauf sowie Tausch allmählich ein grundherrschaftliches Zentrum im Langeten- und Rottal. Niedergerichtsrechte besass die Abtei in Kleinroth, Habcherig, Langenthal, Pfaffnau, Roggwil (BE), St. Urban und Wynau, ab 1579 in Knutwil sowie ab dem 17. Jahrhundert im Thurgau durch den Erwerb der Herrschaften Herdern und Liebenfels.

Die Abtei verfügte insbesondere durch Inkorporationen über zahlreiche Patronatsrechte, zum Beispiel ab 1376 in Oberkirch, ab 1384 in Burgrain und 1428-1848 in Pfaffnau. Nach der Glaubensspaltung gab St. Urban die reformierten Kollaturen auf, ausser diejenige von Langenthal (bis 1808), und tauschte 1577-1579 Madiswil, Niederbipp und Wynau gegen Luthern und Knutwil. Vermutlich war das in Kleinroth zu lokalisierende Gottesgarten (1234) ein Tochterkloster, das ca. 1237 nach Olsberg umzog. Der Abt von St. Urban übte das Visitationsrecht in verschiedenen Frauenklöstern aus, so ab 1266 in Rathausen, ab der Gründung 1275 in Ebersecken, 1266-1290 in Wurmsbach und nach 1323 in Eschenbach. In der um 1280 erworbenen Landkapelle Fribach förderte St. Urban eine bis zur Reformation lokal bedeutsame Marienwallfahrt. In Witenbach im Entlebuch betreute die Abtei eine 1344-1469 erwähnte Eremitenniederlassung, die Ende des 15. Jahrhunderts in Heiligkreuz umbenannt wurde.

Ab Mitte des 13. Jahrhunderts stand St. Urban mit verschiedenen Städten im Burgrecht, darunter Solothurn (1252), Bern (1415) und Luzern (1416). Ende des 13. Jahrhunderts erwarb das Kloster in Liestal, Basel und Olten je einen Stadthof. Im 13. und 14. Jahrhundert bewirtschafteten die Mönche und Laienbrüder den Murhof nahe beim Kloster sowie die Grangien in Roggwil, Schoren bei Langenthal, Habcherig, Aefligen und eventuell Sängi bei Untersteckholz. An der Langeten und Rot betrieben sie einen spezialisierten, mit Bewässerung gekoppelten Wiesen- und Ackerbau (sogenannte Wässermatten). In Sonderkulturen pflegten sie vor allem am Bielersee verbreitet Reben. Im 13. Jahrhundert produzierte die Klosterziegelei kunstvolle, modelverzierte Backsteine, auch für den Export (Nachfolge heute Ziegelwerke Roggwil AG). Im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit verwalteten Schaffnereien den dezentralen Besitz.

1407 übernahm die Stadt Luzern mit der habsburgisch-österreichischen Grafschaft Willisau die Kastvogtei über St. Urban, die dann 1420 dem Amt Willisau zugeteilt wurde. In den 1490er Jahren leitete Luzern durch Eingriffe in die Klosterführung einen Reformprozess ein, welcher St. Urban konsolidierte und zu einem führenden eidgenössischen Zisterzienserkloster machte. Der verheerende Brand von 1513 vermochte das Kloster nicht in eine Krise zu stürzen. 1537 erhielt der Abt die bischöfliche Infulation. Die eidgenössischen Orte verhinderten jedoch mit ihren gerichtsherrlichen Eingriffen den Aufbau einer klösterlichen Territorialherrschaft.

Im 17. Jahrhundert unterstützte St. Urban die Bildung der oberdeutschen Zisterzienserkongregation. Die Äbte setzten die katholische Reform konsequent um. Abt Edmund Schnyder kämpfte gerichtlich um grundsätzliche Ansprüche des Ordens wie die Visitationsrechte in den Luzerner Frauenklöstern oder die Legitimation der Rechnungsablage vor dem Luzerner Rat. Gleichzeitig wurde das Kloster vergrössert. Da die meisten Mönche und Äbte aus patrizischen Familien stammten, schloss sich St. Urban ab Ende des 17. Jahrhunderts sozial zunehmend ab; im 19. Jahrhundert erfolgte eine soziale Öffnung und der Konvent zählte durchschnittlich ca. 20-50 Mitglieder.

Abt Ulrich Glutz liess 1690 für die gut besuchte Wallfahrt zur Ulrichskasel, dem Messgewand des heiligen Ulrich aus dem 10. Jahrhundert, einen barocken Zentralbau errichten. 1711 beauftragte Abt Malachias Glutz den Vorarlberger Franz Beer mit dem umfassenden Neubau von Kirche und Konventgebäuden im Barockstil. Eine Klosterschule ist um 1470 belegt; um 1500 erlebte sie mit dem Interesse St. Urbans für Humanismus und Reformschrifttum einen Höhepunkt. Ende des 18. Jahrhunderts begründete Abt Benedikt Pfyffer eine Musterschule. Aus einer Grundschule, für die Pater Nivard Krauer Lehrmethoden und Lehrmittel nach den Grundsätzen des Johann Ignaz Felbiger entwickelte (Normalschule), entstand 1780-1785 das erste Lehrerseminar der Schweiz. In Pfaffnau und Roggliswil liess St. Urban Schulhäuser bauen. 1799-1805 setzte das Seminar in St. Urban seinen Lehrbetrieb fort. 1841-1847 befand sich das kantonale Lehrerseminar in St. Urban.

Während Helvetik und Mediation geriet die Abtei zeitweise unter staatliche Verwaltung. 1798-1803 bildete St. Urban eine eigene Munizipalität. 1814 wurde die Abtei der Gemeinde Pfaffnau zugeteilt. Der letzte Abt Friedrich Pfluger leitete innere Reformen ein. Kurz nach seinem Tod erfolgte im April 1848 die Aufhebung der Abtei durch die liberale Kantonsregierung. Inventar, Kirchenschatz und Chorgestühl wurden verkauft, die Bibliothek und das Archiv dem Kanton Luzern übergeben sowie die Pfarrei St. Urban 1848-1849 neu konstituiert. Die Klostergebäude wechselten ab 1853 mehrmals den Besitzer. 1859 gelangten sie an den Basler Seidenindustriellen Johann Jakob Richter-Linder, der darin eine Seidenproduktion betrieb. 1870 kaufte der Kanton Luzern den Gebäudekomplex zur Einrichtung der kantonalen psychiatrischen Klinik zurück. Diese wurde 1873 eröffnet und befand sich bis zum Neubau 1977-1987 im ehemaligen Kloster. Ein Teil der Gebäude dient seither kulturellen Zwecken wie Führungen oder Konzerten. Mit dem Bau von Wohnquartieren für das Klinikpersonal entstand ab den 1930er Jahren das Dorf St. Urban, das 1917 einen Anschluss an die Langenthal-Melchnau-Bahn erhielt.

Quellen und Literatur

  • StALU
  • ZHBL
  • HS III/3, 376-424
  • Heimatkunde des Wiggertales 52, 1994
  • St. Urban 1194-1994, 1994
  • J. Goll, St. Urban: Baugesch. und Baugestalt des ma. Klosters, 1994
Von der Redaktion ergänzt
Weblinks
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GND

Zitiervorschlag

Waltraud Hörsch: "St. Urban", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 21.01.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012146/2011-01-21/, konsultiert am 19.03.2024.