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LiestalGemeinde

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Kantonshauptort sowie Hauptort des gleichnamigen Bezirks. Die Altstadt liegt auf einem Felssporn zwischen der Ergolz und dem Orisbach zwischen Basel und den verschiedenen Juraübergängen (Hauenstein). Sie weist einen fächerförmigen Grundriss auf, bestehend aus einer breiten Hauptgasse (Gassenmarkt) und zwei Nebengassen. Im 18. Jahrhundert entwickelten sich vor dem Unter- und dem Obertor kleine Vorstädte. Bereits im 17. Jahrhundert entstand an einem Kanal das Gewerbeviertel Gestadeck. 1225 Liestal. Das früher als Ersterwähnung genannte Jahr 1189 geht auf eine gefälschte Urkunde zurück. Liestal ist Sitz der kantonalen Behörden und erfüllt als Verwaltungs- und Dienstleistungszentrum sowie als Mittelpunkt des unteren Ergolztals zentralörtliche Funktionen.

Bevölkerungsstruktur der Gemeinde Liestal

Jahr1497168017981837
Einwohner4501 2361 5752 642
     
Jahr18501870b18881900191019301950197019902000
Einwohner3 0323 8634 8505 4036 0726 6988 44912 50012 85312 930
Anteil an Kantonsbevölkerunga5,7%6,4%7,1%6,6%7,1%6,6%7,1%5,7%5,2%5,0%
Sprache          
Deutsch  4 8025 2705 8666 5148 04110 12510 36810 759
Französisch  386511289126174154122
Italienisch  45778832441 623971660
Andere  6111612385781 3601 389
Religion, Konfession          
Protestantisch2 7013 3214 0014 6605 1115 6136 8507 9247 0305 995
Katholischc3314957166918991 0101 4954 3164 0393 641
Andere 571335262751042601 7843 294
davon jüdischen Glaubens  84525533241798
davon islamischen Glaubens       44522699
davon ohne Zugehörigkeitd       749421 644
Nationalität          
Schweizer2 8343 5994 4434 9225 4206 1587 9239 7679 8829 688
Ausländer1982744074816525405262 7332 9713 242

a Gebietsstand 2000

b Einwohner: Wohnbevölkerung; Religion, Nationalität: ortsanwesende Bevölkerung

c 1888-1930 einschliesslich der Christkatholiken; ab 1950 römisch-katholisch

d zu keiner Konfession oder religiösen Gruppe gehörig

Bevölkerungsstruktur der Gemeinde Liestal -  Autor; eidgenössische Volkszählungen

Römische Zeit

Römische Villa Munzach während der archäologischen Grabungen im Juni 1954 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal).
Römische Villa Munzach während der archäologischen Grabungen im Juni 1954 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal). […]

In und um Liestal sind die Überreste mehrerer bedeutender antiker Bauwerke bekannt: Die römische Villa Munzach, eine Wasserleitung, Teile einer römischen Strasse, sowie das anstelle des heutigen Kirchhofs zu vermutende spätrömische Kastell. Die Wasserleitung begann an der Ergolz unterhalb von Lausen und führte in das 6,5 km entfernt gelegene südliche Stadtgelände von Augusta Raurica (Augst). Sie dürfte im frühen 1. Jahrhundert gebaut worden und bis ins 3. Jahrhundert funktionstüchtig gewesen sein. Vermutlich bildete sie die Voraussetzung für die Eröffnung der sogenannten Zentralthermen von Augusta Raurica in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts. Sichtbar und zugänglich sind Teile der Leitung an der Heidenlochstrasse und am Oberen Burghaldenweg.

Der Kieskoffer der römischen Strasse wurde an der Burg- sowie an der Langhagstrasse festgestellt. Von hier aus führt sie Richtung Bad Bubendorf und tritt als leicht überhöhter Feldweg nach dem Steinenbrüggli (Übergang über die Frenke) in Erscheinung. Ob die Brücke selbst römischen Ursprungs ist, lässt sich heute nicht mehr ausmachen. Die 1988 neu beurteilten Funde aus der Kirchengrabung von 1948 belegen, dass auf dem Sporn im Bereich der St. Martin geweihten Stadtkirche (7./8. Jh.) eine römische Siedlung noch unbekannter Form die Krisenzeit des späten 3. Jahrhunderts überdauert hat. Das annähernd quadratische Häusergeviert um die Kirche mit seinen regelmässigen, mittseits liegenden Zugängen erinnert stark an ein kleines, spätrömisches Strassenkastell (4. Jh.), vergleichbar mit jenen in Irgenhausen und Schaan. Eine kontinuierliche Besiedlung seit spätrömischer Zeit ist anzunehmen, kann zur Zeit aber noch nicht belegt werden.

Vom Frühmittelalter bis zur Kantonsgründung

Bis zum Übergang an die Stadt Basel (1400)

Auf dem Areal des vormaligen römischen Gutshofs Munzach und im Bereich der Stadtkirche und des Regierungsgebäudes (Geländesporn zwischen Ergolz und Orisbach) müssen sich frühmittelalterliche Siedlungen befunden haben. Eine weitere, 1991-1992 und 2002 im vorderen Röserntal untersuchte, frühmittelalterliche Gewerbesiedlung (Eisenverarbeitung) vermittelt Eindrücke über das Leben im 9. bis 12. Jahrhundert.

"Orthographia der Statt Liechstal [...]". Vogelschau von Norden, Ansicht und Grundriss. Aquarell von Jakob Meyer, um 1663 (Staatsarchiv Basel-Landschaft, KP 5003 0250).
"Orthographia der Statt Liechstal [...]". Vogelschau von Norden, Ansicht und Grundriss. Aquarell von Jakob Meyer, um 1663 (Staatsarchiv Basel-Landschaft, KP 5003 0250). […]

Wohl in die Zeit vor der ersten urkundlichen Erwähnung 1225 reicht die Entstehung des von Gräben umgebenen Freihofs (curtis) zurück. Dieser dürfte mit der Kirche den Kern gebildet haben, aus dem das Städtchen Liestal hervorgegangen ist. Die Lage vor der Gabelung der beiden Hauensteinpässe war von den Stadtgründern verkehrstechnisch gut gewählt. Der Terrassensporn bot Schutz und ermöglichte ohne besondere Kunstbauten die Nutzung der Wasserkraft innerhalb der Mauern (Stadtmühle). Unter Graf Hartmann von Frohburg wurde Liestal um 1240 zur Stadt erhoben. Bereits zuvor wurde unweit des Zusammenflusses von Frenke und Ergolz ein Markt gefördert, der möglicherweise bereits in frühmittelalterlicher Zeit bestanden hatte. Der Flurname Altmarkt erinnert an diesen Handelsplatz. Im 13. Jahrhundert wurde der Marktplatz von den Grafen von Frohburg in den Bereich der Kirche St. Martin verlegt, wo sich bereits das Kornhaus befand. Nachdem diese Siedlung bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts befestigt worden war, bevorzugte auch die Bevölkerung der nahen Siedlungen Munzach und Lausen-Bettenach den sicheren Platz, was zur Auflassung der beiden Siedlungen führte. Ein Schultheiss ist für Liestal ab 1277 fassbar. 1275 wird die Siedlung als municipium, 1288 als civitas bezeichnet. Bürger werden die Bewohner Liestals erstmals 1295 genannt.

Bereits um 1265 kam Liestal an die mit den Frohburgern verwandte jüngere Linie der Homberger, welche 1303 mit Hermann in der männlichen Linie ausstarben. Seine Schwester Ida, Gemahlin des Grafen Friedrich von Toggenburg, verkaufte Liestal 1305 an den Bischof von Basel, der den künftigen Schultheissen einsetzte. 1323 verpfändete der Bischof Liestal für einige Zeit an Ritter Ulrich von Ramstein und 1374 für ein Jahr an Herzog Leopold von Österreich. Kaum war das Städtchen nach dem Erdbeben von 1356 wieder aufgebaut, wurde es 1381 von Letzterem erobert und niedergebrannt. Die den Bischof ständig drückende Schuldenlast führte 1400 zum Verkauf der Herrschaften Liestal, Homberg und Waldenburg an die Stadt Basel.

Reformation und Herrschaftsentwicklung bis 1654

Die neue Herrschaft bezeichnete Liestal vorübergehend nicht mehr als Stadt, sondern als Schloss. Das Schultheissenamt wurde fortan durch einen Basler Stadtbürger besetzt. Es kam zu Konflikten mit den Herren von Basel, weil Männer aus Liestal auf der Seite der Eidgenossen in der Schlacht bei St. Jakob an der Birs (1444) und in den Burgunderkriegen (1476, 1477) teilnahmen und im Schwabenkrieg (1499) die in die Schlacht bei Dornach ziehenden Eidgenossen mit Speis und Trank versorgten. Die Vertreter Liestals beschworen Basels Aufnahme in die Eidgenossenschaft 1501 mit Begeisterung. Ab 1520 wirkte der Leutpriester Stephan Stör in Liestal, der für eine Glaubenserneuerung eintrat und sich auch im Bauernkrieg von 1525 engagierte. Sein in reformatorischen Fragen unentschiedener Nachfolger Johannes Brunwiler wurde mit der Einführung der Reformation 1529 durch den Basler Rat erster reformierter Pfarrer von Liestal. Schon vor der Reformation und bis 1763, also zwei Jahre vor dem Abbruch der Pfarrkirche Munzach, wirkte der dortige Geistliche auch als Helfer an der Stadtkirche von Liestal.

Das Engagement im Bauernkrieg von 1653 führte zu einer bitteren Demütigung: Liestal wurde von der baselstädtischen Obrigkeit entwaffnet, das Ratssilber beschlagnahmt, das Stadtsiegel zerstört, die Privilegien aufgehoben und die Bürgerschaft zu gewöhnlichen Untertanen degradiert. Für ein Jahr standen Liestal und die ganze Landschaft im Ausnahmezustand. Mit der erneuten Huldigung vom September 1654 und der gleichzeitigen Inkraftsetzung der neuen Landesordnung wurden Ausnahmezustand und militärische Besetzung aufgehoben. Die überarbeitete Landesordnung trachtete nach Beseitigung oder Einschränkung möglichst vieler alter Sonderrechte. Sichtbar wurden diese Bemühungen im verschärften Huldigungseid und in der Beschneidung der Selbstverwaltungsrechte: 20 Jahre lang stand nur noch ein Schultheiss aus Basel an der Spitze, wodurch dieses Amt zu einer Landvogteistelle wurde. Erst ab 1673 gab es wieder eine zweite Schultheissenstelle, sodass ein Liestaler und ein Basler das Amt abwechselnd ausübten. Der Liestaler Rat wurde durch ein Gericht und einen Beisitzer ersetzt.

Die Gründung der ersten Schule dürfte ins 13./14. Jahrhundert zurückgehen, die früheste Quelle stammt allerdings erst von 1492. Die 1536 zur obrigkeitlichen Deputatenschule erhobene Institution leitete bis 1767 der jeweilige Pfarrer zu Lausen. Ab 1759 erlaubte die Schulordnung für die Landschaft, dass auch Kinder aus Familien in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen die Schule besuchen konnten, weil ihnen das Schulgeld bezahlt wurde. 1820 entstand in Liestal die erste Realschule auf der Landschaft.

Vermutlich bald nach der Gründung der Stadt Liestal muss ein Spital in der Nähe des oberen Tores entstanden sein, das dort bis 1813 betrieben wurde. Ob die Pest, die 1349 auch in Liestal einige Opfer gefordert hatte, direkt zur mutmasslich adeligen Stiftung des Siechenhauses (auch unteres Spital genannt) führte, ist unsicher. Das in der Folge vor allem für die Pflege der Aussätzigen dienende Haus, eine halbe Wegstunde nördlich des Ortes an der Strasse gegen Basel gelegen, wurde 1766-1769 neu gebaut.

Das Liestaler Handwerk, das Ende des Ancien Régime und die Kantonsteilung

Einzelne Zweige des Landhandwerks dürften sich spätestens ab den 1580er Jahren ämterweise in sogenannten Meisterschaften organisiert haben. Im 18. Jahrhundert war in Liestal ein vielfältiges Gewerbe und Handwerk zu finden, die beide teilweise vom Durchgangsverkehr lebten. 1774 sind 10 Schneider, 29 Schuhmacher, 3 Handschuhmacher, 7 Strumpfweber, 5 Säckler, 9 Leinen- und 4 Wollweber erwähnt. Wie die 17 Küfer und 6 Drechsler arbeiteten sie nicht nur für den lokalen Bedarf des damals rund 1500 Einwohner zählenden Orts, sondern auch für das Umland. Gering war die Anzahl der Bandstühle: 1770 wurden 8, 1786 immerhin 44 gezählt. Die meisten Einwohner betrieben neben einem Gewerbe oder Handwerk auch etwas Landwirtschaft und Rebbau.

Die kleinstädtische Handwerkerschaft entwickelte sich gegen Ende des Ancien Régime zu einem massgeblichen politischen Faktor. Sie begann sich im 18. Jahrhundert aus der städtischen Zunftordnung zu befreien und wurde eine treibende Kraft beim Umsturz der alten Ordnung. Eine Gruppe von Liestaler Handwerkern sandte im Juli 1790 eine Bittschrift nach Basel, in der unter anderem die Abschaffung der Leibeigenschaft gefordert wurde. Am 27. Dezember 1790 beschloss der Basler Rat die teilweise Aufhebung der Leibeigenschaft. Am 1. Januar 1798 nahmen in Basel unter rund 150 Revolutionsanhängern auch acht Liestaler an der "patriotischen Mahlzeit" teil, einer wichtigen Präliminarie der Basler Revolution. Den von Liestalern ausgearbeiteten "Vier Punkten", worin am 13. Januar 1798 gleiche Rechte und Freiheiten für die Landbürger gefordert wurden, stimmten die Gemeindeausschüsse zu. Einige Tage zuvor war in Liestal einer der ersten Freiheitsbäume auf Schweizer Boden errichtet worden. Mit der Übergabe der Freiheitsurkunde am 22. Januar durch eine Basler Delegation in Liestal erlangte die Basler Landschaft als erstes Untertanengebiet in der Eidgenossenschaft die ersehnte Freiheit und Gleichstellung.

Auch in den Basler Trennungswirren (1830-1833) spielte Liestal die führende Rolle, wobei die Handwerker stark an der Bewegung beteiligt waren. 1831 wurde in Liestal die erste provisorische Regierung der Landschaft gebildet. Die Folge war die Beschiessung und Besetzung Liestals durch stadtbaslerische Truppen. 1832 wurde die Partialtrennung beschlossen (Totaltrennung 1833) und der Halbkanton Basel-Landschaft gegründet, Liestal wurde Kantonshauptort.

Liestal seit der Kantonsgründung 1833

Die politisch-administrative und baugeschichtliche Entwicklung

Die Kanzlei des fünfköpfigen Regierungsrats des neuen Kantons zog in den fortan "Regierungsgebäude" genannten Komplex beim ehemaligen Untertor, der 1775-1779 an der Stelle des Freihofs und der früheren Stadtburg (und somit am Ursprung der Stadtanlage) neu gebaut worden war. Der gesetzgebende, zunächst aus 45 Mitgliedern bestehende Landrat tagte zunächst im städtischen Rathaus, bis 1837 der Landratsaal im Regierungsgebäude bezugsbereit war. 1850 erweiterte Hochbauinspektor und Architekt Benedikt Stehle das Regierungsgebäude, das jahrzehntelang die Kantonalverwaltung, einen Saal sowie Gerichts-, Archiv-, Bibliotheks- und Museumsräume beherbergte. Mit dem Bau des Kantonsspitals (1852-1854, Neubau 1961) weitab der Altstadt setzte Stehle trotz Liestals zaghafter Entwicklung als Hauptort einen neuen monumentalen Akzent. 1862 wurde die Kaserne in Betrieb genommen. Bis zu ihrer Sanierung 2004 beherbergte sie die Infanterieschulen, seither die Übermittlungs- und Führungsunterstützungstruppen. Liestal ist seit 1874 kantonaler Waffenplatz.

Eine Landratssitzung in Liestal. Aquarell-Karikatur von Jakob Senn, 1836 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal).
Eine Landratssitzung in Liestal. Aquarell-Karikatur von Jakob Senn, 1836 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal). […]

Für Statthalteramt, Bezirksschreiberei und Bezirksschule erbaute Johannes Bay 1879-1881 das Amtshaus, das als repräsentatives Pendant zum Regierungsgebäude gestaltet wurde. Das 1853-1854 von Stehle im Auftrag der Gemeinde gebaute Orisschulhaus am Bahnhofplatz diente nach dem Kauf durch den Kanton 1914 als Gerichtsgebäude, Kantonsbibliothek sowie als Arbeits- und Lehrlingsamt. Der Verwaltungsbezirk an der Rheinstrasse entstand ab 1950 und vereint die meisten Amtsstellen und Direktionen des Kantons. Die 1864 gegründete Kantonalbank hat ihren Sitz seit 1873 am Anfang der Rheinstrasse; zuvor befand sich der Geschäftssitz im Regierungsgebäude.

Die Stadtregierung bezog 1939 das neu errichtete Hintergebäude des Rathauses. Eine namhafte Erweiterung erfolgte 1995 mit dem Bezug der Liegenschaft an der Ecke Salzgasse/Fischmarkt. Die Liestaler Regierung war bis zu Beginn des 21. Jahrhunderts zumeist bürgerlich dominiert. Nur 1987-1996 war der Stadtpräsident ein Sozialdemokrat. 2002 wurde einer Verkleinerung des Stadtrats von sieben auf fünf Sitze zugestimmt. Im 40 Mitglieder umfassenden Einwohnerrat, der als Folge der Gemeindeorganisation von 1972 die Gemeindeversammlung ersetzt, dominieren die FDP und die SP.

Im Besitz der Bürgergemeinde befinden sich 1025 ha Wald und weitere Grundflächen. Die Bürgergemeinde führt ein eigenes Alters- und Pflegeheim und unterhält einen Forstbetrieb. Ihr gehören auch die Domänen Sichternhof und Talacker.

Siedlungsentwicklung und Infrastruktur

Bis ins 19. Jahrhundert beschränkte sich das Siedlungsgebiet auf die mittelalterliche Stadtanlage und das Gestadeck. An den Ausfallstrassen vor dem oberen und dem unteren Tor entstanden noch im 18. Jahrhundert einige wenige Bauten, zum Beispiel das repräsentative Landgut des Basler Indienne-Fabrikanten Samuel Ryhiner (1768). 1827-1828 fiel das Untertor. An der Ausfallstrasse in Richtung Basel sowie vor dem Obertor entstanden in den folgenden Jahrzehnten die ersten Quartiere ausserhalb der mittelalterlichen Stadtanlage. Der Bahnbau führte in den 1850er Jahren zur Entstehung eines Bahnhofsquartiers und hatte gleichzeitig zur Folge, dass die Überlandstrasse zum Hauenstein massiv an Bedeutung verlor. Neue Wohnquartiere im Süden, Osten und Westen des alten Zentrums entwickelten sich erst ab ca. 1900 und lagen meist in der Nähe grösserer Produktionsstätten. Nach 1945 wurden der Schleifenberg (Südhang), die gegenüberliegenden Höhen, die Ebenen des vordersten Frenkentals, des Röserntals und jene nordwärts gegen Frenkendorf und Füllinsdorf überbaut. Seit Ende des 20. Jahrhunderts ist der Ort mit den Nachbargemeinden im Ergolztal zusammengewachsen.

1854 erfolgte die Eröffnung der Eisenbahnlinie Basel-Liestal, die 1858 auch Olten und somit das schweizerische Mittelland erreichte. 1880 entstand die Waldenburgerbahn (1953 elektrifiziert), die als Schmalspurbahn das Waldenburgertal mit Liestal verbindet. Der 2001 eröffnete Adlertunnel ist Bestandteil des nationalen Projekts Bahn 2000. Liestal ist Ausgangspunkt verschiedener Buslinien, die teilweise zuvor als Pferdepost betrieben worden waren, so ab 1853 nach Augst bzw. Rheinfelden und ein Jahr später nach Reigoldswil. 1905 wurde die Linie nach Reigoldswil eröffnet, welche als älteste konzessionierte Automobilverbindung der Schweiz gilt. Das seit 1930 als Autobus AG Liestal tätige Transportunternehmen betrieb ab 1928 auch eine Linie nach Basel und ab 1976 diejenigen nach Lausen, Frenkendorf und Füllinsdorf.

Obwohl Liestal an dem ab 1583 bestehenden Postkurs (Fussboten) Basel-Bern lag und am später eingerichteten Mailänder Kurs, wurde erst in der Helvetik 1799 ein Postbüro eröffnet; es blieb bis zur Kantonstrennung das einzige auf basellandschaftlichem Boden. Das Telegrafenbüro wurde 1853, das Telefon 1884 eingeführt (neun Abonnenten). Nach den Plänen von Hans Auer entstand 1891-1892 beim Bahnhof ein repräsentatives Post- und Telegrafengebäude (heute Kulturhaus Palazzo).

Seit dem Mittelalter versorgte die Oristalquelle alle Brunnen innerhalb der Stadtmauern. Wasserständige Gewerbebetriebe bezogen ihre Kraft von künstlich angelegten Kanälen, gespiesen von Orisbach, Frenke und der Ergolz. 1877 wurde die Hauswasserversorgung angelegt. Nachdem eine 1890 durch die Oristalquelle verursachte Typhusepidemie 21 Todesopfer gefordert hatte, erfolgte die Fassung der Helgenweidquelle bei Hölstein und ab 1913 die Einrichtung von Grundwasserpumpwerken. Ein städtisches Gaswerk war zwischen 1873 und 1926 in Betrieb und sorgte bis 1892 auch für die Strassenbeleuchtung. Ab 1926 bezog Liestal Gas vom Gaswerk Basel (heute Erdgas). Am 24. Dezember 1892 leuchteten erstmals elektrische Strassenlaternen; den Strom lieferten die Kleinkraftwerke einer Tuchfabrik und der Sägemühle. Ab 1900 übernahm die 1898 gegründete Elektra Baselland das städtische Lichtwerk und damit die Versorgung Liestals mit Elektrizität.

Wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung

Im Niederschönthal, im Grenzgebiet Liestal-Füllinsdorf, wird bereits im 14. Jahrhundert eine Mühle erwähnt. Hier entwickelte sich am Gewerbekanal ab dem 18. Jahrhundert eine Industriesiedlung mit Drahtzügen, Schmieden, Giesserei, Eisenkonstruktionswerkstätte, Webereien und Spinnereien mit den dazugehörigen Wohngebäuden. In Liestal entstand am gleichen Kanal um 1825 die Färberei, Bleicherei und Walke von Ambrosius Rosenmund (ab 1920 Tuch- und Deckenfabrik Schild AG), an der Frenke ab 1862 die Firma Schwarz (1884 übernommen von Carl Albert Handschin, später Hanro AG) und im Oristal ab 1826 die von Michael Spinnler gegründete Weberei. Die Textil- und Bekleidungsindustrie, wozu auch Bandfabriken und mit der 1872 gegründeten Firma Köttgen eine frühe Schuhfabrik der Schweiz zählten, entwickelte sich neben dem Metall- und Maschinenbau zum wichtigsten Wirtschaftszweig. Die aufkommenden Industriebetriebe veränderten die Beschäftigungsstruktur: Waren die Einwohner bis anhin vor allem Ackerbauern (mit Obst- und Weinbau), Handwerker und Gastwirte, zählte Liestal 1878 neun Fabriken mit 325 Arbeitern. Die Stadt blieb bis 1940 der am stärksten industrialisierte Ort im Kanton.

Blick auf die Tuch- und Deckenfabrik Schild AG. Fotografie von Theodor Strübin, um 1945 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal).
Blick auf die Tuch- und Deckenfabrik Schild AG. Fotografie von Theodor Strübin, um 1945 (Archäologie und Museum Baselland, Liestal). […]

Noch um die Mitte des 20. Jahrhunderts arbeiteten mehr als die Hälfte der im 2. Sektor Beschäftigten in der Bekleidungs- oder Textilindustrie sowie in der Metall- und Maschinenindustrie, unter anderem bei der Giesserei Erzenberg AG (1840), der Giesserei Chrétien (1848), bei der Konrad Peter AG (Landmaschinen und Kommunalfahrzeuge, 1894) und der Prometheus AG (elektrische Haushaltsgeräte, 1899). Wichtige Arbeitgeber wurden zudem die chemisch-pharmazeutischen Betriebe Knoll AG (1893) und CIS AG (1921), die Druckerei Lüdin AG, Herausgeberin der einzigen Tageszeitung im Kanton ("Basellandschaftliche Zeitung"), die seit September 2006 als Kopfblatt der "Mittelland Zeitung" erscheint, sowie die 1850 eröffnete Brauerei Ziegelhof, die sich als einzige mittelständische Brauerei der Nordwestschweiz ins 21. Jahrhundert retten konnte, aber im Mai 2006 das gesamte Biergeschäft an die Eichhof Getränke AG Luzern übergab. Veränderte Wirtschaftslagen und Strukturbereinigungen führten von den 1980er Jahren an zur Schliessung oder Verlegung fast aller der obgenannten Firmen. Die ausgedehnten Industrieanlagen der Textil-, der Maschinen- und Gerätebauindustrie wurden umgenutzt oder abgerissen. 2000 war noch knapp ein Drittel der Beschäftigten im 2. Sektor tätig (1910: 60%).

Ab etwa 1870 hatte Liestal den Ruf eines Kurorts und war eine beliebte Zwischenstation für Nordeuropäer, die sich vor der Weiterreise in die Alpen und nach Süden akklimatisieren wollten. Ihnen standen der 1868-1869 zum Solbad ausgebaute Gasthof Falken, das ebenfalls 1869 ausgebaute Bad Schauenburg und Bad Bienenberg (1875-1876) zur Verfügung. Die Blütezeit der Kur- und Solbäder endete in der Zeit um den Ersten Weltkrieg.

Kultur, Bildung, religiöses Leben

1837 errichtete Basel-Landschaft als einer der ersten Kantone der Schweiz ein eigenes Kantonsmuseum (seit 1982 im ehemaligen Korn- und Zeughaus). Ein Jahr später wurde die Kantonsbibliothek eröffnet. Sie hat ihren Sitz seit 2005 im umgebauten Weinlager beim Bahnhof. Die Naturforschende Gesellschaft Baselland wurde 1900, die Gesellschaft für Baselbieter Heimatforschung (heute Gesellschaft für regionale Kulturgeschichte Baselland) 1961 ins Leben gerufen. Das 2000 eingerichtete Dichter- und Stadtmuseum präsentiert nebst zahlreichen stadtgeschichtlichen Zeugnissen unter anderem Dokumente der mit Liestal verbundenen Dichter Georg Herwegh, Josef Viktor Widmann, Carl Spitteler und Hugo Marti.

Seit 1991 besteht das privat geführte Harmonium-Museum. Kulturelle Veranstalter wie zum Beispiel der Orchesterverein, die Laienbühne oder die Organisation Baselbieter Konzerte finden aufgrund der Konkurrenz des nahe gelegenen Basel keine idealen Bedingungen vor. Das 1979 gegründete Kulturhaus Palazzo stellt avantgardistische Kunst aus.

Nach der Kantonstrennung entwickelte sich Liestal zu einem schulischen Zentrum: Die seit 1820 bestehende Realschule wurde in eine Bezirksschule umgewandelt, 1875 die Gewerbeschule gegründet (heute Gewerblich-industrielle Berufsfachschule Liestal), 1896 die Handelsschule KV Baselland, 1963 das erste basellandschaftliche Gymnasium, 1966 das kantonale Lehrerseminar (das 2001 in eine Pädagogische Hochschule umgewandelt wurde und seit 2006 Teil der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz ist) und im gleichen Jahr die Schule für psychiatrische Krankenpflege, die ab 1974 Schule für Spitalberufe hiess und seit 2004 als Berufsfachschule Gesundheit in Münchenstein angesiedelt ist. Seit 1933 ist Liestal zudem Ausbildungsort der Eidgenössischen Zollverwaltung.

Die reformierte Kirchgemeinde ist für die Gläubigen von Liestal und für jene der Nachbargemeinde Seltisberg zuständig. 1866 erfolgte die Weihe der katholischen Kirche (Patrozinium Bruder Klaus); nachdem bereits ab 1835 wieder katholische Gottesdienste im Chor der reformierten Stadtkirche gefeiert und vom Landrat die Kirchgemeinde Liestal errichtet worden war, wurde diese 1853 auch vom Bischof anerkannt. Heute erstreckt sie sich über acht politische Gemeinden. Der Bau der jetzigen Kirche erfolgte nach Plänen von Fritz Metzger (Einweihung 1961). Verschiedene weitere christliche Glaubensgemeinschaften besitzen in Liestal Gotteshäuser, so die Methodisten (1862) und die Chrischonagemeinschaft (um 1900). Auch die Heilsarmee ist seit 1888 in Liestal verankert. Die Mennoniten betreiben seit 1957 auf dem Bienenberg ihre europäische Bibelschule (heute Tagungs- und Ausbildungszentrum Bienenberg). Seit 1976 unterhält die islamische Gemeinschaft im Palazzo einen Gebetsraum. Eine jüdische Gemeinde existierte zwischen 1871 und 1956 (1880 rund 100 Personen). Ab etwa 1900 befand sich das Betlokal im Obergeschoss des Gasthofs Zur Eintracht. Der nahe Gasthof Falken war bis zum Ersten Weltkrieg ein bevorzugter Ort für festliche Anlässe elsässischer Judenfamilien.

Quellen und Literatur

  • J.J. Brodbeck, Gesch. der Stadt Liestal, 21872
  • K. Gauss, Gesch. der Stadt Liestal, 1910
  • K. Bütler, Die wirtschaftl. Entwicklung der Stadt Liestal, 1954
  • F. Klaus, Heimatkunde von Liestal, 1970
  • Kdm BL 2, 1974
  • INSA 5
  • R. Marti, «Zwei frühma. Gräber und ihre Bedeutung für die Frühgesch. Liestals», in Beitr. zur Archäologie der Merowinger- und Karolingerzeit, 1988, 29-59
  • D. Wunderlin, Liestal 1889-1989, 1990
  • J. Ewald et al., Die röm. Wasserleitung von Liestal nach Augst, 1997
  • M. Meier, Die Industrialisierung im Kt. Basel-Landschaft, 1997
  • J. Tauber, «Die Eisenwerker im Röserntal», in Tatort Vergangenheit, hg. von J. Ewald, J. Tauber, 1998, 241-266
  • Nah dran, weit weg 1-6, 2001
  • Liestal - eine neue Heimatkunde, hg. von A. Cueni et al., 2004
  • D. Rippmann, Liestal, 2009
Weblinks
Normdateien
GND

Zitiervorschlag

Dominik Wunderlin; Jürg Ewald: "Liestal (Gemeinde)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 14.01.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001211/2010-01-14/, konsultiert am 19.03.2024.