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BeromünsterStift

Weltl. Kollegiatstift, Gem. B. LU, bis 1814 Bistum Konstanz, seit 1828 Bistum Basel. Patrozinium: Erzengel Michael. Um 920 (?) gegründet, 1036 als Peronis monasterium ... sancti Michaelis urkundlich erwähnt.

Die Gründungsgeschichte liegt im Dunkeln. Archäolog. Untersuchungen widersprechen der These Josef Siegwarts nicht, wonach die Gründung eines Stifts mit Stephanspatrozinium um 915/920 anzusetzen, in den 970er Jahren das Stift von der Stephanskirche in die neue Michaelskirche verlegt und das Grab des Stifters Bero 1034 durch Gf. Ulrich I. von Lenzburg in die neue Kirche transferiert worden sei. Ulrich legte 1036 auch die Güter und Rechte des Vogtes sowie die Rechte des Stifts fest. 1045 erhob Kg. Heinrich III. B. zum Reichsstift. Nach dem Aussterben der Lenzburger (1173) gelangte die Kastvogtei an die Kyburger, von diesen erbweise (1264) an die Habsburger. Anlässlich der Eroberung des Aargaus durch die Eidgenossen stiessen die Luzerner in das Michelsamt vor und erlangten die Reichsvogtei über das Stift. Die hohe Gerichtsbarkeit ging 1415 als Pfand vorerst in den Besitz der Stadt Sursee, wurde aber bereits 1420 an Luzern abgetreten. Zwei Verträge (1420, 1469) regelten die rechtl. Verhältnisse zwischen Luzern und dem Stift bis 1798.

Die Schirmurkunde Ks. Friedrich Barbarossas (1173) gibt einen ersten Überblick über die Besitzungen des Stifts, von denen ein Grossteil aus Schenkungen der Gf. von Lenzburg stammte: Der Güterbesitz lag schwergewichtig im oberen Wynental um B. und dehnte sich in die benachbarten Täler des Sempacher-, Baldegger- und Hallwilersees aus. Weitere Besitzkonzentrationen gab es im Wiggertal bei Richenthal und an der Aare zwischen Solothurn und Aarau. Die weitab gelegenen Streugüter am Bieler- (Nugerol) und Murtensee (Vully), in Obwalden (Kerns), am Rhein (Magden) und im bad. Müllheim wurden bereits im SpätMA abgestossen. Der Propst besass in den Stiftsbesitzungen als Vorsteher des reichsfreien Stifts die Immunitätsgewalt und in den zwölf Dörfern des Michelsamtes die Gerichte, der Kastvogt übte die hohe Gerichtsbarkeit aus. Die Abgrenzung beider Rechtsbereiche wurde 1223 urkundlich festgehalten, nachdem ein Streit des Propstes mit den Kyburgern, in dessen Verlauf das Stift gebrandschatzt wurde, erst nach Ächtung der Kyburger durch den Kaiser beendet werden konnte. Die Güter und Rechte des Stifts wurden durch eine Reihe von Patronatsrechten an Pfarrkirchen ergänzt. Im 18. Jh. erstreckten sich die Kollaturen des Stifts auf folgende Pfarreien: B., Doppleschwand, Grossdietwil, Grosswangen, Hägglingen, Hochdorf, Inwil (LU), Neudorf, Pfeffikon, Rain, Richenthal, Rickenbach (LU), Rothenburg, Sarnen, Schongau und Schwarzenbach, sowie auf die ref. Gem. Gontenschwil, Kirchberg (BE) und Küttigen.

Bereits 1036 hatte das Stiftskapitel das Recht der freien Propstwahl erhalten. Während der habsburg. Schirmvogtei ging dieses Recht sukzessive an den Vogt über, was das Stift 1400 urkundlich bestätigte. Luzern liess sich 1480 das volle Verleihungsrecht für Präpositur und Kanonikate von Papst Sixtus IV. bestätigen. Noch immer wählt die Luzerner Regierung den Propst aus einem Dreiervorschlag des Bischofs, der nach der Wahl die Investitur vornimmt. Die bischöfl. Bestätigung oder Investitur war bereits in den ältesten erwähnten Statuten vorgesehen, den "Matricula ecclesiae Beronensis" von 1326; sie wurde aber erst nach dem Tridentinum und nur für kurze Zeit (1587-1617) praktiziert. In den Anfängen richteten sich die Chorherren wohl nach der Aachener Regel von 816 bzw. nach der Kanonikerreform des 10. Jh. Nach dem Brand von 1217 wurde die vita communis aufgegeben, die Güter wurden auf 24 Präbenden verteilt. Nach einer ersten Revision der Statuten unter Propst Ulrich Martin (1517-57) führte eine zweite zu Beginn des 17. Jh. zu Kompetenzstreitigkeiten zwischen Propst und Kapitel und konnte erst unter Propst Bernhard Hartmann (1688-1703) abgeschlossen werden. Diese Statuten blieben bis zur letzten Revision im Jahr 1928 in Kraft.

Spätestens ab Beginn des 14. Jh. zählte das Stift 21 Kanonikate und ein gutes Dutzend Kaplaneien. Die Chorherrenpfründen waren ab 1415 Mannlehen der Stadt Luzern und wurden vom dortigen Kl. Rat besetzt; das Ernennungsrecht liegt noch immer bei der Luzerner Regierung. Seit dem Wessenberg-Konkordat von 1806 sind mit zwei Ausnahmen alle Chorherrenstellen für ehemalige Seelsorger reserviert (Emeritenanstalt). An der Spitze des Stifts steht der Propst. Die zweite Position hat der Kustos inne, er verwaltet den Kirchenschatz und schlichtet Streitigkeiten innerhalb der Kirchenmauern. Die Ausdehnung seines Gerichtskreises auf den Stiftsbezirk (Freiung) verursachte die Opposition des Propstes: Gemäss Entscheid des Luzerner Rats 1483 richtete das geschworene Gericht (Propst) Frevel innerhalb des Stiftsbezirks (Immunitätsbereich).

Die kulturelle Ausstrahlung des Stifts vollzog sich v.a. über die Schule und die Liturgie. Die Anfänge der Stiftsschule reichen weit ins MA zurück. Die Schulleitung lag beim 1226 urkundlich erwähnten scholasticus. Die Stiftsschule richtete sich ab dem späten 16. Jh. nach dem Lehrplan der Jesuiten. 1866 wurde sie zu einem Progymnasium mit Realklassen umgestaltet, 1964 vom Stift losgelöst und 1977 zur vollwertigen kant. Maturitätsschule erweitert. Im Zusammenhang mit der Feier der Liturgie steht die Pflege einer reichen Musikkultur v.a. während des 17. und 18. Jh. Namhafte Komponisten haben eigens für B. Instrumental- und Vokalwerke geschrieben, z.B. mehrchörige Messen (Franz Joseph Leonti Meyer von Schauensee, Anton Stamitz, der Bruder von Karl Stamitz). Eine grosse Musikaliensammlung, die viele handschriftl. Unikate enthält, zeugt davon. Der Kirchenschatz mit seinen kostbaren Ornaten ist ein weiterer Zeuge des kulturellen Lebens.

Der Stiftsbezirk schliesst unmittelbar an die westl. Begrenzung des Fleckens B. an. Die Stiftshäuser sind kreisförmig um die Stiftskirche angeordnet. An der Grenze zum Flecken stehen die einst als Schal, Stiftskeller und Amtshaus (Hirschen) dienenden Gebäude. Archäolog. Untersuchungen (1975-83) haben für die Stiftskirche folgende Baugeschichte ergeben: Vom ersten vorrom. Bau aus dem 10. Jh. sind nur spärl. Reste erhalten, die keine Rekonstruktion zulassen; Terrassierungsarbeiten vor der Errichtung des zweiten Baus haben seine Fundamente fast vollständig wegrasiert. Die zweite Kirche aus der Zeit um 1036, die noch heute im aufgehenden Mauerwerk des barockisierten Baus erhalten ist, war eine dreischiffige Säulenbasilika mit wenig ausladendem Querhaus, das sich gegen Osten in drei Apsiden öffnete. Die Umbauten des 13.-15. Jh. betrafen im Innern v.a. die Krypta und die Chorzone. Letztere wurde immer weiter ins Schiff hinein verlängert. Das Äussere der Stiftskirche wurde im SpätMA durch den Bau eines Turmes und einer Sakristei verändert. Das heutige Aussehen erhielt die Kirche in zwei Umbauphasen in den 1690er und 1770er Jahren. Die markantesten baulichen Veränderungen bestehen neben der Ausstattung im Innern in der Errichtung einer Kuppel über der Vierung und einer Eingangshalle im Westen. Bis 1693 stand vor der Westfassade der Kirche eine kreuzförmige Friedhofskapelle (Peterskapelle) in einem atriumartig umbauten Hof, die aus dem frühen 11. Jh. stammte und später für die pfarrrechtl. Handlungen der Stiftspfarrei verwendet wurde.

Quellen und Literatur

  • Kdm LU 4, 1956, 7-156
  • J. Siegwart, «Die Gründungsgesch. von B.», in Gfr. 117, 1964, 133-171
  • HS II/2, 162-214
  • P. Eggenberger, Das Stift B., 1986
  • L. Meyer, Das Chorherrenstift B., 1313-1500, Liz. Zürich, 1987
  • G. Egloff, Herr in Münster: Die Herrschaft des Kollegiatstiftes St. Michael in Beromünster in der luzern. Landvogtei Michelsamt am Ende des MA und in der frühen Neuzeit (1420-1700), 2003

Zitiervorschlag

Anton Gössi: "Beromünster (Stift)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.03.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/012007/2011-03-03/, konsultiert am 19.03.2024.