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Reinach (BL)

Vornehme römische Graburne aus Glas, letztes Viertel des 1. Jahrhunderts n.Chr., Bodenfund Reinach-Mausacker, 1998 (Archäologie und Musem Baselland, Liestal).
Vornehme römische Graburne aus Glas, letztes Viertel des 1. Jahrhunderts n.Chr., Bodenfund Reinach-Mausacker, 1998 (Archäologie und Musem Baselland, Liestal). […]

Politische Gemeinde des Kantons Basel-Landschaft, Bezirk Arlesheim. Ehemaliges Bachzeilendorf, zu Beginn des 21. Jahrhunderts Agglomerationsgemeinde Basels, am Schnittpunkt der Verbindungen Basel-Aesch-Birstal und Dornach-Therwil-Leimental. Zwischen 1168 und 1176 Rinacho. 1581 45 Häuser; 1722 64; 1815 558 Einwohner; 1850 816; 1900 1213; 1950 3475; 1970 13'419; 2000 18'323.

Ab dem Mesolithikum sind siedlungsgeschichtliche Spuren aus fast allen Epochen belegt, unter anderem mittelsteinzeitliche Pfeileinsätze aus Silex und jungsteinzeitliche Silexwerkzeuge, Keramik und Urnengräber aus der späten Bronzezeit sowie eine keltische Gehöftgruppe im Mausacker, die um die Zeitenwende einem Brand zum Opfer fiel. Danach entstand nördlich davon eine neue Siedlung im Stil eines römischen Gutshofs. Aus römischer Zeit (70-150 n.Chr.) stammen Urnengräber. Eine Vielzahl von Bodenfunden ab Ende des 6. Jahrhunderts lassen vermuten, dass auf dem Areal eines ehemaligen römischen Gutshofs im heutigen Dorfkern eine neue Siedlung entstand, die sich kontinuierlich zum mittelalterlichen Dorf entwickelte. Neben Grubenhäusern (Webkellern) fand man auch vier Töpferöfen aus dem 7.-8. Jahrhundert, die mit den in Oberwil und Therwil gefundenen Öfen auf ein Töpfereizentrum im südlichen Basler Hinterland schliessen lassen.

Im Hochmittelalter lagen die niedere und hohe Gerichtsbarkeit beim Bischof von Basel, der 1239 die Herrschaft Birseck kaufte und diese 1373-1435 an die Herren von Ramstein verpfändete. 1522-1792 gehörte Reinach zur Vogtei Birseck im Fürstbistum Basel, das Hochgericht übte der Vogt von Pfeffingen aus. Kirchlich war Reinach Teil der Pfarrei Pfeffingen, wurde 1511 selbstständig und trat 1525 durch einen Burgrechtsvertrag mit der Stadt Basel zum reformierten Glauben über. 1595 wurde das Dorf vom Bischof rekatholisiert und der Pfarrei Arlesheim angeschlossen. 1631 erlangte Reinach erneut die Selbstständigkeit. Die Kollatur lag beim Bischof. Die 1336 erwähnte Kapelle mit Nikolauspatrozinium wurde 1511 Pfarrkirche. Sie erhielt bei der Rekatholisierung einen neuen Altar, eine Kanzel und ein Tabernakel. Im Dreissigjährigen Krieg erlitt sie schwere Beschädigungen, 1657 wurde sie neu errichtet sowie im 18. Jahrhundert und um 1806 erweitert. Der heutige, 1962-1964 renovierte Bau stammt von 1876.

Nach dem Ende der fürstbischöflichen Herrschaft 1792 und dem Zusammenbruch der Raurachischen Republik 1793 kam Reinach zu Frankreich. 1793-1800 war das Dorf Hauptort des Kantons Reinach im Departement Mont Terrible, gehörte 1800-1815 zum Departement Haut-Rhin und wurde 1815 auf dem Wiener Kongress dem Kanton Basel zugeteilt. Im Gegensatz zu den übrigen Dörfern des Birsecks trat Reinach nicht freiwillig dem Kanton Basel-Landschaft bei. Am 3. August 1833 wurde der Reinacher Gemeindepräsident Franz Feigenwinter von heimkehrenden basellandschaftlichen Milizen erschossen und das Dorf verwüstet. Vier Tage später entsprach der Landrat dem Begehren Reinachs um Aufnahme in den Kanton Basel-Landschaft.

Ab 1724 verschafften das Salzdepot für die deutschen Vogteien des Fürstbistums (vorher in Allschwil), die bis 1792 von der Familie Goetz verwaltete Schaffnerei der Vogteien Birseck und Pfeffingen, die Postverteilstelle und die fürstbischöfliche Trotte dem Zoll- und Grenzort Reinach einen wirtschaftlichen Aufschwung, wovon auch die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts geschaffenen Kunstwerke des einheimischen Bildhauers Niklaus Kury zeugen. Ab 1738 bestanden mehrere kleine Ziegeleien und an den Birsufern wurden Kies und Sand abgebaut. Im 19. Jahrhundert wurde nach und nach die Landwirtschaft modernisiert: 1820 wurde die Dreizelgenwirtschaft, 1841 der allgemeine Weidgang aufgehoben. Viehhaltung und Graswirtschaft verdrängten den Ackerbau. Ab 1855 entstanden Höfe ausserhalb der Siedlung, unter anderem 1856 der Reinacherhof, 1906 der Predigerhof und 1908 der Erlenhof (heute Erziehungsheim). Die Industrialisierung blieb gering; um 1825-1832 und 1872-1912 existierten Brauereien und 1887 entstand die Ziegelei Wenger & Koch (später Salathé, bis 1919). Mit der 1907 eröffneten Tramlinie Basel-Reinach-Aesch entstanden neue Quartiere (1925 Station Surbaum). In den 1960er und 1970er Jahren erfuhr Reinach aufgrund ausgedehnter Bauzonen ein aussergewöhnliches Wachstum, das zu Infrastrukturproblemen führte (v.a. fehlender Schulraum). Die Neuansiedlung von Industrie und Gewerbe intensivierte sich in den 1950er Jahren und vor allem nach dem Anschluss Reinachs an das Nationalstrassennetz 1982, als sich vermehrt Gewerbe vor allem aus der grafischen Branche sowie Fabrikationsbetriebe der Metallbearbeitung und des Maschinen- und Apparatebaus in Reinach niederliessen. 2005 stellte der 2. Sektor 35%, der 3. Sektor 64% der Arbeitsplätze in der Gemeinde. Rascher als in anderen Birsecker Gemeinden kam es zu konfessioneller Vermischung. 1952 wurde die reformierte Kirchgemeinde gegründet und 1962-1963 die von Ernst Gisel als kubischer Betonbau konzipierte reformierte Kirche errichtet. Das zur Stadt herangewachsene Dorf (1965 Stadtfest) versuchte, mit eigenem kulturellem Leben (u.a. 1958 Zunft zu Rebmessern, 1961 Dorfmuseum, 1969 Tierpark, 1975 Monatsmarkt) die Integration der Zuzüger zu fördern. Von regionaler Bedeutung sind das Wasserwerk Reinach und Umgebung (1921), die Grundwasserschutzzone im Auwald und das Naturschutzreservat Reinacher Heide.

Quellen und Literatur

  • Kdm BL 1, 1969, 408-415
  • J.E. Morf, «Reinach BL zwischen Dorf und Stadt», in Regio Basiliensis 11, 1970, 131-170
  • H. Windler et al., Reinach BL, 1975
  • A.R. Furger, Die ur- und frühgesch. Funde von Reinach BL, 1978
  • R. Marti, «Bedeutende frühma. Siedlungsreste in Reinach BL», in ArS 13, 1990, 136-153
  • D. Hagmann, Reinach, 2006
  • J. Tauber, «Ein "Scherbenteppich" der Hallstattzeit», in As. 29, 2006, 2-15

Zitiervorschlag

Brigitta Strub: "Reinach (BL)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.12.2011. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/001200/2011-12-23/, konsultiert am 28.03.2024.