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Predigt

Von lateinisch praedicatio (öffentliches Bekanntmachen) abgeleitet, bezeichnet der Begriff die meistens in die katholische Liturgie und in den reformierten Gottesdienst eingebundene religiöse Rede. Sie spricht eine bestimmte Hörerschaft in einer konkreten Situation an und vermittelt einen meistens biblischen Sinngehalt (Bibel), um die Gewissheit im Glauben und die Orientierung im Leben zu stärken.

Titelblatt des Manuale curatorum von Johann Ulrich Surgant, erschienen in der Offizin von Michael Furter in Basel, 1503 (Universitätsbibliothek Basel, Aleph B V 10:1).
Titelblatt des Manuale curatorum von Johann Ulrich Surgant, erschienen in der Offizin von Michael Furter in Basel, 1503 (Universitätsbibliothek Basel, Aleph B V 10:1). […]

Ursprünglich am nachexilischen jüdischen Synagogengottesdienst ausgerichtet, entwickelten sich in der Alten Kirche zwei Grundformen von Predigten: Der thematische und kunstvoll ausgestaltete sermo und die schlichte, dem biblischen Text Vers für Vers folgende homilia. Durch die karolingischen Reformen im Mittelalter wurden der Klerus zum Halten und die Laien zum Hören der Predigt verpflichtet. Inhalte waren die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, die Sakramente und das Vaterunser. Durch die Predigt von Laien gerieten die Buss- und Armutsbewegungen mit kirchlichen Autoritäten in Konflikt. An Kathedralschulen und Universitäten wurde der scholastische Predigtstil gepflegt, der in ausgebauten sermones theologische Themen abhandelte. Dagegen suchten die Volkspredigten die Hörerschaft mit vielen Exempeln und Wunderberichten in einfacher Sprache zu erreichen. Als Hilfen entstanden lateinische und deutsche Predigtsammlungen. Handbücher wie das «Manuale curatorum» (1503) von Johann Ulrich Surgant leiteten zur schriftbezogenen Predigt an.

Mit der Reformation wurde die Predigt zum zentralen, heilsvermittelnden Element des reformierten Gottesdiensts. Martin Luther behielt die altkirchlichen Evangelienperikopen bei, Huldrych Zwingli und Johannes Calvin gingen zur Auslegung ganzer biblischer Bücher in Predigtreihen über (lectio continua). Eine Fülle von Predigten wurde gehalten; in Basel etwa waren für eine Woche 48 Predigten vorgesehen. Die protestantische Orthodoxie vermittelte in ausgebauten Predigten die richtige Lehre, um das entsprechende Leben zu fördern. Das Konzil von Trient (1545-1563) stärkte die Predigt der katholischen Kirche und schärfte dem Klerus die Pflicht zur Predigt ein. Karl Borromäus förderte die Ausbildung der Priester und regte die Berufungen von Jesuiten und Kapuzinern an, die ausgezeichnete Prediger waren (Petrus Canisius, Michael Angelus Schorno) und die Pfarreiangehörigen in grossangelegten Volksmissionen religiös unterwiesen.

Pietismus und Aufklärung zielten im 18. Jahrhundert auf religiöse Erbauung und sittliche Besserung. Pietisten vermittelten auf biblischer Grundlage die Hauptinhalte des christlichen Glaubens (Samuel Lutz, Daniel Willi, Hieronymus Annoni), während von der Aufklärung beeinflusste Theologen die Relevanz der christlichen Botschaft durch historische und vernünftige Einsichten aufzeigten (Georg Joachim Zollikofer, Johann Kaspar Lavater). Im 19. Jahrhundert entwickelte sich eine vielfältige Predigtpraxis. Vertreter der Erweckungsbewegung und des Konfessionalismus konzentrierten sich in Textpredigten auf die traditionellen Inhalte Sünde, Erlösung, Christologie und Lebenswandel. Die Predigt von Vermittlungstheologen wie Karl Rudolf Hagenbach suchte die Verbindung zwischen Christentum und Kultur sowie den theologischen und kirchenpolitischen Flügeln. Die liberalen Theologen nahmen historisch-kritische Erkenntnisse, Fragen der modernen Welt und den Alltag der Gemeindeglieder auf (Albert Bitzius, Heinrich Lang).

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts behandelten die religiösen Sozialisten die soziale Frage (Hermann Kutter, Gustav Benz, Leonhard Ragaz) und Exponenten der dialektischen Theologie wandten sich von einer anthropologischen einer christozentrischen Predigt zu (Karl Barth, Eduard Thurneysen, Emil Brunner, Walter Lüthi). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden politische Themen wie Atombewaffnung, Weltfrieden oder Erhaltung der Umwelt aufgenommen. Frauen wurden in den reformierten Kirchen durch die Ordination, in der katholischen Kirche der Deutschschweiz durch die Missio canonica zur Predigt zugelassen. Neue dialogische oder narrative Formen relativierten die traditionelle, monologische Predigt, neue Medien wie Radio und Fernsehen forderten die Predigt heraus. Das Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) empfahl die Homilie als Teil der Liturgie und forderte den Bezug zu Bibel und gesellschaftlichen Verhältnissen.

Quellen und Literatur

  • R. Pfister, Kirchengesch. der Schweiz, 3 Bde., 1964-85
  • Hist. Wb. der Rhetorik 7, 2005, 45-96
Weblinks

Zitiervorschlag

Martin Sallmann: "Predigt", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 10.12.2013. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011748/2013-12-10/, konsultiert am 29.03.2024.