de fr it

Ablasswesen

Frühreformatorische Flugschrift mit Titelholzschnitt, Augsburg 1521 (Stiftsbibliothek Einsiedeln, Q 64.8).
Frühreformatorische Flugschrift mit Titelholzschnitt, Augsburg 1521 (Stiftsbibliothek Einsiedeln, Q 64.8). […]
Memorialtafel mit dem Ablassbrief des Weihbischofs von Konstanz, aus der Schlosskapelle Wyher in Ettiswil, 1593 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-21219).
Memorialtafel mit dem Ablassbrief des Weihbischofs von Konstanz, aus der Schlosskapelle Wyher in Ettiswil, 1593 (Schweizerisches Nationalmuseum, LM-21219). […]

Der Ablass als teilweiser oder vollkommener zeitlicher Nachlass der Buss- und Sündenstrafen ist eine Neubildung in der abendländischen Kirche des Mittelalters. Entstanden im 11. Jahrhundert mit dem Vordringen der privaten Busse, belebt durch die Kreuzzüge und das Pilgerwesen, erhielt der Ablass in der Hochscholastik (Scholastik) des 13. Jahrhunderts mit der Lehre vom unerschöpflichen Gnadenschatz der Kirche seine theoretische Grundlage. Die von Bischöfen, Kardinälen und dem Papst ausgestellten Ablassbriefe enthielten zunächst zeitlich begrenzte Indulgenzen. Grosse quantitative Vermehrung brachten im Spätmittelalter der Plenarablass für Rompilger im Jubeljahr 1300 und anlässlich der folgenden Jubiläen sowie vom 14. Jahrhundert an die Möglichkeit, die durch den Ablass zu gewinnenden Gnaden Verstorbenen zuzuwenden: Der Ablass wurde zum beliebten Instrument der Heilssicherung. Gläubige erwarben Beichtbriefe, Wallfahrts-, Kloster- und Pfarrkirchen einen Schatz von Ablassbriefen (z.B. ca. 120 für die Innerschweiz bis 1450). Die Einnahmen dienten zur Finanzierung kirchlicher Werke aller Art, den Gemeinden auch für den Bau und Unterhalt ihrer Kirchen ("Romfahrt" in Bern mit Plenarablass ab 1478). Einen Höhepunkt erreichte das Ablasswesen mit dem Engelweihfest im September 1466 in Einsiedeln (angeblich 130'000 Pilger). Kritik äusserten bereits Berthold von Regensburg, Dante Alighieri, John Wyclif, Jan Hus und die Waldenser. Die inflationäre Entwicklung sowie Missbräuche (Ablasspredigt Bernardin Sansons 1518-1519 in der Schweiz) machten dann das Ablasswesen zu einem Hauptthema reformatorischer Kritik (Huldrych Zwingli, Guillaume Farel, Niklaus Manuel [1484-1530]). Nach der Reform auf dem Konzil von Trient spielte das Ablasswesen bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im katholischen Frömmigkeitsleben eine grosse Rolle.

Quellen und Literatur

  • TRE 1, 347-364
  • LexMA 1, 43-46
  • K. Tremp-Utz, «Gottesdienst, Ablasswesen und Predigt am Vinzenzstift in Bern (1484/85-1528)», in ZSK 80, 1986, 52-58
  • E. Tremp, «Buchhaltung des Jenseits», in Gfr. 143, 1990, 131-142
  • LThK 1, 51-59
Weblinks

Zitiervorschlag

Ernst Tremp: "Ablasswesen", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.07.2016. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011741/2016-07-28/, konsultiert am 28.03.2024.