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Augustiner Chorherren

Regulierter Chorherren-Orden der katholischen Kirche, der durch lange Entwicklung, ohne einen Gründer, entstanden ist. Die in Südgallien im 6. Jahrhundert auftauchenden kanonischen Kleriker waren ortsstabile Geistliche. Die Chrodegangregel (um 755 niedergelegt) bewirkte eine strenge Trennung vom Mönchtum. Die bis ins 11. Jahrhundert gesetzlich geltende Aachener «Institutio» von 816 verlangte von den Kanonikern weder Armut noch Gelübde. Wolfgang (später Mönch in Einsiedeln) führte als Kanoniker im Domstift Trier 956/964 die klösterliche Strenge ein. Zu Beginn des 11. Jahrhunderts waren die Kathedralstifte Hildesheim und Bamberg sowie das Zürcher Grossmünster Vorbilder der Reichskanonikerreform. In Italien verband sich die Klerikertonsur etwa 1050 mit dem Armutsgelübde, um 1057 durch die Mailänder Reformbewegung Pataria mit der Augustinusregel. Diese war in Frankreich vor 1050 in Narbonne und Saint-Ruf (Avignon) bekannt, wurde aber erst 1067 in Reims zur verbindlichen Norm erhoben. In Deutschland gab es von 1073 an in Passau (St. Nikola) und in Rottenbuch Regularkanoniker mit Gelübde. Erst um 1100 drang die Augustinusregel allgemein durch.

Die Bräuche des 1089/1090 gegründeten Stifts Marbach im Elsass wurden massgebend für mehrere Regularstifte der Schweiz: St. Leonhard in Basel (gegründet 1117/1134), Kreuzlingen (1125), St. Martin auf dem Zürichberg (1127), Interlaken (1127/1128), Saint-Maurice (1128), St. Luzi in Chur (1149), Ittingen und Köniz (beide um 1150), Saint-Maire in Lausanne (1144/1159), Grosser St. Bernhard und Därstetten (vor 1224). Einige dieser Stifte waren Doppelklöster (Marbach, Ittingen, Interlaken), aber meistens ging der weibliche Zweig unter. Der Orden spaltete sich 1117/1119 in eine mildere Praxis (ordo antiquus) und eine härtere Lebensweise (ordo novus) mit Handarbeit und strengem Fasten. Vom 13. Jahrhundert an zerfielen die Stiftskirchen rasch. Die Armut wurde nicht eingehalten. Im 15. Jahrhundert brachte die Kongregation von Windesheim (Niederlande) eine zentralistische Erneuerung, welcher in der Schweiz die Stifte St. Leonhard, St. Martin und Beerenberg bei Winterthur angehörten. Die Reformation überdauerten im Gebiet der Schweiz einzig Saint-Maurice und die Propstei auf dem Grossen St. Bernhard, beide im Bistum Sitten. Zur Zeit der Aufklärung erlebte Saint-Maurice eine kulturelle Blüte. Innerhalb der seit 1959 bestehenden Konföderation der Augustiner Chorherren bilden die beiden Walliser Stifte je eine der neun autonomen Kongregationen, die im Turnus den Abtprimas stellen.

Quellen und Literatur

  • HS IV/1
Weblinks

Zitiervorschlag

Josef Siegwart: "Augustiner Chorherren", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 03.04.2001. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011706/2001-04-03/, konsultiert am 28.03.2024.