de fr it

Gregorianischer Gesang

Weihnachtssequenz "Natus ante secula" von Notker dem Stammler. Handschrift aus dem 11. Jahrhundert, rechts das Musiknotationssystem der Neumen (Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. Sang. 376, S. 320; e-codices).
Weihnachtssequenz "Natus ante secula" von Notker dem Stammler. Handschrift aus dem 11. Jahrhundert, rechts das Musiknotationssystem der Neumen (Stiftsbibliothek St. Gallen, Cod. Sang. 376, S. 320; e-codices).

Aus dem FrühMA stammender, in der röm. Liturgie der kath. Kirche wurzelnder einstimmiger lat. Gesang, gemäss Legende nach Papst Gregor I. (590-604) benannt. Ursprünge und Entwicklung des frühen G.s, zu dessen Umfeld u.a. die altröm., ambrosian., beneventan. und gallikan. Überlieferungen gehören, sind unklar, da er erst später aufgeschrieben wurde. Als älteste Quellen des G.s gelten Manuskripte aus dem späten 8. und frühen 9. Jh., die nur den Text der Gesänge enthalten. Die frühesten, ab dem 10. Jh. zu datierenden Codices der Mönche von St. Gallen und Einsiedeln mit den Aufzeichnungen der Messgesänge und die seit der Wende zum 11. Jh. überlieferten Niederschriften der Stundengebetsgesänge (u.a. St. Gallen) gehören zu den ältesten und herausragendsten Zeugnissen, in denen die zu singenden Texte mit besonderen Notenzeichen, sog. Neumen, versehen sind. In der Blütezeit des G.s im 10. und 11. Jh. erweiterten Sequenzen und Tropen das Repertoire. Dabei spielte das Kloster St. Gallen mit den Mönchen Notker dem Stammler und Tuotilo eine wegweisende Rolle. Auch kam es zu Neuerungen im Bereich der mehrstimmigen Gesangspraxis (Organum). Im 12. Jh. brachten Reformen zuerst bei den Zisterziensern, dann u.a. bei den Prämonstratensern und den Dominikanern einschneidende Veränderungen auch im melod. Material der Gesänge, wie eine aus dem ehem. Dominikanerinnenkloster St. Katharinental stammende Handschrift (14. Jh.) bezeugt. Gleichzeitig trat in mitteleurop. Manuskripten mit dem Übergang von den linienlosen Neumen zur Intervallnotation auf Linien der dt. Choraldialekt als Besonderheit zutage, dessen Pflege für viele deutschschweiz. Klöster belegt ist. Nach weiteren Reformversuchen widmeten sich ab Mitte des 19. Jh. die Benediktiner von Solesmes (Pays de la Loire) mit päpstl. Auftrag der Erforschung und Restauration des G.s, später Eugène Cardine und seine Schüler Luigi Agustoni und Godehard Joppich v.a. im Bereich der Semiologie. In der Schweiz leistete Anselm Schubiger (Einsiedeln) Pionierarbeit, die im 20. Jh. u.a. von Peter Wagner, Ephrem Omlin (Engelberg), Pirmin Vetter (Einsiedeln), Hubert Sidler (Stans) und Oswald Jäggi fortgesetzt wurde. Ende des 20. Jh. in diversen schweiz. Klöstern nach wie vor lebendig, wird der G. neben dem Kirchenlied auch im kath. Gottesdienst gepflegt.

Quellen und Literatur

  • P. Wagner, Einführung in die gregorian. Melodien, 3 Bde., 1895-1921, (Nachdr. 1970)
  • E. Cardine, Semiologia gregoriana, 1968
  • J. Viret, Le chant grégorien, 1986
  • L. Agustoni, J.B. Göschl, Einführung in die Interpretation des Gregorian. Chorals, 2 Bde., 1987-92
Weblinks

Zitiervorschlag

Bernhard Hangartner: "Gregorianischer Gesang", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 23.01.2007. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011518/2007-01-23/, konsultiert am 28.03.2024.