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Fasnacht

Karneval

Eine der ältesten Darstellungen der Basler Fasnacht, um 1590. Aquarell von Jakob Götz (Historisches Museum Basel, Stammbuch Götz, Inv. 1870.921).
Eine der ältesten Darstellungen der Basler Fasnacht, um 1590. Aquarell von Jakob Götz (Historisches Museum Basel, Stammbuch Götz, Inv. 1870.921).

Die Fasnacht ist weder ein heidnisch-germanischer Brauch, noch geht sie auf die römischen Saturnalien und ähnliche Feste zurück, wie immer wieder in populären Darstellungen behauptet wird. Erste Zeugnisse liegen erst aus dem Spätmittelalter vor. Ob Fasnacht ursprünglich ein städtischer oder ländlicher Brauch war, bleibt umstritten. Die deutschsprachige Forschung neigt auf Grund der Quellenlage zur ersteren Annahme (Hans Moser bzw. Münchner Schule). Aber es gab die Fasnacht wohl bereits im Spätmittelalter auch in den Dörfern. So bezeichnete im frühen 15. Jahrhundert der Basler Rat die Fasnacht als ländlichen Unfug. Und die Luzerner Fritschimaske war vermutlich ein Strohpopanz, wie wir ihn vom bäuerlichen Brauchtum her kennen, der urbanisiert und stilisiert wurde. Das Wort Fas(t)nacht wird allgemein als die Nacht (vigilia) vor der 40-tägigen Fastenperiode gedeutet. Andere Herleitungen wie zum Beispiel von faseln (töricht reden, zeugen) oder Fassnacht (Nacht des Fasses) sind überholt. Der erstmals in Rom im 13. Jahrhundert erwähnte carnevale (französisch carnaval) leitet sich von carne(m) levare (das Fleisch wegräumen) ab. Für das Gebiet der Schweiz haben wir 1283 einen ersten Wortbeleg. Als Ereignis wird die Fasnacht aber erst vom späten 14. Jahrhundert an fassbar, in Basel zum Beispiel 1418, sofern man nicht das Adelsturnier von 1376, die sogenannte Böse Fasnacht, dazurechnet. Die Fasnacht ergab sich so, gleichsam aus einer Staulage heraus, als Zeit des Überschwangs vor der Fastenzeit. Der Versuch von Dietz-Rüdiger Moser, die Fasnacht als kirchlich inszeniertes Brauchtum mit religiös-pädagogischer Intention zu erklären (Geistliche Spiele), als Kontrastbild einer gottfernen, pervertierten Welt (civitas diaboli versus civitas Dei), überzeugt nicht. Maskentermine waren und sind auch sonst im Winterhalbjahr verbreitet (Martini, Nikolaus, Silvester). Im Ursprung dürfte es sich bei der Fasnacht um einen Männerbrauch gehandelt haben, doch zogen schon früh Frauen maskiert mit. Die These eines männerbündischen Ursprungs in germanischer Frühzeit, wie sie Otto Höfler vertrat, entsprang historisch nicht fundiertem mythologisierendem Wunschdenken.

Gewisse Regelmässigkeiten prägen die Entwicklung der Fasnacht im überregionalen Vergleich. Zu den frühen Formen gehören Mähler, gegenseitige Besuchsgewohnheiten, Schau- und Heischebräuche sowie Wettkämpfe. Schon im 15. Jahrhundert versuchte die Obrigkeit, den Maskenlauf des «gemeinen» Volks zu zügeln. Dahinter steckte mit die Furcht vor dem subversiven Charakter der Fasnacht. Die Reformatoren verboten dann die Fasnacht als «papistisches Treiben» ― nicht immer mit gänzlichem Erfolg. Im Zuge der Gegenreformation gab auch die katholische Kirche ihre ursprüngliche Billigung der Fasnacht auf. Vor allem die Jesuiten wirkten (in Luzern ab 1574) in dieser Hinsicht mit der weltlichen Obrigkeit zusammen. Die Verbote lockerten sich erst im 18. Jahrhundert, nicht zuletzt unter dem Einfluss einer patrizischen Jugend und ihrer Gewohnheiten aus dem Solddienst (Maskenbälle usw.). Das 19. Jahrhundert brachte ein Aufblühen der Fasnacht, auch in evangelischen Gebieten. Träger wurden vor allem Fasnachts-Vereine und -Komitees (z.B. Basel 1911). Die Fasnacht wurde zum mehrtägigen Programm mit Umzügen, Bällen, Spendebräuchen, Fasnachtspielen (z.B. ab 1863 der Japanesen-Gesellschaft in Schwyz), lokalen Fasnachts-Gestalten und Ursprungslegenden. Das 20. Jahrhundert kannte Höhen und Tiefen der Fasnachts-Begeisterung; die Phasen verliefen meist parallel zur wirtschaftlichen und weltpolitischen Lage. Die allgemeine Tendenz ging weg von der Saal-Fasnacht mit ihren Maskenbällen zur Strassen-Fasnacht: Basel perfektionierte seine Trommler- und Pfeiferszene mit den Schnitzelbänken. Luzern wurde nach dem Zweiten Weltkrieg zum Mekka der Guggenmusiken. Zürich suchte einen eigenen Weg mit dem elitären Künstlermaskenball und einer Umzugs- und Vereins-Fasnacht, die unbewusst alte Besuchsgewohnheiten aufnahm. Seit den 1970er Jahren dehnt sich die Fasnacht auch in der evangelischen Westschweiz aus, wo einzelne Fasnachtszentren bereits im 19. Jahrhundert bestanden (Brandons von Payerne). Dabei wurden die Termine fast beliebig: Die Fasnacht kann, ähnlich wie in Frankreich, auch im Mai stattfinden. Im Tessin gibt es immer noch die Unterscheidung zwischen der Fasnacht nach römischem und nach ambrosianischem Ritus, was damit zusammenhängt, dass das Tessin bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zur Diözese Como und Mailand gehörte. Die Fasnacht nach römischem Ritus dauert vom Donnerstag bis am Dienstag vor dem Aschermittwoch, jene nach ambrosianischem Ritus vom Donnerstag bis zum Samstag vor der Fastenzeit. In Bern wird seit 1982 wieder eine Gassenfasnacht durchgeführt.

Quellen und Literatur

  • E. Hoffmann-Krayer, «Die Fastnachtsgebräuche in der Schweiz», in Kl. Schr. zur Volkskunde, hg. von P. Geiger, 1946
  • K. Meuli, «Der Ursprung der Fastnacht», in Ges. Schr. 1, hg. von T. Gelzer, 1975, 283-299
  • Das Jahr der Schweiz in Fest und Brauch, hg. von R. Thalmann, 1981
  • P. Hugger, «Bruder Fritschi von Luzern», in SAVk 79, 1983, 113-130
  • Encycl.VD 11, 210-224
  • P. Hugger, Fasnacht in Zürich, 1985
  • E.A. Meier et al., Die Basler Fasnacht, 1985
  • D.-R. Moser, Fastnacht ― Fasching ― Karneval, 1986
  • L. Fischer, Faszination Lozärner Fasnacht, 3 Bde., 1988-96
  • W. Mezger, Narrenidee und Fastnachtsbrauch, 1991
  • «Carnevaa», in Vocabolario dei dialetti della Svizzera italiana, Fasz. 54-55, 1999-2000, 126-171
Weblinks

Zitiervorschlag

Paul Hugger: "Fasnacht", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 28.11.2005. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011515/2005-11-28/, konsultiert am 19.03.2024.