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MuriKloster

Das Kloster und die Pfarrkirche St. Goar von Südosten. Kupferstich von Johann Caspar Winterlin, 1615 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv).
Das Kloster und die Pfarrkirche St. Goar von Südosten. Kupferstich von Johann Caspar Winterlin, 1615 (Zentralbibliothek Zürich, Graphische Sammlung und Fotoarchiv). […]

Ehem. Benediktinerkloster in Muri (AG), bis 1814 Diözese Konstanz, ab 1828 Basel. Das 1027 gegr. Kloster wurde 1841 aufgehoben; der Konvent besteht seit 1841 in Sarnen und seit 1845 im ehem. Augustiner Chorherrenstift Gries bei Bozen (Südtirol) fort. Ita von Lothringen, die Gattin Gf. Radbots von Habsburg, soll gemäss den Acta Murensia (um 1160) auf Rat ihres Bruders Wernher, Bf. von Strassburg, die Benediktinerabtei 1027 zur Sühne für Vergehen ihres Schwiegervaters gestiftet haben. Auf Bitte Radbots schickte der Abt von Einsiedeln den Mönch Reginbold als ersten Propst nach M., um für das Kloster Besitz zu erwerben und den Klosterbau in die Wege zu leiten. Unter Propst Burkhard, der 1065 vom Konvent zum Abt gewählt wurde, fand am 11.10.1064 die Kirchweihe statt (Martinspatrozinium). 1082-85 führten Mönche von St. Blasien (Schwarzwald) die cluniazens. Reform ein. Nun war M. bis 1415 eine Kastvogtei der Gf. von Habsburg. Von 1083 an bis zur Verlegung des Frauenkonvents nach Hermetschwil Ende des 12. Jh. war M. ein Doppelkloster. Im 12. und 13. Jh. erwarb die Abtei neben weiteren Gütern auch Kollaturen, so in Wohlen (AG) und Boswil. 1242 wurde dem Kloster die Pfarrei M. zugesprochen. Brände und Plünderungen zerstörten u.a. 1300 und 1443-45 neben Kirchenschätzen auch Bücher und Urkunden. Nach dem Sempacherkrieg schenkten die Hzg. von Österreich dem Kloster weitere Kollaturen (z.B. Sursee). Mehrmals erhielt M. päpstl. und kaiserl. Schirmbriefe und 1507 die Pontifikalien. 1415 gelangte der Raum M. an die Eidgenossen. Die Schirmherrschaft befand sich nun bei den Orten Zürich, Luzern, Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus, 1549 kam Uri dazu, 1712 Bern.

Trotz seiner Freundschaft mit Heinrich Bullinger blieben Abt Laurentius von Heidegg (1508-49) und sein Konvent 1531 katholisch und genossen den Schutz der Schirmorte, v.a. jenen Luzerns. Im 2. Kappelerkrieg brandschatzten Berner Truppen das Kloster. Das Konzil von Trient forderte auch von M. Reformen, die im 16. und 17. Jh. vorgenommen wurden. Sie betrafen die Abschaffung des Pfründensystems, die Einführung der Klausur sowie die Ausbildung der Konventualen in der Hausschule und an Universitäten. Am stärksten gefördert wurden die Historiografie und die Buchmalerei. Im 17. Jh. umfasste die Reform auch die Pflege der Bruderschaften, der Liturgie sowie der barocken Andachtsformen, etwa ab 1647 die Verehrung des hl. Leontius. In die Reform einbezogen wurden auch die Kollaturpfarreien. Noch heute bedeutsam ist M.s Mitgliedschaft und Mitarbeit in der schweiz. Benediktinerkongregation (seit 1603). Bis 1622 bzw. 1649 mussten die Äbte um die Exemtion vom Bf. von Konstanz, die freie Abtwahl und die Klostervisitation durch Benediktineräbte kämpfen. In der Klosterverwaltung erstellte man nun Urbarien und berief weltl. Amtsleute auf die vier M.-Amtshöfe. Immer wieder führten die Äbte Auseinandersetzungen mit den Schirmorten, wenn diese mit Steuer- und Schirmgeldforderungen die Immunität der Abtei verletzten. 1651 kaufte M. die Herrschaft Klingenberg, im 18. Jh. Güter im süddt. Raum, etwa Glatt im Neckartal, das ihm bis 1803 gehörte. Das äussere Ansehen der Abtei erreichte einen Höhepunkt, als Ks. Leopold I. Abt Plazidus Zurlauben (1684-1723) 1701 den Fürstentitel verlieh. Bis 1803 blieb die Fürstabtei M. der religiöse und geistige Mittelpunkt und der bedeutendste Grund- und Gerichtsherr im Freiamt.

Die spätma. Klostergebäude wurden nach Bränden im spätgot. Stil renoviert, jedoch bis ins 17. Jh. nicht erweitert. 1509 errichtete Abt Laurentius von Heidegg die Abtskapelle. 1534 wurde der Kreuzgang umgebaut und ab 1554 mit Glasgemälden ausgestattet. Unter Abt Johann Jodok Singisen entstanden der Westanbau an den Kreuzgang, der sog. Singisenflügel (heute Benediktinerhospiz) und 1650-57 das Chorgestühl von Simon Bachmann. Erst Abt Plazidus Zurlauben wagte wahrscheinlich gemäss Plänen und Ideen von Giovanni Battista Bettini unter Beizug von Bruder Caspar Moosbrugger 1695 den Neubau der Kirche. Die Weihe des 25 m hohen Kirchenoktogons fand 1697 statt. Knapp 100 Jahre später liess Abt Gerold Meyer von Schauensee (1776-1810) von Valentin Lehmann den Plan für einen Klosterneubau ausarbeiten. 1789-98 wurde jedoch einzig der Ostflügel mit einer Länge von 218 m realisiert, der 1889 ausbrannte und nach dem Wiederaufbau ab 1909 als Aarg. Kranken- und Pflegeheim genutzt wurde.

Während der Helvetik hatte der Konvent, dessen fast 70-jähriger Abt 1798 nach Deutschland und Mähren floh, die gleichen Verluste zu erdulden wie andere Klöster. 1803 kam die Abtei an den Kt. Aargau, der das Fortbestehen der Klöster und die Restitution ihres Eigentums verfügte. Auch die Klosterschule konnte weitergeführt werden. Die Idee, ein Priesterseminar zu eröffnen, konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Die nach dem Freiämtersturm von 1830 gebildete liberal-radikale Regierung mischte sich immer stärker in die Klosterbelange ein. Sie verfügte ein Novizenaufnahmeverbot, die Schliessung der Klosterschule und die Unterstellung des Klosters unter die staatl. Administration. Als die Regierung Abt Adalbert Regli (1838-81) und dessen Konvent Anfang 1841 für den Freiämteraufstand verantwortlich machte, hob der aarg. Grossrat M. und die übrigen Klöster im Kanton am 13.1.1841 auf (Aargauer Klosterstreit). Vierzehn Tage später hatten die Konventualen M. zu verlassen. Nachdem die Obwaldner Regierung im Febr. 1841 dem Abt die Übernahme der Lateinschule in Sarnen angeboten hatte, begann dieser am 12.11.1841 mit sieben Patres dort zu unterrichten und eröffnete 1867 das Konvikt. Dieses wurde wie das Internat im Jahr 2000 geschlossen; die Klosterschule beherbergt seit 1964 die Kantonsschule Obwalden. 1964-66 liessen die Patres die Kollegiumskirche St. Martin erbauen.

Das österr. Kaiserhaus verurteilte die Aufhebung der aarg. Klöster und anerbot den Patres von M. Asyl in Österreich. Ab Sept. 1843 liefen über Fürst Klemens Wenzel von Metternich Verhandlungen für die Übernahme des ehem. Augustiner Chorherrenstiftes in Gries. Nachdem der Hl. Stuhl 1844 bzw. 1852 die Eröffnung eines Priorats erlaubt hatte, konstituierte Abt Regli, der mit einigen Patres 1845 in Gries ankam, am 10.12.1846 den neuen Konvent von M.-Gries. Die Klostergebäude in Gries bedurften vieler Renovationen. Als die Bewohnerzahl stieg, wurden auch Neu- und Anbauten notwendig. Bis nach 1900 war nur ein Drittel der Novizen Schweizer. Das Philosophie- und Theologiestudium erfolgte an der Hausschule. 1902 wurde ein Internat für Lehramtskandidaten eröffnet. Eine Reihe Patres war in der Pastoration tätig. Abt und Patres standen bei Volk und Regierung in hohem Ansehen und wurden mehrfach geehrt. Nachdem das Südtirol 1919 zu Italien gelangt war, wurde das Internat 1923 von der faschist. Regierung geschlossen und später nicht mehr eröffnet. Während man im Kloster vom 1. Weltkrieg wenig gespürt hatte, mussten der Abt und der Konvent etlichen Repressalien seitens der Faschisten und der Nationalsozialisten standhalten. Das Noviziat wurde in dieser Zeit nach Sarnen verlegt. Das Kloster blieb im 2. Weltkrieg von Luftangriffen verschont.

Mit der Schweiz blieb das Kloster M. durch die weitere Mitgliedschaft in der schweiz. Benediktinerkongregation, die Tätigkeit am Kollegium Sarnen (wodurch der Konvent zweigeteilt ist), die Pastoration versch. Pfarreien im Freiamt und die Eröffnung des Benediktinerhospizes 1957 in M. verbunden. 1941 übergab der Kt. Aargau die Klosterkirche samt Baufonds der Kirchgemeinde M. Mit staatl. Unterstützung begann diese, Kirche und Kreuzgang zu renovieren. Seit 1966 ist die grosse Renovation der Klostergebäude im Gang, wobei die Aussenrenovation 1997 abgeschlossen wurde. 1971 errichtete man in der Loretokapelle beim Kreuzgang die Habsburger Gruft, in der u.a. die Herzen des letzten österr. Kaiserpaares beigesetzt wurden.

Quellen und Literatur

  • Kdm AG 5, 1967, 188-452
  • HS III/1, 896-952
  • Memorial M. 1841, 1991
  • Germania Benedictina 3, Tl. 2, 2001

Zitiervorschlag

Anton Kottmann: "Muri (Kloster)", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 02.09.2010. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011496/2010-09-02/, konsultiert am 28.03.2024.